Lernen, wo man will
30.10.2018 Baselbiet, Bildung, Politik
Michèle Degen
Zehn Jahre ist es her, seit das Baselbieter Stimmvolk über die freie Schulwahl abgestimmt hat. Mit fast 80 Prozent Nein-Stimmen fuhren die Befürworter damals eine herbe Niederlage ein. Nun starten sie einen zweiten Anlauf mit dem Anliegen, dass ...
Michèle Degen
Zehn Jahre ist es her, seit das Baselbieter Stimmvolk über die freie Schulwahl abgestimmt hat. Mit fast 80 Prozent Nein-Stimmen fuhren die Befürworter damals eine herbe Niederlage ein. Nun starten sie einen zweiten Anlauf mit dem Anliegen, dass die Eltern unabhängig von Wohnort und finanziellen Mitteln eine Schule für ihr Kind aussuchen können.
Die Baselbieter Elternlobby hat am Sonntag eine Petition lanciert, die genau das fordert. Zeitgleich wurden ähnliche oder gleiche Petitionen in den Kantonen Basel-Stadt, Freiburg, St. Gallen, Zürich und Wallis lanciert. Der Bubendörfer Sekundarschullehrer Fredi Jaberg ist Projektleiter der Petition im Baselbiet für die Elternlobby Basel-Landschaft. Ziel der Unterschriftensammlung sei es, eine freie Schulwahl zu ermöglichen.
«Der Steuerfranken, der für die Bildung einbezahlt wird, soll auch dahin fliessen, wo die Bildung ist», formuliert Jaberg die Idee der Petition. Das Geld soll also dem Schüler an seine Schule folgen. Dafür unterscheiden die Petenten zwischen den drei Typen staatliche, freie und private Schulen. Die ersten beiden Modelle sollen für alle Kinder unabhängig von religiösen, ethnischen oder finanziellen Hintergründen zugänglich sein. Sie hätten auch Anspruch auf eine Pro-Kopf-Pauschale. Die Privatschulen hingegen sollen diese nicht bekommen, da sie sich vorbehalten, nur eine gewisse Gruppe von Kindern zu unterrichten. Damit soll jedes Kind die Schule besuchen, in der es optimal gefördert wird.
Entfremdung befürchtet
Jaberg ist mit dem jetzigen System der staatlichen Schulen nicht einverstanden. Unter dem System, das für alle passen solle, würden viele Kinder krank. Zu häufig werde ausserdem Ritalin verschrieben, weil die Kinder unruhig sind.
Michael Weiss, Geschäftsführer und Vizepräsident des Baselbieter Lehrervereins, sieht das anders. Die staatliche Schule habe die besten Voraussetzungen, um allen Kindern gerecht zu werden. «Wenn die staatliche Schule nur noch als Restschule für alle dient, die sich nichts anderes leisten können, kann es zu einer gesellschaftlichen Entfremdung kommen», so Weiss.
Der Pratteler meldet zudem Bedenken darüber an, wieviel von der Pro-Kopf-Pauschale zum Schluss wirklich der Bildung des Kindes zugutekommt. Je kleiner die Schule sei, desto teurer komme es für das einzelne Kind. «Auch die Lehrerlöhne könnten gedrückt werden», sagt Weiss. Für ihn ist es wahrscheinlich, dass das von den Petitionären angedachte System teurer komme als das jetzige.
Doch warum steht die Elternlobby genau jetzt mit ihrer Petition in den Startlöchern? Jaberg sieht einen Grund in einer politischen Entscheidung.Vor rund einem Jahr sind die Beiträge des Kantons an Privatschulen aus Kostengründen gestrichen worden. Für die Eltern fällt damit die Entlastung von 2500 Franken pro Jahr weg. Dies habe bei den betroffenen Eltern grossen Unmut ausgelöst. Heute verlange auch die Wirtschaft ein alternatives Bildungsangebot. Damit dürfte sich auch der politische Rückhalt für das Vorhaben «Freie Schulwahl» vergrössert haben.