Schlechter Sommer für Schädlinge
21.09.2018 Baselbiet, Wirtschaft, Landwirtschaft, Bezirk Sissach, SissachMichèle Degen
In wenigen Tagen ist die Weinlese zu Ende. Anders als viele andere Landwirtschaftsbereiche, die unter den Temperaturen des Hitzesommers 2018 litten, ist der Obstbau in diesem Jahr gut davongekommen. Wie die meisten Obstbauern können daher auch die ...
Michèle Degen
In wenigen Tagen ist die Weinlese zu Ende. Anders als viele andere Landwirtschaftsbereiche, die unter den Temperaturen des Hitzesommers 2018 litten, ist der Obstbau in diesem Jahr gut davongekommen. Wie die meisten Obstbauern können daher auch die Weinproduzenten mit einer ausserordentlich guten Ernte rechnen. Die klimatischen Bedingungen dieses Jahres haben für die Obstproduzenten nämlich einen positiven Nebeneffekt: Sie sind ungünstig für Schädlinge an Kirschen, Beeren und Weintrauben.
Das Ebenrain-Zentrum für Landwirtschaft, Natur und Ernährung führt jährlich ein Monitoring des Befalls von Trauben durch die Kirschessigfliege (KEF) sowie verschiedene Feldversuche durch. Ein dreiköpfiges Team untersucht verschiedene Rebenstandorte im Kanton auf den Schädling. Vom Zeitpunkt, an dem die Trauben ihre Farbe verändern, bis sie geerntet sind, werden sie wöchentlich kontrolliert. Urs Weingarnter ist Leiter dieses Teams. Während mehrerer Wochen klappert sein Team jeweils am Montag verschiedene Rebberge ab. Im Gepäck leere Flaschen, Plastiktüten, KEF-Fallen und eine Flasche mit einer Mixtur aus Obstsaft, Essig und Wein. Am Untersuchungsort in Sissach leert Weingartner den Inhalt der Falle, die eine Woche lang zwischen den Trauben hing, in eine leere Flasche, auf der festgehalten ist, von welcher Rebparzelle die Probe stammt. Danach hängt er eine neue Falle – gefüllt mit der Saft-Essig-Wein-Mischung – auf. In einem zweiten Schritt sammelt der Agronom 50 einzelne Trauben aus dem ganzen Rebberg ein. Diese Stichprobe wird im Labor untersucht. Weingartner kontrolliert jede Weintraube unter dem Mikroskop auf Eiablagen und Larven.
Aus einer Fliege können 8 Millionen werden
Die KEF ist eine asiatische Verwandte der hiesigen Fruchtfliege. Diese hat an ihrem Schwanzende einen schwertartigen Stachel, mit dem sie die Haut von überreifem Obst durchsticht, um darin ihre Eier abzulegen. Der Stachel der KEF ist mit kleinen Zacken versehen, sodass sie ihn wie eine Säge benutzen kann. Sie kann damit also im Gegensatz zur Fruchtfliege auch die Schale von intakten Früchten zersägen und ihre Eier darin ablegen, dies macht die Traube unbrauchbar. Das macht die KEF zur Gefahr für die Ernte der Bauern. Unter dem Mikroskop erkennt Weingartner die abgelegten Eier an kleinen Röhren, die paarweise aus den Trauben ragen. Über diese Röhren beziehen die Eier unter anderem Sauerstoff. Bei der Sissacher Probe findet Weingartner keine Eier oder Larven. Sie ist von der Sorte Blauburgunder, eine der letzten Sorten, die heuer noch nicht geerntet wurden.
Doch dass keine Eier vorhanden sind, bedeutet nicht, dass es keine Kirschessigfliegen hat. In der Flüssigkeit der Falle, die Weingartner eingesammelt hat, schwimmen Hunderte Insekten. Die meisten davon Kirschessigfliegen. Diese zählt Weingartner getrennt nach Männchen und Weibchen aus. In den Fallen aus Sissach findet er 292 Männchen und 176 Weibchen. Doch wieso legen die Weibchen ihre Eier nicht ab, obwohl sie in den Reben sind? «Die KEF bevorzugt gemässigte Temperaturen und hohe Luftfeuchtigkeit», sagt Weingartner. «Nach dem Regen oder im morgendlichen Tau legen die Weibchen ihre Eier in den Früchten ab. Aufgrund der heissen und trockenen Witterung waren die Trauben dieses Jahr aber immer recht schnell trocken.» Weil die Eier so nur schwer überleben können, legt die KEF dann kaum welche. Sobald sich die Bedingungen bessern, kann sich die KEF aber rasend schnell vermehren: Aus einem Weibchen können innert zehn Tagen theoretisch 8 Millionen Fliegen entstehen.
Die Resultate des Monitorings werden den Rebbauern am Folgetag per E-Mail zugestellt. Werden bei einer bestimmten Traubensorte Eiablagen gefunden, ist es wahrscheinlich, dass davon nicht nur die kontrollierte Parzelle betroffen ist. Die Bauern, welche dieselbe Traubensorte anbauen, können so auf einen möglichen Befall reagieren. Dabei würden viele auf mineralische Stoffe wie Kaolin und Löschkalk, oder den Wirkstoff Spinosad zurückgreifen. Eine weitere Methode, um einem KEF-Befall zuvorzukommen, sei die vorzeitige Ernte, so Weingartner.
In früheren Jahren mit mehr befallenen Früchten hätten die Erntehelfer jede Traube ansehen müssen, um zu kontrollieren, ob sie für die Weinherstellung verwendbar ist. Das koste Zeit und damit häufig auch Geld. «Die Situation ist dieses Jahr deutlich erfreulicher», so Weingartner. «Jetzt können die Winzer beinahe alles abliefern, was an den Reben hängt.»