Ein Schweizer-Meister-Titel zum Sechzigsten
28.09.2018 Baselbiet, Eptingen, Bezirk SissachBeim Handholzen mischen die Senioren bei den Aktiven mit – so auch Beat Buser
wis. Ein Mann steht vor zwei entasteten Bäumen, die je auf einem Beton-Sockel festgezogen sind. Er drückt den Buzzer und es geht los. In etwas mehr als einer halben Minute zersägt er die ...
Beim Handholzen mischen die Senioren bei den Aktiven mit – so auch Beat Buser
wis. Ein Mann steht vor zwei entasteten Bäumen, die je auf einem Beton-Sockel festgezogen sind. Er drückt den Buzzer und es geht los. In etwas mehr als einer halben Minute zersägt er die beiden Bäume und spaltet die beiden Rugel in je vier Scheite. Jeder Handgriff sitzt. Es geht um Hundertstelsekunden.
Das Sägen und Spalten von Hand hat sich von einer Hausarbeit zu einer Sportart entwickelt. Erfolgreich sind dabei die Handholzer Eptingen. Stéphane Thommen hat zahlreiche Meistertitel gewonnen, Vereinsgründer Beat Buser stand oft an zweiter Stelle. Als Buser die Hoffnung auf einen Meistertitel schon aufgegeben hatte und sich statt mit Training mit der Organisation der schweizerischen Handsäge- und -spaltmeisterschaft befasst hatte, passierte es doch noch: Am Vorabend seines 60. Geburtstags ist er Schweizer Meister geworden.
Mit Säge und Beil zum Kranz
In Eptingen fliegen die Späne. Das Dorf ist eine nationale Hochburg
Dreimal hat Beat Buser schon als Zweiter auf dem Podest einer Handholzer-Schweizermeisterschaft gestanden. Als er die Hoffnung auf den Titel schon aufgegeben hat, gewinnt er ihn am Abend vor seinem 60. Geburtstag – und vor zwei Knieoperationen.
Sebastian Wirz
Beat Buser hat keine Zeit zum Trainieren. Der Eptinger organisiert im Sommer 2018 die 34. schweizerische Handsäge- und -spaltmeisterschaft auf dem eigenen Hof. Es gilt, den Gabentempel zu füllen, Teilnehmer zu informieren, für Verpflegung und Infrastruktur zu sorgen. Das alles für die Sportart, in der Buser an Schweizermeisterschaften schon dreimal Zweiter geworden ist. Zweimal im Sägen Einzel und Doppel, einmal im Sägen mit anschliessendem Spalten. Die Hoffnung, noch einen nationalen Titel zu gewinnen, hat der Landwirt aufgegeben.
Und genau dann klappt es: Am Vorabend seines 60. Geburtstags leuchtet beim Eptinger nach dem Zersägen von zwei Baumstämmen und dem Spalten der beiden abgeschnittenen Rugel in je vier Scheite die beste Zeit auf. Mit 59 Jahren und 364 Tagen wird Buser doch noch Schweizer Meister im kombinierten Handsägen und -spalten.
«Das macht diese Sportart aus», sagt Buser. «Kraft ist nicht alles. Mit guter Technik und grosser Erfahrung lässt sich hier viel erreichen.» Wer deshalb das Gefühl hat, bei den Spitzenholzern gehe es gemütlich zu, liegt falsch. Sehr falsch. Die Säge schnellt hin und her, die Späne fliegen und beim Spalten fällt das Beil so schnell, dass sich nur absolute Profis ihrer Finger sicher sein können.
Sägen, spalten oder beides
Es ist ein beschauliches Plätzchen, an dem sich die Eptinger Handholzer Woche für Woche treffen und wo die Meisterschaft Ende August stattgefunden hat. In einem Unterstand vor Beat Busers Hof Steinägerten auf dem Weg von Eptingen nach Läufelfingen haben sie sich eingerichtet. Eine Bar zeugt von gemütlicher Atmosphäre, die geraden und entasteten Baumstämme liegen bereit, ebenso die Beton-Elemente, auf die sie geschnallt werden. Kommt Besuch, werden Baselbieter- und Schweizerfahne sowie die knallgelbe «Vereinsuniform» montiert.
Ungestört von zu viel Handy-Empfang oder Aufmerksamkeit widmen sich Buser und seine Kollegen hier ihrem Hobby: dem möglichst schnellen Zerkleinern von Holz per Säge und Beil. Nach strengen Regeln und mit sportlichem Ehrgeiz. «Die Handholzer Eptingen haben sich zum grössten aktiven Verein dieser Sportart in der Schweiz entwickelt», sagt Präsident André Wullschleger. Etwa sieben Anlässe gibt es im Jahr, drei davon sind Schweizermeisterschaften im Handsägen (Einzel und Doppel), Handspalten oder in der kombinierten Variante. Die Eptinger seien immer mit mindestens zehn Leuten dabei. «Die Gelben siehst du an jedem Fest», sagt Wullschleger.
«Ursprünglich war Reigoldswil die Hochburg im Handholzen», sagt Schweizer Meister und Gastgeber Beat Buser. In der Region habe sie sich nach Eptingen verschoben. Doch auch national feierten die Oberbaselbieter zahlreiche Erfolge gegen die starken Handholzer aus der Ost- und Innerschweiz, vor allem aus Uri.
Für viele dieser Erfolge war einer zuständig, der eben gerade nicht mit Erfahrung punktete. Stéphane Thommen begann mit 13 Jahren mit dem Handholzen. Wenige Jahre später war er Schweizer Meister bei den Aktiven. Es folgten zahlreiche weitere Titel. Nun ist der 32-Jährige eigentlich gar ein Ehemaliger, ein Veteran. «Seit zwei Jahren trainiere ich nicht mehr. Heuer wollte ich wieder mal mitmachen.» Und wie. Nur wegen ein paar Millimetern stand er nicht auf dem Podest: Er war nur drei Hundertstel langsamer als Meister Beat Buser, aber zwei Scheite hingen nach dem Spalten noch mit einer Faser zusammen – zehn Sekunden Zeitstrafe. Während Vereinskollege und -gründer Beat Buser triumphierte, fiel Thommen als Achter knapp hinter die Kränze. Dennoch: «Handholzen ist wie Velofahren. Das verlernt man nicht», sagt Thommen.
Woher kriegt man so viel Holz?
Die Sportart hat sich im bäuerlichen Sektor entwickelt. Jeder Bauer hat Bäume zu fällen und Holz zu spalten. Es liegt wohl in der menschlichen Natur, dass einer der Schnellste sein wollte. Es sind aber längst nicht nur Landwirte, die den Sport betreiben. Bei den Eptingern haben viele Mitglieder eine andere Verbindung zum nachwachsenden Rohstoff, die teilweise etwas zurückliegt. Thommen ist gelernter Forstwart, verkauft aber mittlerweile Autos, Wullschleger lernte Zimmermann und unterhält heute Autobahnabschnitte.
Wie viele Vereinspräsidenten beschäftigt auch Wullschleger der Mangel an Nachwuchs im Klub. «Früher stand nun mal neben jedem Haus ein Spaltstock», sagt er. Jeder Oberbaselbieter hatte einen Bezug zum Holz und zum Spalten. Schliesslich galt es, Haus und Wasser mit der Holzheizung warm zu halten. Diese Zeiten sind vorbei.
Eine weitere Herausforderung ist es, überhaupt genügend Holz für Training und Wettkämpfe zu organisieren. «Wir verbrauchen drei bis zehn Ster Holz pro Jahr», sagt Beat Buser. Gerade Stämme mit einem bestimmten Durchmesser sind gefragt – im Fall von Wettkämpfen muss es sogar Frischholz sein. Der Verein arbeitet mit dem Forstrevier zusammen. «Es werden Bäume für uns gekennzeichnet, die wir dann selber fällen dürfen.» Wer wäre denn besser geeignet als die Handholzer?
Am Sonntag kämpfen die Eptinger Handholzer um den letzten Titel der Saison. In Hergiswil wird der beste Spalter der Nation ausgemacht. Danach steht für Beat Buser nach dem ersten Meistertitel, dem 100. Kranzgewinn und dem 60. Geburtstag erst mal eine Pause an: Er muss sich beide Knie operieren lassen. Der grosse Triumph kam also gerade noch rechtzeitig.