Otto Graf
Seit mittlerweile mehr als 70 Jahren macht der 82-jährige Erhard Spiess aus Anwil Wellen zum Beheizen der Holzbacköfen. Freilich neben seinem Beruf. Er ist Feinmechaniker und arbeitete bis zu seiner Pensionierung vor 17 Jahren als Abteilungsleiter ...
Otto Graf
Seit mittlerweile mehr als 70 Jahren macht der 82-jährige Erhard Spiess aus Anwil Wellen zum Beheizen der Holzbacköfen. Freilich neben seinem Beruf. Er ist Feinmechaniker und arbeitete bis zu seiner Pensionierung vor 17 Jahren als Abteilungsleiter in der Renata in Itingen. Sein Arbeitsplatz ist die freie Natur im Wald auf Limperg im Gemeindebann Wittnau, direkt an der Kantons- und Gemeindegrenze zu Rothenfluh. Hier, auf einem privaten Grundstück, stehen die Wellenböcke sowie ein ehemaliger Baustellenwagen, in dem er seine Utensilien aufbewahrt und in den er sich zurückziehen kann, etwa für das Znüni und das Zobe oder für ein Bier mit einem Besucher.
Der Arbeitsplatz ist geprägt von Reisighaufen, dem Rohmaterial für die Wellen, von Halbfabrikaten, genauer gesagt von aufgespaltenen Ästen oder «Bängeln» und natürlich vom Endprodukt, den Wellen. Und überall herrscht Ordnung. Seine erste Welle habe er im Jahr 1947 im Jura gemacht, erinnert sich Spiess. Und seit 36 Jahren übt er sein Hobby regelmässig aus.
Meist arbeitet der «Ammeler» allein. Jeweils samstags hilft ihm der pensionierte Bankangestellte Fritz Schaffner. «Fritz weiss, worauf es ankommt. Der kann richtig zugreifen, was nicht auf jeden Banker zutrifft», charakterisiert er seinen Assistenten. Doch allein ist der Wellenmacher ohnehin nie lange. Denn der Werkplatz liegt direkt an einem viel begangenen Wanderweg. Wenn jemand fragt «Mached dr Bürdeli?», antwortet er «Nein, ich mache Wellen». Im Oberbaselbiet, präzisiert er, sprächen die Eingeborenen weder von «Bürdeli» noch von «Wedele» und dergleichen. Und, um bei der Sprache zu bleiben, das Werkzeug zum Einkürzen des Astmaterials sei die Abschlage, im Landi-Katalog unter «Gertel» zu finden.
Zehn Minuten für eine Welle
Mit der Abschlage bearbeitet Erhard Spiess auf einem Spaltstock finger- bis unterarmdicke Äste und legt diese, zusammen mit den aufgespaltenen «Bängeln», in der gleichen Richtung auf den Bock. Er fixiert das Material mit zwei Ketten und zieht mit einer Stange als Hebel das Ganze kräftig zusammen. Dann bindet er zwei Schnüre um das Holz und löst die Ketten wieder. Mit der Abschlage «strählt» er die fast fertige Welle und befreit diese von überstehenden Zweigen. Schliesslich greift er zur Kettensäge und längt die Welle auf einen Meter ab. Knapp zehn Minuten dauert der Akt. Eine Schnur zum Binden der Welle sei besser und billiger als ein Draht, hält Spiess fest. Sie rostet nicht und halte die Welle im Gegensatz zum Draht zusammen, wenn sie versehentlich zu Boden fällt. Nicht einmal die Maus finde Geschmack an der Schnur.
In seinen besten Zeiten produzierte der Hobbyholzer rund 1100 Wellen pro Jahr und verkaufte diese an eine feste Kundschaft in der Region. Heute setzt er, weil es weniger Holzbacköfen gibt, noch etwa 600 Stück ab. «Wenn der Preis schon in der Zeitung stehen muss, dann kannst du gut 6 Franken schreiben», weist er den Reporter an. Andere, fügt er an, verlangten 9 Franken. Neben den Wellen produziert Erhard Spiess auf Bestellung auch Brennholz in jeder gewünschten Form.