Zwitschern, Kreischen und Tröten
19.09.2025 GesellschaftChrista Dettwiler
Morgens mache ich mich mit dem «Chnöpperli» regelmässig zum Schlafspaziergang auf. Er sitzt vor mir im Tragsack und freut sich wie ein Schneekönig. Als erstes grunzen wir den Schweinen einen guten Morgen zu. Sie grunzen gut ...
Christa Dettwiler
Morgens mache ich mich mit dem «Chnöpperli» regelmässig zum Schlafspaziergang auf. Er sitzt vor mir im Tragsack und freut sich wie ein Schneekönig. Als erstes grunzen wir den Schweinen einen guten Morgen zu. Sie grunzen gut gelaunt zurück. Ein paar Schritte weiter tauschen wir uns gackernd mit den Hühnern aus, muhen mit Sigi und Bully Boy. (Bevor er Mama und Papa sagte, konnte Arturo schon muhen.) Auf dem Weg zum unteren Tor inspizieren wir die rund 70 Frucht- und Waldbäume, die wir vor ein paar Wochen entlang des Zufahrtswegs gepflanzt haben. Ich erzähle Arturo, dass diese Bäumchen zu einer prächtigen Allee herangewachsen sein werden, wenn er so gross ist wie Papa.
Auf einem Busch im Roggenfeld zwitschert ein Schwarm Tordos den Frühling herbei. Die den Amseln ähnlichen Vögel sind Johnnys ganz besondere Freunde. Sie sind versessen auf Saatgut und keimendes Grün. Für unsere Vogelscheuche haben sie bloss ein müdes Lächeln übrig.
Wir begrüssen die hoch trächtige Hildegard und Lagertha (genannt Läckerli), unsere gerettete Kriegerkuh, die eben ihre wunderhübsche Tochter Frigg geboren hat. Am Tor biegen wir nach rechts ab und beobachten die Ibisse, die gemächlich Don Celos Weide abschreiten und ihre langen gebogenen Schnäbel zielsicher in Erde und Kuhfladen bohren. Wenn sich die huhngrossen Bandurria miteinander unterhalten, klingen sie wie der Roboter «R2-D2» aus «Star Wars».
Beim Tor zu den Calfueques drehen wir um, Arturos Kopf dreht sich hin und her, damit er ja nichts verpasst. Bei einem grossen Arayan bleiben wir stehen und schauen den Papageien zu, die sich an den tief violetten Beeren gütlich tun. Wie bunte Lampions hängen sie in den Zweigen und lassen sich nicht im Geringsten ablenken. Selbst beim Futtern machen sie einen Heidenlärm. Still sind die Loros nie. Wenn sie als tief fliegendes Geschwader dicht über unsere Köpfe brausen, ist der Krach ohrenbetäubend.
Weitaus ruhiger geht’s bei den Kolibris zu. Sie stehen in der Luft und saugen Nektar aus den Blüten des Quintral, einem rot und gelb blühenden Parasiten, der auch im Winter als zuverlässige Nahrungsquelle dient. In der tiefen Stille ist der schwirrende Flügelschlag der grün schillernden Picaflores gut zu hören. Hoch über uns kreist eine Handvoll rabenschwarze Geier. Die Aasfresser hoffen, dass irgendwo irgendetwas tot umfällt. Mit einer Spannweite von anderthalb Metern sind sie echt beeindruckend und ihre Gründlichkeit beim Wegschaffen von Tierleichen ist ausserordentlich. Selbst die Falken, die sich so gerne mit den Adlern anlegen, lassen die Jote in Frieden.
Wir wandern bis zur grossen Buche, die wir mit Handauflegen grüssen. In der Luft liegt eine Ahnung von Frühling. Die Spitzen der höchsten Bäume tragen einen zarten grünen Schimmer. Der «Chnöpperli» schläft tief und fest. Die Welt ist schön.
Die Journalistin Christa Dettwiler ist 2022 gemeinsam mit ihrem Sohn und dessen Ehefrau von Rünenberg nach Chile ausgewandert. Sie erzählt regelmässig von ihrem Alltag.