Zivilschutz mit massiven Unterbeständen
26.01.2024 Baselbiet, Politik, RegionDie bisherige Organisation macht Sorgen
Der Zivilschutz als strategische Reserve des Kantons zum Schutz von Mensch, Tier und Umwelt steht vor grossen Herausforderungen: Ab 2026 ist er mit massiven Unterbeständen konfrontiert. Es besteht Handlungsbedarf, sagt das kantonale Amt ...
Die bisherige Organisation macht Sorgen
Der Zivilschutz als strategische Reserve des Kantons zum Schutz von Mensch, Tier und Umwelt steht vor grossen Herausforderungen: Ab 2026 ist er mit massiven Unterbeständen konfrontiert. Es besteht Handlungsbedarf, sagt das kantonale Amt für Militär und Bevölkerungsschutz.
Willi Wenger
Patrik Reiniger, der Dienststellenleiter des Amts für Militär und Bevölkerungsschutz (AMB), weist schon seit 2020 darauf hin, dass die Bestände des Zivilschutzes ab 1. Januar 2026 aufgrund der zeitlichen Verkürzung der Dienstpflicht auf Bundesebene zusammenbrechen werden. «Rumpfkompanien von 40, 50 oder 60 Angehörigen des Zivilschutzes werden nicht genug schlagkräftig sein», so Reiniger. Darum müsse es das oberste Ziel aller Verantwortlichen sein, die Einsatzfähigkeit der aktuell 13 regionalen Zivilschutzkompanien sicherzustellen.
Dies sei seine Erwartung, ergänzt der AMB-Chef: «Wir müssen dringendst etwas unternehmen, sonst fahren wir das System an die Wand. Die Bevölkerung erwartet, dass die Einsatzfähigkeit gewährleistet ist.»
Zivilschutz als Sicherheitselement
Reiniger, einst als Generalstabs-Oberst in der Armee und zuletzt als Schulkommandant tätig, sagt, dass der als Verbundsaufgabe organisierte Zivilschutz optimiert werden müsse. «Die Kräfte müssen gebündelt werden. Wir brauchen den Zivilschutz als Sicherheitselement.» Diese Entwicklung müsse an die Hand genommen worden. Definiert sei die Leistung im «Leistungsprofil Zivilschutz» des Regierungsrats, in dem die gesetzlichen Aufgaben der kommunalen Zivilschutzorganisationen und der kantonalen Zivilschutzorganisation präzisiert seien. Dieser Anhang zur einschlägigen Verordnung sei Bestandteil der kantonalen Gesetzessammlung.
Reiniger weiss, dass in zwei Jahren nur noch 1000 Frauen und Männer dem Zivilschutz Baselland zur Verfügung stehen. Dies sei – Stand heute – nicht zu ändern. Mehr Zivilschutz gebe es aufgrund der geltenden Rechtsgrundlagen nicht. Das Leistungsprofil des Kantons erfordert Kompanien mit rund 200 Zivilschutz-Angehörigen. Denn: «Kleinere Einheiten, etwa mit 50 Personen, können ihre Aufträge nicht erfüllen», so Reiniger. Das sei eine Illusion.
Dennoch: Die Vorstellungen, wie sie im kürzlich verabschiedeten Leistungsprofil beschrieben sind, stimmen nicht mit jenen der einzelnen Kompanien überein. Im Oberbaselbiet etwa sieht dies der Zivilschutzverbund Argus mit seinen 18 Gemeinden völlig anders. Für ihn kommt ein Zusammenschluss mit einer benachbarten Organisation wie etwa dem «Zivilschutz Oberes Baselbiet» mit seinen 24 Gemeinden nicht infrage, sagt Kommandant Christof Brügger aus Bubendorf. «Argus»-Präsident Johannes Sutter aus Arboldswil lehnt dies ebenfalls dezidiert ab.
Wenn, dann müsse eine solche Fusion von der Basis aus kommen und nicht diktiert werden. Brügger wie Sutter betonen, dass mit den Vorstellungen des AMB, bei gleichbleibenden Einsatzgebieten, kein einziger zusätzlicher Zivilschützer zur Verfügung stehen würde. «Argus» lege aber Wert auf die Feststellung, dass mit dem benachbarten «Zivilschutz Oberes Baselbiet» eine intensive wie gute Zusammenarbeit bestehe. Die Nachbarschaftshilfe sei jederzeit gewährleistet und die Nutzung von Synergien würde laufend geprüft, so Brügger.
«Oberes Baselbiet» wie bisher
Vonseiten des «Zivilschutzes Oberes Baselbiet», der ein Gebiet von 24 Gemeinden mit rund 24 000 Einwohnerinnen und Einwohnern abdeckt, hält Kommandant Christoph Jenni aus Läufelfingen fest, dass die Vorstellungen des Kantons «auf dem Papier» zwar schön aussehen, jedoch für sein Einsatzgebiet nicht zielführend seien. In der Praxis wäre dies, etwa bei einem Zusammenschluss mit «Argus», nicht mehr zu handhaben. «Es würde komplexer, wenn wir dann mit 42 Gemeindeverwaltungen und deren Organen sprechen müssten.» Jenni sagt auch, dass er während seiner langen Zivilschutz-Laufbahn – er war früher in Basel-Stadt in ähnlicher Funktion tätig – noch nie ein Ereignis zu bewältigen hatte, selbst während der Pandemie, wo er mit 200 Mann hätte ausrücken müssen.
«In der Regel genügen immer wenige Dutzend Personen», sagt Jenni und ergänzt, dass die Kommandanten generell regelmässig in Kontakt miteinander seien. Mit «Argus» als Nachbarorganisation sei dieser schon aufgrund der geografischen Lage gegeben. Der Austausch sei sehr gut und die Zusammenarbeit funktioniere bestens.
Das bestätigt auch die Kommissionspräsidentin Barbara Nyarko aus Eptingen. Sie hält fest, dass der «Zivilschutz Oberes Baselbiet» vorerst in der bisherigen Form weitergeführt werde. «Wir haben das auf politischer Ebene so beschlossen und lehnen einen Zusammenschluss zurzeit ab.» Nyarko ergänzt, dass die Zusammenarbeit im Speziellen mit «Argus» selbstverständlich wie bisher weitergeführt werde, zumal diese wertvoll und für beide Seiten wichtig sei.
Thomas Weber, der seit Anfang Jahr operativ tätige Kantonalpräsident, ist hauptberuflich als Kommandant der «Ergolz»-Kompanie (Lausen und Liestal) tätig. Er sagt, dass sein Verband die Neuausrichtung des Kantons noch nicht diskutiert habe. Es sei für ihn aber klar, dass der Zivilschutzverband die notwendige Hilfe leisten werde. «Wir werden helfen und unterstützen, wo dies verlangt und gewünscht wird.»
Anders sehen einen Zusammenschluss die Organisationen «Altenberg», «Ebenrain» (beide milizgeführt) und «Ergolz». Diese schliessen sich zu «Argantia» zusammen, wo ab 2025 erste gemeinsame Wiederholungskurse stattfinden. Die notwendige Vorprüfung beim Kanton sei gemacht, sagt Reiniger. Anzumerken ist hier, dass dieser Zusammenschluss von der Basis her lanciert ist und nicht vom Kanton diktiert wurde. Vom Kanton auferlegte Diktate sind bisher generell nicht gut aufgenommen worden. So lehnten die Gemeindepräsidien an ihrer Tagsatzung vom November 2021 die Vorstellungen des Kantons klar ab.
Dass der Bund seit dem Jahrtausendwechsel beim Zivilschutz Bestandsprobleme hat, ist bekannt – auch dem Kanton Baselland, der nach einer Übergangsfrist in zwei Jahren vor grossen Herausforderungen steht. Zurzeit ist es nicht möglich, etwa Frauen oder Staatsangehörige mit Niederlassungsbewilligung C in den Zivilschutz zu verpflichten. Kantone wie Aargau – dort ist der sogenannte Orientierungstag für Frauen und Männer bereits heute Pflicht – oder Zug seien daran, dies grundsätzlich zu prüfen, sagt Reiniger.
«In den beiden Basel ist ein erster Schritt in diese Richtung getan. Frauen werden auf freiwilliger Basis an die Orientierungstage eingeladen.» Reiniger erwähnt im Gespräch auch, dass Frauen bereits heute freiwillig beim Zivilschutz mitmachen könnten. Zudem weist er auf den möglichen, langfristigen Schulterschluss von Zivildienst und Zivilschutz, wie er auch auf politischer Ebene diskutiert wird, hin.
Baselland engagiert sich aktuell auf Bundesebene, das heisst auf Verwaltungsebene, stark. «Wir vom Amt sind in den dortigen Arbeitsgruppen eingebunden und voll dabei», hält Reiniger fest. Er sieht den notwendigen Neuerlassen von Bundesgesetzen und Verordnungen zuversichtlich entgegen. Nur mit diesen von der Politik in Kraft zu setzenden Rechtsgrundlagen könne letztlich eine Besserung, und zwar landesweit, erzielt werden.