«Zeit war von Frieden geprägt»
16.07.2024 Bezirk Liestal, RamlinsburgStephanie Oetterli Lüthi nimmt Abschied vom Gemeinderat
Zwei Jahrzehnte war Stephanie Oetterli Lüthi (56) im Ramlinsburger Gemeinderat tätig, davon elf Jahre als Präsidentin. Anfang Juli hat sie das Zepter Beat Schüpbach übergeben. Oetterli Lüthi ...
Stephanie Oetterli Lüthi nimmt Abschied vom Gemeinderat
Zwei Jahrzehnte war Stephanie Oetterli Lüthi (56) im Ramlinsburger Gemeinderat tätig, davon elf Jahre als Präsidentin. Anfang Juli hat sie das Zepter Beat Schüpbach übergeben. Oetterli Lüthi hinterlässt eine Gemeinde mit stabilen Finanzen und harmonischem Klima.
Melanie Frei
Eigentlich wollte Oetterli Lüthi 2020 nach 16 Jahren im Gemeinderat aufhören: «Vor vier Jahren stellte ich mich aber nochmals zur Verfügung, da bereits mehrere Ratsmitglieder ihr Ausscheiden aus dem Gremium angekündigt hatten.» Nun freue sie sich, das Amt weitergeben zu können. Während ihrer 20 Jahre in der Exekutive habe es nur einmal eine schwierige Periode gegeben: die Corona-Pandemie. «Nicht alle waren mit meiner Überzeugung einverstanden», erinnert sich die ehemalige Gemeindepräsidentin.
Kontroversen hätten unter anderem ihre damalige Weihnachtsbotschaft im Dorfblatt oder die Handhabung der 1.-August-Feierlichkeiten ausgelöst. Als eine der wenigen Gemeinden erlaubte der Gemeinderat eine Versammlung von 100 Personen: Was nicht von allen gutgeheissen wurde, wussten viele Ramlinsburger zu schätzen, so Oetterli Lüthi. Es sei eine schwierige Zeit gewesen, die aber nicht im Vordergrund ihrer Erinnerungen stehe.
2013 trat Oetterli Lüthi ihr Amt als Gemeindepräsidentin an – sie löste damals Christine Massafra ab. Mit Elan machte sich die frischgebackene Präsidentin ans Werk. Als einen bemerkenswerten Erfolg nennt sie die kontinuierliche Senkung des Steuerfusses der Gemeinde. «Als ich im Jahr 2004 in den Gemeinderat eintrat, hatten wir einen sehr hohen Steuerfuss», erzählt die 56-Jährige.
Ein Blick ins Archiv der «Volksstimme» zeigt auch, dass an einer Einwohnergemeindeversammlung im Jahr 2014 über die Erhöhung des Steuerfusses von 60 auf 62 Prozent abgestimmt wurde. Die Gemeinde brauchte damals dringend zusätzliche Mittel, um den Finanzhaushalt im Gleichgewicht zu halten. Zehn Jahre später hat Ramlinsburg mit 52 Prozent den tiefsten Steuerfuss aller Oberbaselbieter Gemeinden und ist eine finanziell stabile Gebergemeinde.
«Habe viel gelernt»
Stephanie Oetterli Lüthi hat sich immer für Ramlinsburg und seine Bewohnerinnen und Bewohner eingesetzt, wie sie sagt. So legte sie dem Gemeinderat einst einen Businessplan für die Einführung eines Mittagstisches vor. Dieser wurde von der Gemeindeversammlung denn auch genehmigt. «Was damals mit sechs Kindern begann, ist heute ein florierendes Angebot mit bis zu 20 Kindern pro Mittagessen», sagt Oetterli Lüthi. Stolz ist sie auch auf die Buslinie zwischen Ramlinsburg und Lausen. Ihre Initiative sei damals beim Kanton auf offene Ohren gestossen. Ein spezielles Highlight sei auch die 650-Jahre-Jubiläumsfeier im Jahr 2017 gewesen.
Der Dorfkern wandelte sich 2015 dank eines neuen Spiel- und Freizeitparks zu einem Begegnungszentrum. «In Ramlinsburg herrscht ein gutes Klima und eine hilfsbereite Stimmung», sagte die Gemeindepräsidentin damals zur «Volksstimme». Dieser Überzeugung ist sie auch heute noch: «Ich möchte dem Dorf und allen seinen Bewohnern ein grosses Lob aussprechen. Meine 20 Jahre in der Gemeinde waren von Frieden geprägt.»
Als eine ihrer letzten Amtshandlungen präsentierte Oetterli Lüthi die brandneue Ramlinsburger Heimatkunde. Am 16. Juni war die Buchvernissage erfolgreich über die Bühne gegangen. «Bereits vor 20 Jahren wurde im Rahmen der Budgettagungen über eine Heimatkunde gesprochen. Damals habe ich deren Wert nicht erkannt», erzählt Oetterli Lüthi. Für die Recherchen und das Schreiben vieler der Kapitel in der Heimatkunde konnten Menschen aus dem Dorf gefunden werden: «Es ist ein Buch vom Dorf für das Dorf.»
Die langjährige Präsidentin fühlt sich Ramlinsburg sehr verbunden. Durch die Arbeit im Gemeinderat habe sie viel über die Lokalpolitik gelernt, aber auch über sich selbst, sagt sie. So habe sie ihre Leidenschaft für die Natur und den Wald entdeckt, was wesentlich dafür war, dass sie sich als Privatperson auch für die Raurica Wald AG engagierte – sie ist mittlerweile seit zehn Jahren dabei und präsidiert den Verwaltungsrat. Auch engagiert sie sich für die Fagus Suisse SA, der «Schweizer Spezialistin für Laubholzverarbeitung». Aus Buchenholz und anderen heimischen Laubhölzern stellt dieses Unternehmen unter anderem Elemente für den konstruktiven Holzbau her.
Für Stephanie Oetterli Lüthi geht ein langes Kapitel zu Ende. Traurig ist sie darüber nicht. «Ich habe viel gearbeitet und hatte wenig Zeit für meine Familie mit drei Kindern, geschweige denn für mich selbst. Jetzt möchte ich die frei werdende Zeit für mich und meine wachsende Familie, mit einem Enkelkind, nutzen.» Und das Gemeindepräsidium sei bei Beat Schüpbach in guten Händen.
ZUR PERSON
mef. Stephanie Oetterli Lüthi ist seit 28 Jahren verheiratet und hat drei mittlerweile erwachsene Kinder. Ursprünglich studierte sie Chemie und hat ein Nachdiplomstudium (Executive Master) in Business Engineering Management absolviert. In ihrer Freizeit geht die 56-Jährige gerne in die Berge, die sie beglücken, sei es zu Fuss, per Mountainbike oder auf den Skiern. Auch hat sie ihre Leidenschaft zur Malerei wiederentdeckt. Oetterli Lüthi legt viel Wert auf die Pflege von langjährigen Freundschaften.
«Die Gemeindefinanzen sollen gesund bleiben»
Frau Oetterli Lüthi, Sie haben den Wald für sich entdeckt. Flüchten Sie aus dem Gemeinderat in die Natur?
Stephanie Oetterli Lüthi: Es gab keinen Grund zu fliehen. Aber ich wende mich wieder mehr der Natur zu, jetzt, wo ich die Zeit dafür habe. Die Natur – vor allem der Wald – ist mir in den vergangenen Jahren sehr wichtig geworden. Lange nächtliche Spaziergänge entspannen und beruhigen mich. Der Wald ist eine Kraftquelle.
Werden Sie die Arbeit im Gemeindewesen vermissen?
Ich werde mich immer gerne an diesen Lebensabschnitt erinnern. Jetzt ist es aber an der Zeit, neue Wege zu gehen. So möchte ich mich mehr der Familie und meinem wiederentdeckten Hobby, der Malerei, widmen. Der Gemeinderat war neben anderen beruflichen Tätigkeiten eine Art Hobby, das viel Zeit in Anspruch genommen hat. Jetzt freue ich mich vor allem, mehr Zeit für mich und alles, was mir lieb ist, zu haben.
Wo zieht es Sie beruflich hin?
Ich präsidiere immer noch den Verwaltungsrat der Raurica Wald AG und habe auch mit dem Verwaltungsratspräsidium der Fagus Suisse einiges um die Ohren.
Sie bezeichneten den Gemeinderat als Ihr Hobby. Haben Sie schon eine Alternative gefunden?
Ja, ich habe meine Leidenschaft für die Malerei wiederentdeckt und ich habe Lust, mich noch mehr in künstlerische Arbeiten zu vertiefen. Anfang Juni habe ich meine Werke erstmals im Rahmen einer Ausstellung präsentiert.
Was geben Sie Ihrem Nachfolger Beat Schüpbach mit auf den Weg?
Ich hoffe, dass unter seiner Verantwortung die Gemeindefinanzen gesund bleiben und dass er auf das Dorf und seine Bewohnerinnen und Bewohner achtet. Ich hoffe, dass der Frieden im Dorf, den ich schätzen gelernt habe, erhalten bleibt. Ich bin zuversichtlich, dass Beat das gut machen wird.