Zeigen, auf was für Boden man steht
16.05.2024 BaselbietBald erinnern zwölf neue Infotafeln an die Fortifikation Hauenstein
Römer oder Mittelalter? Nein, die Schutzbauten entlang des Juragrats stammen aus der Zeit des Ersten Weltkriegs. Schon bald wird ein Pfad mit einem Dutzend Infotafeln eröffnet, um an die Fortifikation ...
Bald erinnern zwölf neue Infotafeln an die Fortifikation Hauenstein
Römer oder Mittelalter? Nein, die Schutzbauten entlang des Juragrats stammen aus der Zeit des Ersten Weltkriegs. Schon bald wird ein Pfad mit einem Dutzend Infotafeln eröffnet, um an die Fortifikation Hauenstein zu erinnern.
Lorenz Degen
Wer auf den Jurahöhen zwischen Langenbruck und Läufelfingen umherwandert, stösst unweigerlich auf eingefallene Schützengräben, mit Moos überwachsene Bruchsteinmauern und verfüllte Unterstände. Informationen, was es mit den historischen Bauwerken auf sich hat, waren aber bislang nicht zu finden. Der Verein Fortifikation Hauenstein bemüht sich, dass die Erinnerung an die weitläufige Anlage aus der Zeit des Ersten Weltkriegs nicht verloren geht. Neu werden 12 Tafeln die Hintergründe dieser Relikte und ihrer Epoche beleuchten.
Die Tafeln wurden von den Vorstandsmitgliedern Christoph Rast und Christian Rieder konzipiert. Vor drei Jahren keimte die Idee eines Erinnerungspfads erstmalig auf, nun steht die Eröffnung bevor, die für den 1. Juni terminiert ist.
Christian Rieder findet es wichtig, den Ersten Weltkrieg wieder vermehrt ins Bewusstsein zu rücken. «Der Zweite Weltkrieg überlagert unsere Sicht auf die jüngere Geschichte. Für mich ist es ein Krieg in zwei Teilen.» Ohne den Ersten Weltkrieg zu verstehen, können viele Entwicklungen im 20. und 21. Jahrhundert nicht richtig eingeordnet werden, sagt der Kommunikationsspezialist und Kulturvermittler aus Basel.
Rieder hat selbst erlebt, wie Kinder beim Betrachten der alten Mauern Fragen stellten und dann den Vätern abenteuerliche Antworten entlockten: «Römer oder Mittelalter werden als Erstellungszeitraum häufig genannt, aber kaum je Erster Weltkrieg. Die Tafeln sollen nun zeigen, auf welchem Boden man steht.» Sie sollen eine Familienwanderung bereichern, aber auch für Geschichtsinteressierte ansprechend wirken. «Wichtig ist zudem, dass auch Einheimische hier etwas Neues erfahren können», betont Rieder. «Wir möchten nicht einfach wiedergeben, was die Leute von hier eh schon wussten.»
Ins Leben hineinleuchten
Die Tafeln sollen über das rein Militärhistorische hinausgehen. «Um den Krieg geht es nicht primär. Da gibt es genug Orte, wo man dazu mehr erfahren kann, zum Beispiel in den Vogesen. Unser Pfad soll die Lebenswelt von damals ergründen.» Die magische Zahl von 12 Tafeln habe keinen kosmischen Bezug, verneint Rieder und lacht. «Sie ist den Themen geschuldet, die wir behandeln wollen. Wir versuchen, ins Leben der damaligen Menschen hineinzuleuchten, um Verständnis zu schaffen für das Leben in dieser schwierigen Zeit.»
Die Tafeln wollen dadurch aktuelle Bezüge schaffen, zum freien Nachdenken über Fragen anregen, die sich uns heute erneut stellen: Neutralitätspolitik, Bündnisse, Rüstungsausgaben, Friedensbemühungen, Abhängigkeiten bei der Versorgung des Landes mit Energie und Agrargütern, die Rolle des Finanzplatzes oder die soziale Sicherheit zum Beispiel. Rieder findet, dass es sich lohne, über die Jahre 1914 bis 1918 nachzudenken: «Wir leben in einer Selbstverständlichkeit. Es ist heute ganz normal, in Sicherheit und Selbstbestimmung zu leben, ein Einkommen zu haben und Brot auf dem Tisch. Dabei sind dies wertvollste Errungenschaften. Die gilt es bewusst zu pflegen.»
Dem pflichtet auch sein Vorstandskollege Christoph Rast bei: «Meine Motivation ist, an diese für unsere Vorfahren extremen Zeiten zu erinnern. Insbesondere möchten wir die Rolle der mutigen Frauen dokumentieren. Wir verdanken dieser Generation extrem viel.» Für den ehemaligen Stadtbibliothekar aus Olten ist klar: «Alles wiederholt sich, keine Generation lernt von der anderen, jeder Mensch muss seine eigenen Erfahrungen machen. Vielleicht gewinnen wir persönlich ein paar wichtige Einsichten?»
Die Not von damals sei heute kaum mehr vorstellbar, schildert Christian Rieder: «Zum Beispiel existierte noch kein Erwerbsersatz. Da wurden Soldaten ohne Entschädigung 500, 600 Tage aus dem Berufsleben gerissen und sollten dabei ihre Familien ernähren. Gleichzeitig explodierten die Preise für Lebensmittel, Mieten und Energie.» Auch eine Kriegssteuer wurde eingeführt, die heutige Direkte Bundessteuer. Der Umbruch war drastisch, weiss Rieder: «Kam der Soldat aus dem aktiven Wehrdienst zurück, war seine Arbeitsstelle weg, vielleicht gar besetzt durch die eigene Ehefrau, der man gerade einmal die Hälfte des Lohnes zugestand.»
Am Standort des Fotografen
Die Standorte für die Tafeln zu finden, sei anspruchsvoll gewesen. «Es ist kein Rundweg, sondern eine Strecke mit verschiedenen Zugangspunkten. Ein chronologischer Aufbau ist damit nicht möglich gewesen. Jede Tafel muss für sich sprechen», erklärt Rieder. Die Tafeln sind pultartig im 45-Grad-Winkel montiert, damit sie den Blick ins Gelände freigeben. Auf einigen befinden sich historische Aufnahmen. «Diese Tafeln stehen genau da, wo damals der Fotograf gestanden hatte. Damit wird ein Vergleich von heute mit damals möglich», freut sich Rieder. Alle Tafeln verfügen über einen QR-Code, auf dem ein Audioguide hinterlegt ist.
Die Tafeln nehmen Rücksicht auf ihre Umgebung: «Alle Standorte liegen direkt am Wanderweg, niemand muss kreuz und quer über Felder gehen oder in Wildruhe-Gebiete eindringen», betont Rieder. «Sie sollen sich unauffällig in die Landschaft einfügen.» Gebaut und gesetzt wurden die Tafeln vom Dietisberg Wohnen & Werken, finanziert wurde das Projekt vom Verein Fortifikation Hauenstein, mit Unterstützung des Baselbieter Gasttaxen-Fonds und von privaten Spendern. In einem nächsten Schritt will Christian Rieder gemeinsam mit Christoph Rast die Dokumentation auf der Webseite ausbauen: «Zuerst wollen wir aber die Eröffnung Ende Mai gut über die Bühne bringen.»