«Wohl noch 80 Millionen – eine Halbierung»
26.03.2024 Region, PolitikBaselbieter SVP fordert Kündigung des Univertrags – Landrat Reto Tschudin erklärt
Die Landratsfraktion der SVP verlangt mit einer Motion, dass Baselland den Vertrag mit Basel-Stadt über die gemeinsame Trägerschaft der Uni Basel aufkündigt. ...
Baselbieter SVP fordert Kündigung des Univertrags – Landrat Reto Tschudin erklärt
Die Landratsfraktion der SVP verlangt mit einer Motion, dass Baselland den Vertrag mit Basel-Stadt über die gemeinsame Trägerschaft der Uni Basel aufkündigt. Federführend bei der SVP ist Landrat Reto Tschudin (Lausen). Er spricht von einem Sparpotenzial von mehr als 80 Millionen Franken.
David Thommen
Herr Tschudin, die gemeinsame Uni-Trägerschaft gilt als grösste partnerschaftliche Errungenschaft der beiden Basel. Weshalb wollen Sie den Univertrag aufkündigen?
Reto Tschudin: Ich muss kurz zurückblenden: Der Univertrag war damals tatsächlich eine Errungenschaft, die sich aber vor allem zugunsten von Basel-Stadt ausgewirkt hat. Basel ging es damals finanziell schlecht und wir haben uns bereit erklärt, zugunsten der Uni mehr zu finanzieren. Die Zeiten haben sich aber längst geändert: Baselland kann es sich heute schlichtweg nicht mehr leisten, so hohe Beiträge zu überweisen.
Basel-Stadt schrieb 2023 mehr als 430 Millionen Franken Überschuss, land machte fast 100 Millionen Defizit. Sind die Partner zu ungleich geworden?
Auf der finanziellen Basis ist das so. Basel schreibt seit vielen Jahren hohe Überschüsse, während Baselland immer nur knappe Mehrerträge erzielte. Das vergangene Jahr zeigte nun deutlich, dass das Baselbiet sparen muss. Wir müssen damit beginnen, das abzustossen, was wir nicht zwingend brauchen. Dazu gehört der Univertrag.
Hat die gemeinsame Trägerschaft nicht Vorteile für die ganze Region?
Er hat primär sicher grosse Vorteile für die Uni Basel. Sie wird sich wohl etwas neu organisieren müssen, sollte der Vertrag gekündigt werden. Die ganze Region Basel muss man aber weiter fassen, da gehören auch die Kantone Aargau, Solothurn und eventuell auch der Jura dazu. Diese Kantone sind ja auch nicht gleichwertige Partner, sondern bezahlen via interkantonale Vereinbarungen pro Studentin und Student an die Uni. Für Baselland ist das nun ebenfalls das Rückfallszenario. Alle Kantone ohne eigene Universität bezahlen nach diesem Schlüssel.
Sie rechnen in Ihrer Motion vor, dass Baselland im vergangenen Jahr 164,5 Millionen Franken für die Uni aufgewendet hat. Wie viel wäre das noch gemäss der erwähnten interkantonalen Vereinbarung?
Grob überschlagen wären es noch rund 80 Millionen Franken für die rund 3500 Studierenden aus dem Baselbiet. Also eine Halbierung. Wobei 80 Millionen Franken immer noch ein ansehnlicher Beitrag ist.
Derzeit wird der Globalbeitrag an die Uni für die Periode von 2026 bis 2029 zwischen den beiden ausgehandelt. Es gab ab 2015 eine Zeit, in der Basel während vier Jahren insgesamt 80 Millionen ans Baselbiet überwies, damit der Univertrag aufrechterhalten werden kann. Wäre das erneut eine Variante?
Wir haben unsere Forderung eingereicht und die Regierung wird nun gefordert sein, zu sagen, was sie damit zu machen gedenkt. Möglich wäre, dass die Regierung bereit ist, unsere Motion als Postulat entgegenzunehmen und zu prüfen, welche Alternativen es zur Kündigung gäbe. Natürlich wäre es denkbar, dass Baselland eine andere Variante findet, die erhebliche Einsparungen bringt.
Sie gehen also mit der härtesten Forderung ins Rennen, bleiben für andere Lösungen aber offen?
Wir als SVP-Landratsfraktion haben keine Möglichkeit, an den Verhandlungen mitzuwirken und wir haben leider auch keinen Regierungsrat mehr, über den wir Einfluss ausüben können. Unsere Motion ist in erster Linie eine Aufforderung an die Regierung, etwas zu unternehmen.
Es geht Ihnen also nicht grundsätzlich um die Kündigung? Sie werden nicht eine Volksinitiative lancieren, falls die Motion nicht wortwörtlich umgesetzt wird?
Darüber haben wir noch nicht gesprochen. Wir werden nun schauen, was aus unserer Forderung gemacht wird. Ich bin überzeugt davon, dass Finanzdirektor Anton Lauber froh ist, wenn Sparmöglichkeiten offen aufgezeigt werden. Wie weit er in den Verhandlungen mit Basel-Stadt gehen kann, muss sich zeigen.
Sollte Baselland aus dem Univertrag aussteigen: Müsste die Universität danach kleinere Brötchen backen, oder müsste Basel-Stadt Ihrer Meinung nach den fehlenden Baselbieter Betrag einfach ausgleichen?
Es ist beides möglich. Die Uni Basel hat sich auf die Fahne geschrieben, zu den besten Unis der Welt gehören zu wollen. Sollte die Uni im internationalen Ranking noch weiter vorwärtsmachen wollen, wäre das wohl überrissen und kostete sehr viel Geld. Falls der Kanton Basel-Stadt das tun möchte, dann ist es das seine Sache. Im Moment hat man ja etwas das Gefühl, dass die Basler froh sind, wenn sie wissen, wohin mit all dem Geld (lacht).
Sie bemängeln in Ihrer Motion, dass die Uni trotz gemeinsamer Trägerschaft im Baselbiet noch nicht angekommen sei. Das allerdings stimmt so nicht: Auf dem Dreispitz auf Münchensteiner Boden entsteht ein Campus, das Departement Sport ist ebenfalls in Münchenstein, das Tropeninstitut in Allschwil …
Wir haben geschrieben, dass es bis heute keine Fakultät auf Baselbieter Boden gibt, was der Realität entspricht. Den jetzigen Univertrag haben wir seit 2011. Heute, 13 Jahre später, sind die Resultate sehr bescheiden. Baselland hat zwar ein paar «Goodies» bekommen, wir sind schweizweit jedoch nach wie vor nicht als Unikanton anerkannt und fast niemand in der Schweiz bringt die Uni Basel mit Baselland in Verbindung. Wir sind und bleiben der Juniorpartner, und dafür zahlen wir einfach zu viel.
Nicht nur die Uni-Trägerschaft steht zur Diskussion. Uneinigkeit gibt es auch bei der Gesundheitsregion. Fordern Sie hier einen Alleingang?
Hier sind wir in Wartestellung. Gesundheitsdirektor Thomi Jourdan muss nun seine Auslegeordnung präsentieren und erklären, wie seine künftige Strategie aussieht. Was wir heute sagen können: Die SVP schliesst einen neuen Anlauf für eine Fusion der Kantonsspitäler aus. Ein Alleingang ist aber sicher nicht der richtige Weg, es braucht eine gemeinsame Gesundheitsregion, aber auch hier werden wir künftig kleinere Brötchen backen müssen.
Muss Baselland bei der Partnerschaft mit Basel generell über die Bücher?
Wir haben insgesamt eine gute Partnerschaft. Die Situation ist nun einfach ungleich geworden, Basel kann sich viel mehr leisten als wir. Darauf müssen wir reagieren. Von Basel-Stadt erwarte ich, dass dies anerkannt wird.
Müsste Baselland nicht einfach mehr Geld einnehmen? Die SP spricht von der Wiedereinführung der Erbschaftssteuer …
Es ist legitim, dass sich die Linke ihre Überlegungen macht, wie Baselland die finanzielle Situation verbessern kann. Ich meine aber, dass Baselland nicht die Steuern erhöhen darf, weil wir sonst die guten Steuerzahler vertreiben – oder sie zumindest nicht anlocken.
Anton Lauber will gelegentlich die Steuern für gute Einkommen senken. Ist das noch legitim angesichts des hohen Defizits im Vorjahr?
Vermutlich ist es nicht angezeigt, im Moment Steuersenkungen zu forcieren. Wir sind gespannt, was Anton Lauber vorlegen wird.
Wie alleine steht die SVP mit ihrer Forderung nach der Kündigung des Univertrags da?
Ich bin gespannt auf die Haltung von FDP und «Mitte». Erste Reaktionen zeigen mir, dass dort der Handlungsbedarf breit anerkannt wird. Es brennt, wenn man die finanzielle Situation des Kantons betrachtet.