Wo das Sammlerherz höherschlägt
29.12.2023 Bezirk Liestal, Kultur, Gesellschaft, RegionStöbern in der «Schallplattenstube» verleiht Glücksgefühle
Der Liestaler Peter Strub hat sich vor zwei Jahren einen lang gehegten Herzenswunsch erfüllt und einen Schallplattenladen eröffnet – untergebracht im eigenen Haus. Ein Augenschein in ...
Stöbern in der «Schallplattenstube» verleiht Glücksgefühle
Der Liestaler Peter Strub hat sich vor zwei Jahren einen lang gehegten Herzenswunsch erfüllt und einen Schallplattenladen eröffnet – untergebracht im eigenen Haus. Ein Augenschein in der «Schallplattenstube».
Robert Bösiger
Wüsste man es nicht besser, käme man nicht auf die Idee, zu meinen, dass in diesem alten Haus am oberen Ende des Brunnmattwegs in Liestal ein Schallplattenladen einquartiert ist. Immerhin sticht noch ein kleines Schild ins Auge mit der Aufschrift «Schallplattenstube». Und beim Eingang hinter dem Haus steht angeschlagen: «Immer gut aufgelegt». Innen befindet sich die Realisation eines lang ersehnten Traums: Peter Strub hat sich diesen nach vielen Jahren eigenständig erfüllt. Er ist nicht nur Hausherr, sondern auch Chef der klingenden Stube.
Peter Strub erblickte am 17. Mai 1960 das Licht der Welt – genau eine Woche nach Paul David Hewson, besser bekannt als Bono, dem charismatischen Sänger und Aushängeschild der irischen Band U2. Er wuchs in Rümlingen auf und besuchte die Schule in Sissach. «Sissach», sagt er, «war für mich als Jugendlicher immer ‹die Stadt›».
Damals, in den 1960er-Jahren, habe er später einmal Pfarrer werden wollen, weil ihn der örtliche Pfarrer von Rümlingen, Ado Müller, stark beeindruckt habe. «Er war mein Vorbild.» Weil aber Altgriechisch eine zu grosse Hürde für ihn war, schlug er die berufliche Laufbahn als Psychiatriepfleger ein.
Später, mit bald 50 Jahren, bildete er sich zum Lehrer in der Pflegeschule in den Bereichen Recht, Wirtschaft und Politik aus. Doch kurz darauf erkrankte er an Krebs. Dazu sagt Strub: «Den Krebs habe ich noch immer, aber er wird mich nicht besiegen!»
Seit Sommer 2021 ist Peter Strub pensioniert. Nun kann er endlich das tun, was er im Grunde schon immer hat tun wollen, nämlich einen Schallplattenladen eröffnen. Vor zwei Jahren ist es dann so weit und die «Schallplattenstube» in seinem eigenen Haus ist bereit. Bänz Friedli, Autor und Kabarettist, gratuliert ihm mit einem Brief und fragt: «Und was würde Elvis sagen?»
Seine Sucht nach Schallplatten verortet Strub in seiner Jugend: Schon sein Vater habe immer Schallplatten nach Hause gebracht und er habe mit ihm auch Konzerte besuchen dürfen. Zudem sei am Herbstmarkt in Sissach immer ein Händler mit Vinyl-Singles gewesen. Strub: «Immer eine Handvoll Singles waren in Zeitungspapier eingewickelt. Da hat man dann für zwei Fränkli buchstäblich eine klingende Wundertüte erstehen können.» Manchmal waren es «nur» Schlager, zum Beispiel von Vicky Leandros, zuweilen aber auch Rock- oder Pop-Perlen. Damals, erinnert er sich, sei er Fan gewesen von britischen Bands wie The Sweet und T-Rex. Etwas später wurde er von Punkbands in den Bann gezogen. Vielleicht auch, weil sich sein Bruder Urs «Udi» Strub als Sänger der lokalen Punkband Vorwärts austoben konnte.
Analog statt digital
Peter Strub bezeichnet sich als grundsätzlich analogen Menschen, der gerne etwas anfassen will. Es gehe nichts über eine Platte, die man aus dem Umschlag und der Hülle nehme und von Hand auflegen könne. Das sei ein echter haptischer Genuss, sagt er. Zudem brauche man, im Gegensatz zu CD-Booklets, keine Lupe, um an die Informationen ranzukommen. Bevor er mit seinem Laden hat loslegen können, kaufte er in St.Gallen eine grosse private Plattensammlung auf. Zunächst eigenhändig, später krankheitsbedingt unter gütiger Mithilfe eines lieben Freundes, zimmerte er sich die Gestelle selbst. Die Neuigkeit des neuen Plattenladens verbreitete sich rasch und die Kundschaft liess nicht auf sich warten.
Apropos Kundschaft: Die sei «querbeet», sagt er: Vom alten Rocker und der schlagerverliebten Hausfrau über Junge und Alte, die nach den unterschiedlichsten Stilrichtungen Ausschau halten. Entsprechend findet sich bei ihm in den Gestellen auch (fast) alles, was auf Rillen zum Klingen gebracht werden kann. «Es gibt nichts, was es nicht gibt», sagt Peter Strub und bringt ein Beispiel: «Ich habe einen Studenten als Kunden, der hört extensiv Hardrock. Kürzlich hat er sich bei mir mit Scheiben von James Last eingedeckt. Seine Begründung: Beim Studieren könne er sich mit Fahrstuhlmusik besser konzentrieren.»
Peter Strub beziffert seinen Bestand im Laden auf knapp 15 000 LPs und einige Dutzend Singles. «Im Lager dürften es noch einmal doppelt so viele sein», schätzt er. Diese müsse er aber zuerst nach und nach sortieren und teilweise waschen. Waschen? «Ja, dazu habe ich extra eine Maschine angeschafft.»
Der Schallplattenladenbesitzer, laut Strub das schönste deutsche Wort überhaupt, bietet seine Platten zu fairen, vergleichsweise eher günstigen Preisen an. Er wolle nicht reich werden damit. Deshalb berücksichtigt er bei der Preisbildung einerseits die Gestehungskosten (Kauf von Sammlungen), andererseits konsultiert er einen deutschen Rockkatalog sowie eine einschlägige Website (popsike.com). So kosten die meisten LPs zwischen 8 und 18 Franken; Neuveröffentlichungen sind etwas teurer.
Die Sache mit dem Stahlträger
Sehen lassen kann sich auch die private Plattensammlung von Peter Strub. Da finden sich Trouvaillen aus den Bereichen Rock und Punk, Klassik und Blues, aber auch Jazz und Reggae. Derzeit am liebsten hört er Jazz, «vor allem Hard Bop und Bebop». Allerdings, so räumt er ein: «Ich höre fast alles, je nach Stimmung – vom ‹Schacher Seppeli› über ‹The Clash› bis zu John Coltrane.» Strub hat übrigens Glück: Seine Frau Katharina teilt zu einem guten Teil seine Musikleidenschaft und unterstützt ihn, so weit es geht. Nur einmal habe es Probleme gegeben mit seinem Sammeldrang. Er erinnert sich: «Beim Einzug in dieses Haus vor 20 Jahren wurde die Sammlung immer umfangreicher und das Gestell immer schwerer, sodass es eines schönen Tages zu statischen Problemen kam. Wir mussten einen Stahlträger einbauen lassen.»
Weil aber selbst der vergiftetste Schallplattenladenbesitzer nicht jünger wird, stellt sich die Frage, was dereinst mit all seinen Platten geschehen soll. Da lächelt Peter Strub und sagt: «Das Ladeninventar wird mutmasslich verkauft; Interessenten habe ich schon. Was mit der privaten Sammlung letztlich geschieht, steht noch in den Sternen.»
«Was würdest du mitnehmen?»
rob. «Peter Strub, welche fünf Langspielplatten würdest du auf die berühmte einsame Insel mitnehmen?» Strub: «Das ist eine gemeine Frage, denn ich habe etwa 30 000 Lieblingsplatten. Aber gut, versuchen wir es: ‹Born to Run› von Bruce Springsteen, eine LP der ‹Ramones›, eine des kanadischen Komponisten und Pianisten Glenn Gould, eine Jazz-Platte von Jaki Byard und vielleicht noch eine LP der britischen Reggaeband Steel Pulse. Aber halt, selbstverständlich müsste man noch je eine Platte der ‹Beatles› und der ‹Stones› mitnehmen …»