Wird zu wenig über Sex geredet?
01.04.2025 BaselbietGemäss den Baselbieter Juso wird in den Schulen zu wenig über Sexualität gesprochen. Mit einer Initiative wollen sie das ändern: Sexualkundeunterricht durch externe Fachpersonen soll an den Schulen obligatorisch werden.
Nikolaos Schär
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Gemäss den Baselbieter Juso wird in den Schulen zu wenig über Sexualität gesprochen. Mit einer Initiative wollen sie das ändern: Sexualkundeunterricht durch externe Fachpersonen soll an den Schulen obligatorisch werden.
Nikolaos Schär
Im Lehrplan 21 ist der Sexualkundeunterricht fest verankert. Doch für die Juso Baselland klafft eine grosse Lücke zwischen dem, was im Lehrplan steht, und dem, was in den Schulzimmern tatsächlich passiert: «Sexualkundeunterricht findet oft gar nicht oder nur sehr einseitig statt», sagt Juso-Präsidentin Angel Yakoub. Deshalb lancieren die Juso nun eine Initiative, die fordert, dass der Sexualkundeunterricht künftig von externen Fachpersonen durchgeführt wird. An der Delegiertenversammlung der SP vom vergangenen Samstag hat die Mutterpartei der Juso-Initiative ihre Unterstützung zugesichert.
Mangelnde Kompetenzen
Das Hauptproblem, so Yakoub, sei der Mangel an Einheitlichkeit und Fachkompetenz im Unterricht. Derzeit sei es den einzelnen Lehrkräften überlassen, ob und wie sie Sexualkunde unterrichten. Dies führe dazu, dass in manchen Schulen das Thema nur oberflächlich oder gar nicht behandelt werde. Yakoub zitiert eine Basler Jugendgesundheitsstudie aus dem Jahr 2022, in der 12 Prozent der Schülerinnen und Schüler der 9. Klasse angaben, noch keinen Sexualkundeunterricht gehabt zu haben.Zudem seien viele Lehrpersonen mit dem Thema überfordert oder nicht ausreichend ausgebildet, um Sexualkunde sensibel und professionell zu vermitteln, sagt Yakoub.
Dieser Mangel an Aufklärung hat gemäss Yakoub gravierende Folgen und schlägt sich in den Statistiken nieder: Die Sexualisierte Gewalt steigt seit 2013 konstant an. Ziel der Initiative ist es, dass alle Jugendlichen eine fundierte, zeitgemässe und diskriminierungsfreie Sexualaufklärung erhalten. Eine professionelle und standardisierte Vermittlung kann laut den Juso nur durch externe Fachpersonen mit entsprechender Qualifikation sichergestellt werden. Denn das Recht auf sexuelle Bildung und Information sei ein Grundrecht. Der Kanton weist in einem Merkblatt darauf hin, dass die Hauptverantwortung für die Sexualerziehung die Eltern tragen.
Ohne Lehrperson wird geredet
Die Baselbieter Bildungs-, Kulturund Sportdirektion (BKSD) schreibt auf Anfrage, dass die Schulen im Kanton Baselland teilautonom organisiert sind und somit die Schulleitungen dafür sorgen müssen, dass der Sexualkundeunterricht gemäss Lehrplan 21 umgesetzt wird. Dieser findet an den Sekundarschulen im Fach Biologie und im Fachbereich Ethik, Religionen, Gemeinschaft statt. Zudem gehören «Gesundheit» sowie «Geschlechter und Gleichstellung» zu den sieben überfachlichen Themen der Leitidee «Bildung für nachhaltige Entwicklung». Die Schulleitungen und Lehrpersonen entscheiden je nach Bedarf, ob sie ein externes Angebot im Bereich Sexualkunde in Anspruch nehmen wollen oder nicht, so die BKSD.
In einem Expertenbericht des Bundesamts für Gesundheit zur Sexualaufklärung aus dem Jahr 2017 steht, dass bei der Sexualaufklärung durch schulexterne Fachpersonen eine Rollentrennung zwischen beurteilender Lehrperson und beratender Person bei intimen Themen vorteilhaft sein kann. Yakoub weist ebenfalls auf diese hin, wenn die Lehrpersonen, die von den Schülerinnen und Schülern oft als Autoritätspersonen wahrgenommen werden, nicht anwesend sind: «Es entsteht eine offenere Gesprächsatmosphäre, in der die Jugendlichen eher bereit sind, Fragen zu stellen und sich auszutauschen.» In der Westschweiz ist das von den Juso geforderte Modell bereits weit verbreitet.
Doch nicht nur die stiefmütterliche Behandlung des Themas im Unterricht ist den Juso ein Dorn im Auge, sondern auch der Fokus auf die Biologie. Sie fordern eine ganzheitliche Perspektive, die soziale und emotionale Aspekte wie Konsens, Vielfalt oder Geschlechterrollen stärker berücksichtigt. Ohne eine fundierte Aufklärung blieben viele Jugendliche in Bezug auf ihre eigene Sexualität unsicher, hätten Schwierigkeiten, Grenzen zu setzen oder zu respektieren, und entwickelten problematische Beziehungsvorstellungen.
Die Auswirkungen lassen sich laut Yakoub statistisch an der zunehmenden Gewalt gegen queere Menschen in den vergangenen Jahren ablesen. Diese würden auch stärker unter den psychischen Folgen der Gewalt leiden als Heterosexuelle, was sich in einer höheren Suizidrate niederschlage, so Yakoub.
Organisationen, die für den Sexualunterricht infrage kämen, sind laut Yakoub die kantonalen Fachstellen für sexuelle Gesundheit, «Achtung Liebe» oder auch queere Organisationen wie «ah&Oh» oder «PinkCross». Das BKSD schreibt: «Es besteht bereits eine fachliche Vernetzung zwischen den Schulen und Organisationen wie ‹Sexuelle Gesundheit Baselland›, ‹Aidshilfe beider Basel› und ‹InTeam Basel›.»
Ein ganzheitlicher Sexualkundeunterricht führe zu mehr Toleranz an Schulen und in der Gesellschaft, da Vorurteile abgebaut und Akzeptanz gefördert werde, so Yakoub. Dies reduziere langfristig Diskriminierung, Ausgrenzung und Gewalt gegenüber Frauen und queeren Menschen.
SP will an die grossen Vermögen
nsc. Die SP Baselland hat an ihrer Delegiertenversammlung vom vergangenen Samstag beschlossen, eine Erbschaftssteuerinitiative zu lancieren. Wer als direkter Nachkomme oder als Elternteil eine Erbschaft erhält, soll künftig wieder besteuert werden. Die Initiative soll einen angemessenen Freibetrag vorsehen, damit der Mittelstand nicht belastet wird. Ausgenommen von der Erbschaftssteuer der SP sollen Ehegatten und eingetragene Partnerschaften sein. Seit 2001 werden im Kanton Baselland direkte Nachkommen bei einer Erbschaft nicht mehr besteuert. Während die Vermögenskonzentration im Kanton stetig zunehme, gerate die Kaufkraft des Mittelstandes durch steigende Krankenkassenprämien, Mieten und Lebenshaltungskosten zunehmend unter Druck, schreibt die SP in einer Medienmitteilung. Die Besteuerung hoher Erbschaften dämpfe die Ungleichheit und verschaffe dem Kanton finanziellen Spielraum, um mittelständische Familien durch Prämienverbilligungen oder bezahlbare Kinderbetreuungsplätze zu entlasten.