«Wir sehen Risiken für die Versorgungsqualität»
18.09.2025 BaselbietÄrzteschaft äussert Kritik am Prämienmodell «Hausspital» des KSBL
Christian Gürtler-Plattner, Co-Präsident vom Verband für die politischen Anliegen der Hausund Kinderärzte (mfe) beider Basel, äussert scharfe Kritik am kürzlich ...
Ärzteschaft äussert Kritik am Prämienmodell «Hausspital» des KSBL
Christian Gürtler-Plattner, Co-Präsident vom Verband für die politischen Anliegen der Hausund Kinderärzte (mfe) beider Basel, äussert scharfe Kritik am kürzlich vorgestellten Prämienmodell «Hausspital» des KSBL und dem Krankenversicherer Assura.
Tobias Gfeller
Herr Gürtler, das Modell «Hausspital» hört sich im ersten Moment attraktiv an. Was stört Sie daran?
Christian Gürtler-Plattner: Es stellt die bewährte Rolle der Hausärztinnen und Hausärzte fundamental in Frage. Hausärzte koordinieren seit Jahrzehnten die gesamte Versorgung – unabhängig, patientenzentriert und frei von Eigeninteressen. Wenn nun ein Spital diese Rolle übernimmt, besteht die Gefahr, dass nicht mehr das Wohl der und Patienten, sondern die Interessen einer Institution im Vordergrund stehen.
Die Kritik am Modell vonseiten Ärzteschaft ist vernichtend: Die Bezeichnung «Hausspital» sei irreführend und das Modell schwäche die unabhängige Patientenbetreuung und gefährde die durchgehende Versorgungskontinuität. Befürchten Sie ein Qualitätsproblem?
Ja, wir sehen Risiken für die Versorgungsqualität. Hausärztinnen und -ärzte kennen ihre Patienten oft seit vielen Jahren, betreuen ganze Familien und verfügen über einen Überblick über die Krankengeschichte. Diese Kontinuität ist entscheidend für eine qualitativ hochwertige Behandlung – gerade bei chronischen oder komplexen Erkrankungen. Wenn die Koordination ins Spital verlagert wird, drohen Brüche in der Betreuungskontinuität.
Wieso ist der Begriff «Hausspital» irreführend?
Weil er suggeriert, dass ein Spital die Funktion eines «medical home» übernehmen könnte. Ein solches Modell lebt aber von Vertrauen, Kontinuität und unabhängiger Beratung – genau die Rolle, die Hausärztinnen und Hausärzte seit jeher wahrnehmen. Ein Spital kann diese koordinierende Funktion nicht unabhängig und glaubwürdig in eigener Sache ausfüllen.
Sie argumentieren natürlich aus Sicht der Hausärztinnen und Hausärzte. Wollen Sie wollen nur Ihre eigenen Interessen schützen?
Wir haben seit Jahren einen akuten Fachkräftemangel – es gibt schlicht zu wenig Hausärztinnen und Hausärzte, um den steigenden Bedarf in der Bevölkerung zu decken. Besitzstandswahrung kann also gar nicht unser Anliegen sein. Im Zentrum steht für uns einzig, dass Patientinnen und Patienten unabhängig beraten werden und weiterhin die bestmögliche Behandlung erhalten können. Gerade deshalb ist es wichtig, die knappen Ressourcen gezielt einzusetzen und die bewährte Koordination in den Händen der Hausärztinnen und Hausärzte zu belassen.
Das viel gelobte Hausarztmodell bezieht sich ausschliesslich auf die Grundversorgung. Sie sagen, das stimme nicht. Erklären Sie.
Das ist ein Missverständnis. Hausärztinnen und Hausärzte koordinieren den gesamten Behandlungspfad – von der Grundversorgung über die Überweisung zu Spezialistinnen und Spezialisten bis hin zur stationären Versorgung. Und sie tun dies immer mit dem Ziel, die bestgeeignete Lösung für die Patientinnen und Patienten zu finden – unabhängig davon, ob dies am KSBL oder in einer anderen Einrichtung geschieht.
Aus wirtschaftlicher und finanzieller Sicht verspricht das Modell «Hausspital» günstigere Krankenkassenprämien. Sie widersprechen. Warum sehen Sie keine Einsparmöglichkeiten?
Ja, die Prämien sind für dieses Modell tiefer – aber nur, weil die Versicherten für weniger Leistung bezahlen. Sobald Patientinnen und Patienten merken, dass die Versorgung nicht optimal ist, werden sie das Modell wohl wieder verlassen. Langfristig bringt das «Hausspital» eher Ineffizienzen ins System: Zusätzliche Strukturen, Doppelspurigkeiten und eine stärkere Nutzung von spitalinternen Leistungen, auch wenn einfachere ambulante Lösungen genügen würden. All das macht die Versorgung am Ende teurer – nicht günstiger.
Wo liegt konkret das Problem, wenn ein Spital die Koordinationsrolle übernimmt?
Dann entstehen zusätzliche administrative Ebenen und Mehrfachstrukturen, etwa wenn Ambulanzen, Spitäler und Hausarztpraxen überlappen. Solche Doppelspurigkeiten sind teuer. Der Wechsel von bewährten Überweisungsund Kooperationswegen kann zu Leistungsausweitung (Overuse) führen, etwa wenn spezialärztliche oder spitalinterne Leistungen gewählt werden, obwohl einfachere ambulante Lösungen ebenso möglich wären – weil die Spitalorganisation diese Leistungen in eigenem Interesse vorhält. Wir sagen: Wenn man Krankenkassenprämien nachhaltig entlasten will, braucht es Modelle mit hoher Effizienz, klarer Verantwortlichkeit, Vermeidung von Doppelspurigkeiten und mit der Hausarztmedizin in zentraler koordinierender Rolle – nicht Modelle, bei denen ein Spital gleichzeitig Leistungserbringer und Koordinator wird.
Als Hausarzt arbeiten Sie eng mit dem KSBL zusammen. Schwächt das vorgestellte Modell Ihr Vertrauen gegenüber dem KSBL?
Nein, ganz im Gegenteil:Wir Hausärztinnen und Hausärzte im Oberbaselbiet überweisen unsere Patientinnen und Patienten mehrheitlich ans KSBL, wenn es medizinisch sinnvoll ist. Wir schätzen unsere Kolleginnen und Kollegen dort sehr und arbeiten gerne mit ihnen zusammen. Ärzte im Spital und Hausärzte haben unterschiedliche Funktionen – und nur wenn wir uns ergänzen, funktioniert das System als Ganzes. Unsere Kritik richtet sich deshalb nicht gegen das KSBL, sondern gegen ökonomisch gesteuerte Versicherungsmodelle, die langfristig das Versorgungssystem belasten können. Es geht uns darum, Qualität und Versorgungssicherheit zu wahren. Solche Weichenstellungen brauchen Weitsicht – Hauruckaktionen helfen nicht weiter. Wir wollen die Öffentlichkeit frühzeitig sensibilisieren, damit das Gesundheitswesen in die richtige Richtung weiterentwickelt wird.