«Wir müssen Anbieter in die Pflicht nehmen»
09.01.2025 BaselbietTiktok und Co: Maya Graf will Jugendliche vor schädlichem Social-Media-Konsum schützen
Der Schutz von Jugendlichen vor übermässigem Konsum von Sozialen Medien könne nicht allein den Eltern und Schulen überlassen werden, meint die Baselbieter ...
Tiktok und Co: Maya Graf will Jugendliche vor schädlichem Social-Media-Konsum schützen
Der Schutz von Jugendlichen vor übermässigem Konsum von Sozialen Medien könne nicht allein den Eltern und Schulen überlassen werden, meint die Baselbieter Ständerätin Maya Graf (Grüne). Sie verlangt vom Bundesrat eine Auslegeordnung über mögliche Schutzmassnahmen.
Thomas Gubler
Frau Graf, Sie möchten mittels Postulat veranlassen, dass der Bundesrat Möglichkeiten zum Schutz von Kindern und Jugendlichen vor übermässigem Konsum von Sozialen prüft. Ist unsere Jugend derart in Gefahr, dass der Bundesrat gefordert ist?
Maya Graf: Ja, es ist leider so, dass auch immer mehr wissenschaftliche Studien zeigen, dass der übermässige Gebrauch von Smartphones und Sozialen Medien wie Tiktok die Entwicklung von Kindern und Jugendlichen negativ beeinflusst und zwar so, dass ihre psychische Gesundheit sowie ihre Lern- und Konzentrationsfähigkeit beeinträchtigt werden. Es besteht also Handlungsbedarf. Ich möchte deshalb mit meinem Postulat, dass der Bundesrat in einer Auslegeordnung Möglichkeiten zum Schutz der Kinder und Jugendlichen vor übermässigem Konsum von Smartphones und von Sozialen Medien aufzeigt. Die bisherigen Antworten des Bundesrats auf diesbezügliche Anfragen, etwa der Basler Nationalrätinnen Sarah Wyss und Katja Christ, waren doch eher unbefriedigend.
Der Bundesrat soll auch ein Smartphone-Verbot an Schulen und ein Zugangsverbot zu Tiktok und Instagram für unter 16-Jährige prüfen. Sind solche Verbote realistisch?
In verschiedenen Ländern gibt es bereits Einschränkungen an Schulen – in Italien und Frankreich etwa. In den Niederlanden gilt seit September vergangenen Jahres ein Smartphone-Verbot auf allen Schulstufen; erste Erfahrungen sind positiv. Zudem hat eine Studie des Forschungsinstituts Sotomo vom Dezember 2024 gezeigt, dass 82 Prozent der Schweizer ein Handyverbot an Schulen befürworten.
Ein Smartphone-Verbot an Schulen liesse sich noch überprüfen, aber wie steht es mit einem Tiktok-Verbot für unter 16-Jährige?
Diese Frage wird sehr oft gestellt. Verschiedene Bundesstellen sind derzeit denn auch damit beschäftigt, eine Vorlage zur Regulierung grosser Kommunikationsplattformen wie Facebook, Tiktok oder X in Bezug auf die Rechte der Nutzenden und auf mehr Transparenz vorzubereiten. Nun ist es aber so, dass man hier nicht bei Null anfangen müsste. Wir kennen ja auch Alterslimiten beim Alkoholverkauf, wo heute die Verkaufsstellen in die Verantwortung genommen werden. Und seit Neujahr ist das neue Bundesgesetz zum Schutz von Kindern und Jugendlichen vor Darstellungen von Gewalt in Filmen, Videospielen und entsprechenden Internetplattformen in Kraft. Dieses Gesetz sieht ein Alterskontrollsystem durch die Anbieter sowie ein Meldesystem vor. Eine Kontrolle ist also durchaus realistisch, wenn wir die Anbieter in die Pflicht nehmen.
Wie steht es mit den Kompetenzen der Beteiligten? Die Schulen sind Sache der Kantone. Kann der Bund überhaupt Smartphones an Schulen verbieten?
Nein, das soll er auch nicht. Es geht mir im Postulat darum, dass der Bundesrat erst einmal prüft und darlegt, wie er Kinder und Jugendliche schützen will. Eine Realisierung allfälliger Massnahmen kann nur zusammen mit den Kantonen erfolgen. Und da bin ich überzeugt, dass die kantonalen Erziehungsdirektorinnen und -direktoren das Thema aufnehmen werden. Im Übrigen ist der Kinder- und Jugendschutz gemäss Artikel 67 der Bundesverfassung eine sogenannte Verbundaufgabe für Bund und Kantone.
Grundsätzlich gefragt: Sind in den von Ihnen angesprochenen Fragen nicht in erster Linie die Eltern gefordert?
Selbstverständlich stehen die Eltern in erster Linie in der Verantwortung. Doch viele sind damit schlicht überfordert. Wenn die Lernleistungen abnehmen, haben wir als Gesellschaft die Pflicht, unsere Kinder und Jugend zu schützen. Dann müssen Schulen und eben auch der Staat entsprechende Hilfestellung leisten. Ich verweise auch hier auf die Regeln beim Verkaufsverbot von alkoholischen Getränken an Minderjährige, wo klar die Anbieter in die Pflicht genommen werden.
Ihr Postulat ist parteipolitisch breit abgestützt. Es fehlt bei den Mitunterzeichnerinnen und Mitunterzeichnern aber eine Vertretung des Freisinns. Ist das Zufall?
Ich habe bei der Suche nach Unterschriften keinen grossen Aufwand betrieben. Aber tatsächlich ist man bei der FDP, die diesbezüglich noch mehr auf Selbstverantwortung setzt, eher skeptisch. Doch ich hatte bis jetzt viele positive Reaktionen. Eltern, Lehrpersonen und auch Jugendliche selbst sind froh, dass das Thema endlich aufs Tapet kommt. Aber vielleicht machen wir im Bereich von Filmen und Videospielen Erfahrungen, die mein Anliegen befördern.
Inhalt des Postulats
gu. Der Bundesrat soll aufzeigen, wie er Kinder und Jugendliche vor übermässigem und schädlichem Konsum von Sozialen Medien schützen kann. Das verlangt Ständerätin Maya Graf in ihrem am 20. Dezember 2024 eingereichten Postulat. Dabei möchte die Sissacherin vom Bundesrat auch wissen, wie dieser sich zu einem Smartphone-Verbot an Schulen oder zu einem Verbot des Zugangs zu Medienplattformen wie Tiktok oder Instagram für unter 16-Jährige stellt.