«Wie erklären Sie sich das?»
24.06.2025 Bezirk Waldenburg, Gemeinden, Region, Baselbiet, ZiefenBrandserie – Beschuldigter zeigt sich vor Kantonsgericht wortkarg
Ein heute 45-jähriger Mann soll in Ziefen mehrere Brände gelegt und dabei Menschen in Lebensgefahr gebracht haben. Nachdem das Strafgericht ihn freigesprochen hatte, verhandelt nun das Kantonsgericht ...
Brandserie – Beschuldigter zeigt sich vor Kantonsgericht wortkarg
Ein heute 45-jähriger Mann soll in Ziefen mehrere Brände gelegt und dabei Menschen in Lebensgefahr gebracht haben. Nachdem das Strafgericht ihn freigesprochen hatte, verhandelt nun das Kantonsgericht über den Fall. Das Urteil steht noch aus.
Janis Erne
«Als ich merkte, dass Rauch in die Wohnung drang, packte ich ein paar Sachen, flüchtete auf den Balkon, telefonierte mit der Feuerwehr und kletterte über die Feuerleiter hinunter. Unten angekommen, herrschte bereits grosses Durcheinander. Es war laut. Die Feuerwehr und die Rega waren vor Ort, Menschen rannten umher.»
So erinnert sich eine Bewohnerin an den Brand in einem Mehrfamilienhaus in Ziefen. Die Frau, die gestern vom Kantonsgericht als Auskunftsperson befragt wurde, wirkte noch immer mitgenommen, obwohl sich der Vorfall bereits vor fast drei Jahren ereignet hatte. Zwischen 2021 und 2022 brannte es sieben Mal im Oberbaselbieter Dorf: Betroffen waren Wohnhäuser, eine Gartenlaube, eine Scheune und Autos. Ein Mann, der damals in Ziefen wohnte, wurde wegen mehrfacher Brandstiftung angeklagt. Das Strafgericht sprach ihn im Juli 2023 mangels Beweisen jedoch frei (die «Volksstimme» berichtete).
Gestern stand der 45-Jährige erneut vor Gericht. Die Staatsanwaltschaft hatte den Fall an das Kantonsgericht weitergezogen. Richter Enrico Rosa befragte den Beschuldigten eingehend. Dieser beteuerte seine Unschuld und machte wiederholt von seinem Recht auf Aussageverweigerung Gebrauch. Ein Urteil fällte das fünfköpfige Gericht noch nicht.
Äusserlich ruhig
Der Beschuldigte, der von früheren Nachbarn als Einzelgänger beschrieben wurde, ist schmächtig, hat eine leise Stimme und wohnt heute in der Innerschweiz, wo er früher schon lebte. Der gelernte Brandschutzmonteur arbeitet inzwischen als Produktionsmitarbeiter. Es gehe ihm gut, sagte er vor Gericht. In der Untersuchungshaft habe sich sein Zustand anders präsentiert: Er habe bis zu 13 Tabletten täglich nehmen müssen, unter anderem zur Beruhigung und zum Schlafen. Noch immer befinde er sich in psychologischer Behandlung.
Abgesehen von einem leichten Zittern der Füsse war er vor Gericht ruhig. Er wich Frage um Frage aus. Auch dann, wenn Gerichtspräsident Enrico Rosa versuchte, ihn in die Enge zu drängen. Im Zentrum der Befragung stand der Brand im erwähnten Mehrfamilienhaus an der Ziefner Hauptstrasse. Der Mann wohnte damals im Erdgeschoss und arbeitete als Hauswart. Sein Verhalten nach dem Brandausbruch im Keller wirkt auffällig: Ein vor Gericht abgespieltes Video zeigt ihn, wie er kurz nach dem Ausbruch durch eine Rauchwolke läuft, ohne jemanden zu warnen. Zudem wechselte er sein T-Shirt. Später sagte er aus, den Rauch und das Feuer nicht bemerkt zu haben. «Wie erklären Sie sich das?», fragte Rosa. Der Beschuldigte schwieg.
Doch weitere Indizien belasten den in Italien geborenen Mann. Auffällig ist, dass die Brände stets am Wochenende geschahen, also zu Zeiten, zu denen der Beschuldigte nicht arbeitete. Zudem war er bei den meisten Feuern der Erste, der Alarm schlug. Und gegenüber der Polizei machte er mehrfach widersprüchliche Aussagen, die nicht mit den Bewegungsdaten seines Smartphones übereinstimmten. Eine Gesundheits-App zeigte, dass er wenige Minuten vor Brandausbruch in seinem Wohnhaus Treppen stieg. IT-Forensik-Experten der Baselbieter Polizei überprüften die Daten und kamen zu dem Schluss, dass sie stimmen.
7,5 Jahre Haft gefordert
«Die Daten der Gesundheits-App stimmen mit dem Video überein, das zeigt, wie der Beschuldigte durch den Rauch geht», sagte die Staatsanwältin in ihrem Plädoyer. Zwar konnte die App nicht nachweisen, in welchem Stockwerk sich der Mann zum Zeitpunkt des Brands aufhielt, doch sie dokumentierte einen Stockwerkwechsel.
Für die Staatsanwaltschaft ist es «wahrscheinlicher», dass der Mann vom Keller ins Erdgeschoss stieg und nicht etwa vom Erdgeschoss ins erste Obergeschoss. «Warum hätte er das tun sollen? Dort befindet sich nur die Wohnung einer anderen Person», so die Staatsanwältin. Ausserdem habe der Beschuldigte zu keinem Zeitpunkt erwähnt, im ersten Stock gewesen zu sein. Belastend sei auch, dass sich in Ziefen nach seiner Inhaftierung keine Brände mehr ereigneten, die auf Brandstiftung hindeuten.
Die Verteidigerin hielt dagegen: Auch nach der Inhaftierung ihres Mandanten habe es im Raum Ziefen/Bubendorf gebrannt, während es in der Umgebung seines heutigen Wohnorts in der Innerschweiz zu keinen Bränden gekommen sei. «Mein Mandant kann also nicht der Feuerteufel sein, als der er dargestellt wird.» Sie stellte sowohl das Motiv (Suche nach Aufmerksamkeit) als auch die Beweislage infrage. Das als Beweismittel vorgebrachte Video sei von schlechter Qualität und es fehlten zehn Sekunden der Aufnahme. «Was in dieser Zeit geschah, weiss niemand», so die Verteidigerin.
«Keine handfesten Beweise»
Sie erklärte den Umstand, dass ihr Mandant den Rauch nicht wahrnahm, mit dessen Alkohol- und Kokainkonsum an jenem Abend. Auch die Abendsonne habe seine Wahrnehmung womöglich beeinträchtigt. Sie kritisierte, dass «alternative Verdächtige» kaum berücksichtigt worden seien und die Auswertung der App-Daten ungenügend sowie nicht durch eine unabhängige Stelle erfolgt sei. «Mein Mandant hat mit den Bränden nichts zu tun. Es gibt keine handfesten Beweise.»
Die Verteidigung fordert einen Freispruch. Die Staatsanwaltschaft plädiert hingegen auf eine Freiheitsstrafe von 7,5 Jahren, abzüglich der bereits verbüssten Untersuchungshaft. Das geforderte Strafmass fällt auch deshalb so hoch aus, weil in zwei Fällen Menschenleben in Gefahr waren. Der Sachschaden beläuft sich auf rund 1,25 Millionen Franken. Das Urteil wird Anfang Juli erwartet.