Wie 300 Freiwillige die «Chienbäse» erschaffen
06.03.2025 RegionLiestal | Der Bau der Besen erfordert Erfahrung und Präzision
Seit mehr als einem Jahrhundert zieht der feurige «Chienbäse»- Umzug durch die Liestaler Altstadt. Am Sonntag werden mehr als 300 stolze «Chienbäse»-Trägerinnen und ...
Liestal | Der Bau der Besen erfordert Erfahrung und Präzision
Seit mehr als einem Jahrhundert zieht der feurige «Chienbäse»- Umzug durch die Liestaler Altstadt. Am Sonntag werden mehr als 300 stolze «Chienbäse»-Trägerinnen und -Träger durch das «Stedtli» marschieren. Wir haben einigen von ihnen beim Bau der Besen über die Schulter geschaut.
Michael Hermann
Schon aus der Ferne sind die kraftvollen Axtschläge und das rhythmische Hämmern auf Nägel zu hören. Auf dem Schiessplatz Sichtern oberhalb von Liestal herrscht rege Betriebsamkeit. Zahlreiche Fasnächtlerinnen und Fasnächtler, die sich mit Begeisterung der Tradition hingeben, haben sich versammelt, um ihre «Chienbäse» zu bauen – ein über die Region hinaus bekannter Bestandteil der Liestaler Fasnacht.
In diesem Jahr haben sich rund 300 Fasnächtler an verschiedenen Tagen auf der Sichtern eingefunden, um ihre eigenen «Chienbäse» zu binden. Für den Bau der «Chienbäse» werden zwischen 30 und 35 Ster Föhrenholz benötigt – das Holz stammt gut vorbereitet von der Bürgergemeinde Liestal, die es den Freiwilligen zur Verfügung stellt.
Das Holz ist rund zwei Jahre alt, «damit es keine grosse Restfeuchtigkeit mehr aufweist», erklärt Jaro Kubicek. Er ist der «Tätschmeister», wenn es ums Binden geht. «Auch wichtig ist, dass es Föhrenholz ist, das hat mehr Harz und brennt somit besser.» An dicken Stöcken werden die sogenannten Schittli befestigt. Damit diese passgenau sitzen, werden die Stämme am unteren Ende zugespitzt und mit der Axt bearbeitet.
Jeder Fünfte ist neu dabei
Die «Chienbäse» werden unter fachkundiger Anleitung gebaut. «Wer Hilfe benötigt, der wird unterstützt, aber es hat auch viele erfahrene Fasnächtler hier, die wissen, worauf es ankommt», schildert Jaro Kubicek. Er hat knapp 20 Helfer, die nicht nur beim Binden unterstützen, sondern auch später beim Anzünden.
Um Mitmachen zu können, braucht es keine Voraussetzungen: Jede und jeder ist willkommen. Rund 20 Prozent der Teilnehmenden sind jeweils das erste Mal dabei, für viele ist es aber eine lange Tradition, wie zum Beispiel für Daniel Bühlmann aus Liestal. «Ich bin seit 40 Jahren dabei. Es macht grossen Spass und der Vorteil ist, dass man gemütlich die ‹Burg› hinunterlaufen kann und nicht im Gedränge stehen muss. Mit der Zeit weiss man, wo es heiss ist und wo man am besten langgeht.»
Die «Chienbäse»-Bauer – Jung und Alt – gehen mit Hingabe und Präzision ans Werk. «Der Bäse muss nicht nur stabil und kompakt sein», erklärt ein Teilnehmer, «er muss perfekt in Form gebracht werden, damit beim Umzug durchs ‹Stedtli› keine Flamme entweichen kann.» Edgar Strub aus Liestal, bald 103-jährig, hilft ebenfalls mit und sagt schelmisch: «Am Nachmittag testen wir alle zusammen, ob die ‹Chienbäse› tatsächlich brennen.»
Zwei Stunden pro Besen
Die erfahrenen «Chienbäse»-Bauer setzen die Axt mit einer Präzision an, die fast an die Arbeit von Holzbildhauern erinnert. Immer wieder wird geprüft, ob die Spitze des sogenannten Stecks bündig sitzt. Ist dies noch nicht der Fall, wird ein kleines Stück Holz abgehauen – manchmal sind es nur winzige Schnitte, die für die perfekte Passform nötig sind. Diese Feinabstimmung erfordert Geduld und Fingerspitzengefühl. Rund zwei Stunden wird an einem normalen Besen gebaut.
Jaro Kubicek geht durch die fertigen «Chienbäse» und zeigt gut wie auch weniger gut gebaute Besen. Sein geschultes Auge sieht auf den ersten Blick, welche problemlos bis zum Ende brennen werden. «Es ist wichtig, dass unten am Stiel alles zusammenläuft und so keine Glut entweichen kann», führt er aus.
Mit wenigen gezielten Schlägen werden die Schittli an den Stöcken festgenagelt. Zum Schluss sichern die Bauer ihre Arbeit zusätzlich mit Draht, sodass die Besen auch während des Umzugs stabil bleiben. Dabei bleibt nicht viel Zeit für Worte – jeder hilft dem anderen, und jeder weiss, was zu tun ist. Um später seinen eigenen Bäse eindeutig zu erkennen, markieren einige ihre Stecken mit einem Kleber, andere ritzen ihre Initialen an eine Stelle, die nur ihnen bekannt ist.
Die fertigen «Chienbäse» wiegen zwischen 25 und 85 Kilogramm. Die Besen zu tragen, erfordert eine gute Portion Kraft. Wenn die «Chienbäse» fertig sind, werden sie sorgfältig auf Fahrzeuge verladen. Am Sonntag, dem Höhepunkt der Fasnacht, treffen sich alle 300 Teilnehmer mit ihren «Bäse» beim Schulhaus Burg. Dort werden die «Chienbäse» entzündet und der «Chienbäse»-Umzug marschiert hinunter zum «Stedtli». Die Flammen der «Chienbäse» lassen die Liestaler Fasnacht in einem besonderen Licht erstrahlen.