Wenn Angestellte wegen Alkoholsucht fehlen
23.12.2025 BaselbietDer Winter hält Einzug und Weihnachten naht. Es ist wieder Glühweinzeit. Für den Grossteil der Schweizer handelt es sich bei alkoholhaltigen Getränken um reine Genussmittel. Doch aus dem beliebten Genussmittel kann schnell ein Suchtmittel werden.
Muss die Arbeitgeberin ...
Der Winter hält Einzug und Weihnachten naht. Es ist wieder Glühweinzeit. Für den Grossteil der Schweizer handelt es sich bei alkoholhaltigen Getränken um reine Genussmittel. Doch aus dem beliebten Genussmittel kann schnell ein Suchtmittel werden.
Muss die Arbeitgeberin dem Arbeitnehmer weiterhin Lohn bezahlen, wenn dieser aufgrund einer Alkoholsucht nicht mehr zur Arbeit erscheinen kann? Mit dieser Frage hatte sich das Bundesgericht in einem jüngst publizierten Entscheid auseinandergesetzt.
Ein Servicetechniker im Aussendienst hatte im Jahr 2022 mit 1,9 Promille Blutalkoholgehalt einen Verkehrsunfall verursacht. Folgerichtig wurde dem Fahrer mit sofortiger Wirkung der Führerausweis entzogen. Der alkoholisierte Fahrer blieb unverletzt, wurde jedoch nach dem Unfall im Rahmen einer fürsorgerischen Unterbringung aufgrund der diagnostizierten Alkoholabhängigkeit in eine Entzugsklinik eingewiesen. Sie ahnen es, ein Aussendienstler in der Entzugsklinik kann seine Arbeit nicht mehr verrichten. Die Arbeitgeberin verweigerte daraufhin die Lohnzahlung mit der Begründung, die Arbeitsunfähigkeit sei vom Arbeitnehmer selbst verschuldet. Zu Recht?
Die Arbeitgeberin trifft von Gesetzes wegen unter anderem dann eine Lohnfortzahlungspflicht, wenn der Arbeitnehmer aufgrund von Krankheit oder Unfall ohne sein Verschulden an der Arbeitsleistung verhindert ist. Im vorliegenden Fall blieb der Arbeitnehmer nicht aufgrund des Unfalls selbst der Arbeit fern, sondern weil er die diagnostizierte Alkoholsucht im Rahmen einer fürsorgerischen Unterbringung in einer Suchtklinik behandeln lassen musste.
Aber handelt es sich bei einer Alkoholsucht überhaupt um eine «Krankheit» im Sinne der gesetzlichen Regelung zur Lohnfortzahlung? Das Bundesgericht hat diese Frage bereits vor Jahrzehnten bejaht und hält weiterhin an dieser Rechtsprechung fest. Entscheidend war im vorliegenden Fall viel mehr die Frage, ob die Arbeitsverhinderung aufgrund einer Suchterkrankung als vom Arbeitnehmer selbst verschuldet zu beurteilen ist. Zur Erinnerung: Die Arbeitgeberin schuldet nur dann weiterhin Lohn, wenn der Arbeitnehmer ohne sein Verschulden an der Arbeitsleistung verhindert ist.
Das Bundesgericht führt aus, dass es für die Beurteilung, ob eine Alkoholsucht vom Arbeitnehmer zu verschulden ist, stets auf die Besonderheiten des Einzelfalls ankommt. Gleitet jemand wie im vorliegenden Fall über längere Zeit in eine Alkoholabhängigkeit, sei grundsätzlich von fehlendem Verschulden auszugehen. Der erlittene Verkehrsunfall, die fürsorgerische Unterbringung sowie der erfolgte Führerausweisentzug sind nach Ansicht des Bundesgerichts allesamt als Folge derselben Ursache, der schweren Alkoholsucht, zu betrachten.
Konsequenz: Die Arbeitgeberin wurde vom Bundesgericht verpflichtet, dem unter einer Alkoholsucht leidenden Servicetechniker den Lohn während der krankheitsbedingten Arbeitsverhinderung zu bezahlen. Arbeitgeberinnen tun also gut daran, bei Anzeichen einer Suchterkrankung das Gespräch mit dem betroffenen Mitarbeiter zu suchen und Präventionsmassnahmen in die Wege zu leiten.
Dimitri Sidler ist Anwalt in Liestal. In seiner Kolumne beleuchtet er juristische Fragen und bemerkenswerte Gerichtsfälle.

