Was, wenn die FDP den Regierungssitz verliert?
16.10.2025 BaselbietDie Auswirkungen wären auch in Bundesbern zu spüren
Die Freisinnigen im Baselbiet stehen vor einer historischen Zäsur: Verliert die FDP bei den Ersatzwahlen im Herbst ihren letzten Sitz in der Regierung, droht nicht nur eine parteipolitisch unausgewogene Exekutive – ...
Die Auswirkungen wären auch in Bundesbern zu spüren
Die Freisinnigen im Baselbiet stehen vor einer historischen Zäsur: Verliert die FDP bei den Ersatzwahlen im Herbst ihren letzten Sitz in der Regierung, droht nicht nur eine parteipolitisch unausgewogene Exekutive – die Auswirkungen könnten auch in Bundesbern für neue Debatten sorgen.
Thomas Gubler
Das wahrscheinlichste Szenario ist es nicht, unmöglich ist es allerdings auch nicht: Nämlich dass die Baselbieter Freisinnigen bei den Regierungsratsersatzwahlen für die Nachfolge von Monica Gschwind (FDP) in diesem Spätherbst ihren mittlerweile noch einzigen Sitz in der Baselbieter Regierung an die GLP verlieren. Dies letztlich wegen der Zerstrittenheit der beiden bürgerlichen Parteien SVP und FDP, die sich nicht auf eine gemeinsame Kandidatur einigen konnten. Die Konsequenzen eines solchen Szenarios könnten für hiesige Verhältnisse erheblich sein – und weit über die Kantonsgrenzen hinaus Wirkung entfalten.
Die erste Konsequenz wäre, dass die Baselbieter Regierung dann – gelinde gesagt – etwas seltsam zusammengesetzt wäre: 1 SP, 1 Grüne, 1 Mitte, 1 EVP und 1 GLP. Diese könnte sich zwar auf einen Wähleranteil von rund 60 Prozent stützen, durch die Abwesenheit von FDP und SVP (seit 2023) wären dann andererseits rund 40 Prozent der Baselbieter Wählerinnen und Wähler nicht mehr in der Regierung vertreten. Das widerspricht eigentlich dem schweizerischen Konkordanzgedanken und erschwert die Verabschiedung von Vorlagen. Im schlimmsten Fall würde die kantonale Politik gar blockiert.
Anschauungsunterricht dafür gibt es zumindest ansatzweise. Zwischen 2015 und 2019 war die SP im Kanton Baselland nicht in der Regierung vertreten. Die Verhärtung in den politischen Gremien war mitunter so gross, dass nicht wenige von vier verlorenen Jahren sprechen. Auch die jeweilige und seit zwei Jahren erneute Absenz der SVP hat der Baselbieter Politik nicht gutgetan, wobei die dadurch entstandenen Verstimmungen vorwiegend atmosphärischer Natur sind. Der Konkurrenzkampf der beiden bürgerlichen Parteien um die Nachfolge von Monica Gschwind ist letztlich auch eine Folge davon.
Für die destruktive Taktik in diesem Wahlkampf ist allerdings primär die SVP verantwortlich, die den Anspruch der Freisinnigen schlicht negiert und damit einer Kleinpartei überhaupt erst die Chance eröffnet hat, zu einem Regierungssitz zu kommen. Der FDP kann man allenfalls den Vorwurf machen, dass sie die Zeichen der Zeit immer noch nicht erkannt hat und auch in diesem Wahlkampf bisher die letzte Entschlossenheit vermissen lässt.
Warnsignale aus Solothurn
Dabei fehlte und fehlt es nicht an Warnsignalen. Das letzte kam im Frühling aus dem Nachbarkanton Solothurn. Dort verlor die FDP nicht nur einen Regierungsratssitz (an die SVP), sie verlor auch ihre Spitzenposition im Kantonsrat und landete sitzmässig hinter der SVP und der SP auf Rang drei. Dabei war der Kanton Solothurn bis vor nicht allzu langer Zeit eine eigentliche freisinnige Bastion. Noch 1981 gewann die FDP 66 der 144 Parlamentssitze. Bis 1952 besetzte sie drei von fünf Regierungsratssitzen. Später waren es immer zwei. Der beschleunigte Abstieg setzte vor knapp 20 Jahren ein. 2007 verlor die einstige «Staatspartei» ihren zweiten Nationalrats- und 2015 den traditionellen Ständeratssitz.
Sollte es der Baselbieter FDP tatsächlich nicht gelingen, nach dem Verlust des zweiten Sitzes 2013 nun den einzig verbliebenen noch zu retten, dann wäre das für den ehemaligen Baselbieter FDP-Ständerat René Rhinow «ein Jammer, wenn man die Geschichte des Freisinns im Baselbiet mit all seinen guten Regierungsvertretungen betrachtet». Laut ihm würde in einer solchen Regierung «eine wichtige Stimme fehlen». Denn ob die GLP-Kandidatin Sabine Bucher diese liberale Stimme sein kann, wisse man derzeit noch nicht.
Ein Sitzverlust in Liestal könnte allerdings auch zum Fanal für die FDP Schweiz werden: Zum einen, weil damit ein weiterer FDP-Regierungssitz verloren wäre – der neunte innert zehn Jahren. Zum anderen, weil er an die GLP ginge, die ja letztlich aus den Freisinnigen hervorgegangen ist. Ersteres könnte die Diskussion über den zweiten FDP-Bundesratssitz zusätzlich befeuern. Und Zweiteres führt zur Frage, wo längerfristig der Platz der FDP zwischen den Grünliberalen und der konservativen SVP noch ist, und ob es einen solchen bei einer weiteren Annäherung an die SVP auf Kosten des eigenen Profils überhaupt noch gibt.
Für Rhinow wäre der Sitz-Verlust kein Beinbruch, wenn dies nur für eine kurze Zeit wäre und die Scharte bei den nächsten Gesamterneuerungswahlen 2027 wieder ausgewetzt werden könnte. «Dafür müsste sich die FDP Baselland aber neu aufstellen und wieder zur Kampfpartei werden.» Um das zu schaffen, brauche es die dafür nötigen Persönlichkeiten. Denn der Freisinn habe im Baselbiet immer mehr von Persönlichkeiten als von Parteiprogrammen gelebt, so der Alt-Ständerat und emeritierte Staatsrechtsprofessor in einem früheren Interview.