Was ist Heimat?
19.12.2025 PersönlichDer nervige Kulturkampfdiskurs, der aus den präpotenten Spinnerautokratien herüberschwappt, hat bei mir ein Nachdenken über Heimat ausgelöst. Ist Heimat gleichzusetzen mit Zuhause? Ist Heimat ein Land, brauchen wir dafür Staatsgrenzen oder ist Heimat die Familie, das ...
Der nervige Kulturkampfdiskurs, der aus den präpotenten Spinnerautokratien herüberschwappt, hat bei mir ein Nachdenken über Heimat ausgelöst. Ist Heimat gleichzusetzen mit Zuhause? Ist Heimat ein Land, brauchen wir dafür Staatsgrenzen oder ist Heimat die Familie, das Umfeld, die Nachbarn? Ist sie ein Gefühl oder eine Entscheidung? Eine von mir verehrte Schriftstellerin hat dazu gesagt, sie hätte – als sie in das Dorf gezogen sei, in dem sie nun wohnt – nicht länger das Gefühl gehabt, ständig auf Achse sein zu müssen. So geht es mir in meinem geliebten Ammel auch.
Hatte ich früher immer schlechte Laune, wenn ich von Reisen nach Hause sollte, komme ich nun gerne zurück. In Deutschland hingegen wusste ich schon mit 12 Jahren, dass ich weg wollte, mit 16 ging es das erste Mal in die USA, wo ich nach dem Abitur zu studieren anfing. Trump hat mir ein Stück Seelenheimat entfremdet, seit mir meine alte Studienfreundin riet, wir sollten uns in Zukunft lieber in Europa treffen.
Wäre Ammel auch ohne die Ammeler Heimat? Nein. Damit ich hier zu Hause sein kann, braucht es die Menschen, die ich gern habe, auf der Scholle, die zu ihnen gehört. Ich frage mich, wie sich Heimat für die Palästinenser oder die Kurden anfühlt, Letztere immerhin ein 40-Millionen-Volk ohne eigenes Land. Sie müssen gezwungenermassen die Heimat in sich finden und tragen.
Möchte ich in Ammel beerdigt werden? Nein. Aber generell nicht auf dem Land, sondern im Meer. Was also ist jetzt Heimat? Heimat könnte sein, stelle ich mir vor, bei sich selbst anzukommen. In meinem Fall wohl eher, sich endlich selbst auszuhalten. Heimat kann aber auch eine Haltung sein: Die Menschen gern zu haben, an sie zu glauben, auch wenn es immer Luft nach oben gibt. Menschen mit Respekt zu behandeln, ihnen vorurteilsfrei zu begegnen und möglichst erwartungsfrei mit ihnen umzugehen. Eine Tugend, die täglich erarbeitet werden will, die die meisten Leute geflissentlich ignorieren und an der man mindestens so oft scheitert, wie daran, nicht zu schummeln.
Als Navigationshilfe zur inneren Werte-Heimat taugt diese Haltung trotzdem, und sie ist heute wichtiger denn je. Im Gegensatz dazu ist Abgrenzung von anderen Menschen vor allem aufwendig und schädlich. Und: Abgrenzung macht einsam. Denn evolutionstechnisch gesehen ist der Mensch ein Rudeltier. Das wird sich übrigens auch durch KI nicht ändern.
Ist Heimat also persönlichkeitsabhängig? Braucht, wer selbstbewusst ist, vielleicht weniger Heimat; Leute mit weniger Selbstbewusstsein die Kirche im Dorf und die ganz ohne Selbstvertrauen den ewigen Blick in den Rückspiegel einer angeblich deutlich heileren Vergangenheit?
Fazit: Ich weiss es nicht. Wahrscheinlich brauche ich noch ein paar Jahre, um herauszufinden, was Heimat ist. Aber: Ich weiss, wo ich zu Hause bin, und Heimweh habe ich vor allem nach Menschen. Ich hege den Verdacht, dass Heimat sehr viel mit Akzeptiertsein, Vertrauen und Glück zu tun hat. In diesem Sinne: Frohe Weihnachten, liebe Leserinnen und Leser.
Petra Huth ist Politikwissenschaftlerin und Ökonomin. Sie lebt in Anwil und amtet dort als Gemeinderätin.

