«Warte darauf, dass mich Giacobbo entdeckt»
29.10.2024 Bezirk Liestal, Kultur, Bezirk Liestal, GesellschaftKomiker Michael Elsener kommt ins «Elefantehuus»
Seit 18 Jahren tourt Komiker Michael Elsener mit seinen Programmen durch die Schweiz. Übermorgen tritt er in Liestal auf. Im Gespräch erzählt er, wie er damals in die Branche gerutscht ist, was er so im ...
Komiker Michael Elsener kommt ins «Elefantehuus»
Seit 18 Jahren tourt Komiker Michael Elsener mit seinen Programmen durch die Schweiz. Übermorgen tritt er in Liestal auf. Im Gespräch erzählt er, wie er damals in die Branche gerutscht ist, was er so im Bundeshaus treibt und, dass er vor seinen Shows immer ein Schläfchen macht.
Luana Güntert
Herr Elsener, am 31. Oktober kommen Sie mit Ihrem Programm «Alles wird gut» nach Liestal. Befinden wir uns in einer Krise?
Michael Elsener: Nein, aber ich würde sagen, dass wir in einer Zeit mit vielen Krisen leben, die sich teils überlagern. Da möchte ich einen Kontrast schaffen: Denn Veränderungen schaffen wir nur, wenn wir positiv sind. Darum dieser Titel. «Alles wird gut» ist ein Abend, der einen zum Lachen bringt, erheitert und Mut macht, Dinge zum Positiven zu verändern.
Sie sind seit fast 20 Jahren als Komiker unterwegs. Wie finden Sie da noch Ideen für Ihre Pointen?
Die Ideen kommen immer wieder. Ich finde, die Herausforderung in kreativen Berufen liegt eher darin, eine Idee für eine stimmige Umsetzung zu finden. Ich muss auch schauen, wie ich meine Zeit priorisiere und welchen Ideen ich nachgehe. Neben meinen Bühnenprogrammen schreibe ich auch noch Skripts für Erklärvideos vor Abstimmungen und Komödien für die Bühne.
Haben Sie vor den Shows ein Ritual?
Ja, sogar ein paar. Ich gehe beispielsweise in der Garderobe jeweils schlafen. So kann ich alles vergessen, was im Lauf des Tages passiert ist, und bin danach bereit für das Publikum des Abends. Ein paar Veranstalter wollten kurz vor einer Show auch schon die Sanität rufen, weil sie dachten, ich sei kollabiert.
Ihre Witze handeln oft von Politikern. Wie viele Medien müssen Sie konsumieren, um über das Polit-Geschehen informiert zu bleiben? Und interessiert Sie das auch?
Früher habe ich einfach viele Zeitungen gelesen und Polit-Podcasts gehört. Doch fundierter Polit-Journalismus ist Mangelware geworden und beschränkt sich oft auf: «Wir haben die Outfits unserer Bundesräte analysiert.» Oder «Wer kam zu spät aufs Bundesratsreisli?» Darum gehe ich einmal pro Session selber in die Wandelhalle. Ich rede mit Parlamentarierinnen und Parlamentariern und stelle ihnen meine Fragen direkt. So erfahre ich auch mehr darüber, wie beispielsweise ein Gesetz zustande kam. Die Prozesse dahinter, wie man seine Interessen durchsetzen kann, das interessiert mich oft mehr als das eigentliche Abstimmungsresultat.
Wie und weshalb sind Sie damals in die Comedy-Branche gerutscht?
Das war eine bewusste Entscheidung. Ich möchte die Menschen mit überraschenden Texten zum Lachen bringen und gleichzeitig dafür sorgen, dass sie die Welt so vielleicht ein kleines bisschen anders sehen als zuvor. Dass ich und mein Team nun davon leben können, das ist mit vielen Zufällen und Glück verbunden. Aber der Start war simpel: Ich schmiss meine anderen Jobs hin und habe alles auf eine Karte gesetzt. Noch warte ich darauf, dass mich Viktor Giacobbo entdeckt (lacht).
Sie haben Politik studiert. Haben Sie das bewusst gemacht, um später darüber Witze zu machen?
Als meine Eltern langsam akzeptiert hatten, dass ich den unsicheren Beruf des Journalisten wählen möchte, kam ich noch mit dem Nachsatz: Aber eigentlich möchte ich Comedian werden. Es hat mich schon immer sehr interessiert, wie wir Menschen dazu gekommen sind, uns in Gesellschaften und Staaten zusammenzuschliessen, gewisse Dinge gemeinsam zu organisieren. Darüber wollte ich mehr erfahren und so war klar: Ich studiere Politikwissenschaften. Ein schöner Nebeneffekt des Studiums war: Ich hatte neben den Seminaren ganz viel freie Zeit, die ich für meine Auftritte auf «Open Stages» verwenden konnte. Und ich erhielt viel Inspiration von Professorinnen und Professoren, die ich danach parodieren konnte.
Selber in die Politik möchten Sie nicht?
Nein, ich fühle mich in der Position des Beobachters wohl. Ich mache gern einen Schritt zurück, nehme eine neue Perspektive ein. Das kann ich am besten von der Seitenlinie aus. Da sehe ich die Absurditäten viel deutlicher. Als Nationalrat hast du als Arbeitsplatz ein kleines Pültchen in einem Grossraumbüro mit 200 anderen. Ständig redet einer in Nationalrats-Hochdeutsch auf dich ein. So ein Arbeits-Setting könnte ich mir für mich nicht vorstellen (lacht).
Fühlen Sie sich einer Partei zugehörig?
Ich könnte bei keiner Partei sagen: Da werde ich jetzt Mitglied. Und ich stelle fest: Die wenigsten Menschen können sich mit einer Partei wirklich identifizieren. Es wäre an der Zeit, dass wir unser klassisches Parteiensystem komplett überdenken. Die Interessen von anderen vertreten, das hat mit gegenseitigem Vertrauen zu tun. Wie gehen wir das heute an? Eine Person pinnt sich ein Partei-Logo ans Revers und nimmt dann neun bezahlte Verwaltungsrats-Mandate an. Oder konkreter: Der Präsident der ständerätlichen Gesundheitskommission ist gleichzeitig bezahlt von einem Pharma-Verband. Das kann langfristig nicht gut kommen. Denn das Vertrauen ist dahin.
Was war Ihr Berufswunsch als Kind?
Mit den klassischen Wunschberufen konnte ich nichts anfangen: Wie kommt ein Knabe auf die Idee, Feuerwehrmann werden zu wollen? Sobald du dich gemütlich ins Bett gekuschelt hast, bekommst du den Anruf, dass du raus zum Löschen musst? Konditor hätte ich mir aber gut vorstellen können. Ins Freundschaftsbuch habe ich als Berufswunsch jeweils geschrieben: Hosenträger.
Möchten Sie in Zukunft einen anderen Job ausüben?
Ich wüsste ehrlich gesagt nicht, welchen. In der aktuellen Medien-Lage bekäme ich als Journalist heute in vielen Medienhäusern beim Vorstellungsgespräch ja wohl auch direkt die Kündigung zugesteckt …
In Ihren Shows parodieren Sie verschiedene Promis. Wie haben Sie das gelernt?
Parodieren ist etwas sehr Musikalisches. Ich versuche, die Sprachmelodie eines Roger Federer zu imitieren. Der herausfordernde Teil ist: Wie mache ich diese Person zu einer Karikatur? Welche Züge eines Politikers verstärke ich, welche lasse ich weg? Ich muss es so hinbekommen, dass die Leute nach meiner kompletten Überzeichnung sagen: «Ja, genau so ist der Parmelin.» Wenn ich das geschafft habe, habe ich eine neue Figur, mit der ich meine Sketche erzählen kann.
Bekommen Sie manchmal Vorwürfe, wenn Sie zu einseitig parodieren?
Von den Parodierten selber habe ich bis jetzt jeweils nur freudige E-Mails oder Anrufe erhalten. Roger Federer hat mir als Dank fürs Parodieren eine CD geschickt. Ich möchte die Leute jeweils so parodieren, dass ich ihnen später in die Augen schauen kann.
Sie waren früher einmal in New York und dort im Stand-up-Comedy-Bereich aktiv.
Machen Sie noch englische Shows?
Ich gehe einmal im Jahr für längere Zeit nach London oder New York City zum Auftreten. Denn ich möchte mit meiner «English Comedy Show» agil bleiben, und das gelingt mir am ehesten, wenn ich mich mit der Avantgarde der internationalen Comedy-Szene austausche. Mittlerweile bin ich auch auf Schweizer Bühnen oft auf Englisch unterwegs, weil Firmen einen Schweizer Comedian suchen, der ihre internationale Belegschaft oder Kundschaft unterhalten kann. Die Amis sind oft «sowas von überrascht davon», dass ein Schweizer gewollt witzig sein kann. Die kennen meist nur Ueli Maurer auf CNN.
Sind Sie privat auch ein lustiger Mensch?
Ich bin überzeugt, dass es diesen Comedy-Charakter-Typ gibt. Wir Comedians schauen oft mit einer anderen Brille auf die Welt. Das bringt uns manchmal in eine Position des Aussenseiters, weil wir beispielsweise bei einem Konzert nicht einfach mitgrölen können. Aber dafür ist es etwas vom Tollsten, mit anderen Comedians einen Abend zu verbringen und sich extrem verstanden zu fühlen bezüglich so vieler Dinge, die man in unserer Gesellschaft unhinterfragt einfach so macht.
Haben Sie in der Szene ein Vorbild?
Ich mag es, mit welcher Verspieltheit die Amerikaner Jon Stewart und Stephen Colbert über Politik reden. Oder die Genauigkeit bei Jokes über Probleme in unserer Gesellschaft von John Oliver aus England. Und ich bewundere es, mit welcher Lockerheit die Amerikanerin Amber Ruffin über Rassismus redet.
Wie lange brauchen Sie, um ein Programm zu schreiben?
Etwa anderthalb Jahre vor der Premiere muss ich wissen: Was ist das Grundthema und wie lautet der Titel? Einerseits für mich, damit ich mich ans Schreiben machen kann. Und andererseits drucken viele Theater ihre Programmhefte einmal pro Jahr. Oft hängt da in schönen Farben das Plakat von meinem neuen Programm – und ich habe noch keinen einzigen Sketch geschrieben.
Wie testen Sie, ob Witze funktionieren?
Natürlich droppe ich mal eine amüsante Beobachtung im Freundeskreis, um zu schauen, ob ihnen so eine Situation vertraut vorkommt. Aber ob Witze funktionieren, das finde ich nur mit Publikum heraus. Comedy ist so viel Rhythmus, ist ideales Timing. Es ist immer ein Ping-Pong zwischen Comedian und Publikum. Das kann man nicht nachstellen.
Aktuell spielen Sie mehrere Shows pro Woche. Was machen Sie, wenn Sie einmal zu Hause sind?
Ich koche sehr gerne und kreiere neue Desserts. Und im Sommer spiele ich jede Woche Beachvolleyball. Und wirklich Nichtstun wird extrem unterschätzt.
Bald wird es kalt. Sind Sie ein Sommer- oder Wintermensch?
Ich bin klar ein Sommermensch. Abends im T-Shirt durch die Stadt spazieren, alle halten sich draussen auf und treffen sich spontan: Das sind grandiose Momente.
Apropos «durch die Stadt laufen»: Wie reagieren Menschen, wenn sie Sie erkennen?
Dann ist ihre erste Reaktion oft, dass sie lachen. Das mag ich total. Viele teilen eine Erinnerung an einen Joke von mir. Etwa: «Seit du das gesagt hast über Amherd, fällt mir es bei jeder ihrer Reden auf. Ich kann mich kaum mehr auf das konzentrieren, was sie wirklich sagt.»
Worüber darf man keine Witze machen?
Wenn meine Haltung als Comedian klar ist, wüsste ich nicht, über welches Thema ich keine Witze machen könnte. Das ist genau das Spannende. Ich mache Witze über das schwierige Öffnen des Stimmkuverts, habe aber auch eine Nummer über Sterbehilfe.
Gibt es Shows, an die Sie sich auch nach Jahren noch positiv erinnern?
Ich kenne ein paar solcher Momente. Man weiss nie, wann sie passieren. Aber wenn sie passieren, spürt man eine ganz eigene Energie im Saal. Es ist am ehesten zu beschreiben mit: Alles ist im Flow. Es entsteht ein Knistern. Es ist, als ob der Abend fliegen würde und alles ist in Schwingung. Magische Momente. Wer weiss, vielleicht das nächste Mal in Liestal …
Zur Person
lug. Michael Elsener ist 39 Jahre alt und wurde in Zug geboren. Seit 2006 tourt er mit abendfüllenden Soloprogrammen durch die Schweiz. 2010 schloss er das Studium der Politikwissenschaften und Publizistik mit dem Master an der Universität Zürich ab.
2012 erhielt er ein Kulturstipendium des Kantons Zug und konnte so während eines halben Jahres in New York Praktika absolvieren. In dieser Zeit entwickelte er einen englischen Stand-up-Act, mit dem er sich allmählich in der New Yorker Comedy-Szene vorarbeitete. Er hatte schon Shows im Fernsehen und Radio bei SRF.