Waffenverbot gibt zu reden
31.10.2024 BaselbietMichael Bubendorf – ehemaliger Sprecher der «Freunde der Verfassung» sowie einer der bekanntesten Kritiker der Corona-Politik und des Staats – hat seine Schusswaffen abgegeben. Die Baselbieter Sicherheitsbehörden zweifeln an seiner Fähigkeit, verantwortungsvoll ...
Michael Bubendorf – ehemaliger Sprecher der «Freunde der Verfassung» sowie einer der bekanntesten Kritiker der Corona-Politik und des Staats – hat seine Schusswaffen abgegeben. Die Baselbieter Sicherheitsbehörden zweifeln an seiner Fähigkeit, verantwortungsvoll damit umzugehen.
Janis Erne
Er kommt aus Sissach, ist 42 Jahre alt, Unternehmer, Familienvater – und hat im ganzen Land von sich reden gemacht: Michael Bubendorf. Während der Corona-Pandemie war er einer der schärfsten Kritiker der Schutzmassnahmen. Bubendorf wurde nicht nur in den sogenannten alternativen Medien hoch gehandelt, als Sprecher des Vereins Freunde der Verfassung war er beispielsweise auch in der «Arena» von SRF zu Gast.
Nun steht Bubendorf wieder im Fokus. Der Grund: Er hat seine Schusswaffen bei der Baselbieter Polizei deponiert, weil ein Verfahren wegen eines möglichen Waffenbesitzverbots läuft. Öffentlich wurde dies durch einen Artikel von Bubendorf in der Autorenzeitschrift Schweizer Monat und einen Vorstoss von SVP-Präsident Peter Riebli im Landrat. Der Fall wirft grundsätzliche Fragen auf: Wann dürfen die Behörden einer Person den Waffenbesitz verbieten? Und wann sollen sie dies tun?
Seit 2020 unter Beobachtung
Zunächst zum Sachverhalt: Bubendorf, bereits im Besitz einer Pistole (Glock 17) und einer Vorderschaftrepetierflinte (Armskon), wollte sich vor einigen Wochen zusätzlich ein Sturmgewehr anschaffen. Dies, weil in Itingen demnächst eine grosse Schiessanlage öffnen soll und das Schiessen seit seiner Jugend zu seinen Hobbys zählt. Bubendorf war Jungschütze, erwarb in der Schweizer Armee das Schiessabzeichen und übte auch mit Tontauben. Für den Kauf des Sturmgewehrs musste er beim Kanton einen Waffenerwerbsschein beantragen.
In der Regel eine Routineangelegenheit. Aber bei Bubendorf führte der Antrag dazu, dass er am Ende wohl ganz ohne Waffen dasteht. Kürzlich hat er seine Pistole und seine Flinte abgegeben. Laut Bubendorf hatten die Sicherheitsbehörden Bedenken angemeldet. Sie zweifeln seine Waffenfähigkeit an. Grund dafür ist vermutlich seine ablehnende Haltung gegenüber dem Staat.
Die Fachstelle Waffen und Sprengstoff der Baselbieter Polizei stellte ihn vor die Wahl: Entweder keine Waffen mehr oder auf eigene Kosten ein forensisches Gutachten bei einem Psychiater erstellen lassen, das ihm die Fähigkeit bescheinigt, verantwortungsvoll mit einer Waffe umgehen zu können. Bubendorf gab die Waffen ab und verzichtet auf rechtliche Schritte, wie er auf Anfrage sagt. Nicht nur wegen der zu erwartenden Kosten in der Höhe von mehreren Tausend Franken. Er wollte auch nicht, dass sensible Daten über ihn via Psychiater an den Staat gelangen.
Alarm geschlagen hatte laut Bubendorf das Bedrohungsmanagement – ein Dienst der Baselbieter Polizei, der Gefährder, also potenziell gefährliche Personen, beobachtet und einschätzt. Aus den Akten der Fachstelle Waffen und Sprengstoff geht hervor, dass Youtube-Videos, in denen Michael Bubendorf spricht, sowie Texte von ihm in Online-Medien ausgewertet wurden. Auch die kantonale Radikalisierungsstelle verfasste einen Bericht.
Bubendorf sagt, dass nie jemand vom Bedrohungsmanagement persönlich mit ihm gesprochen habe. Laut dem Sissacher wurde das erste Gespräch mit der Polizei kurzfristig verschoben, weil Mitarbeiter des Bedrohungsmanagements abgesagt hatten. Auch beim Ersatztermin sei niemand vom Bedrohungsmanagement anwesend gewesen. Im Lauf des Verfahrens erfuhr Bubendorf, dass die Baselbieter Sicherheitsbehörden bereits im Jahr 2020 darüber nachdachten, ihm die Waffen wegzunehmen.
Grenzwertige Äusserungen
Damals nahm die Corona-Pandemie ihren Lauf. Eine laute und nicht ganz kleine Minderheit wehrte sich gegen die zum Teil einschränkenden Massnahmen. Michael Bubendorf war ein Aushängeschild der Massnahmenkritiker. Bei seinen Auftritten sparte er nicht mit Kritik an der Corona-Politik von Bund und Kantonen. Er bezeichnete die Schutzmassnahmen zum Beispiel als «Hygienefaschismus» oder «Apartheid». Er sprach von Widerstand sowie der Errichtung einer Parallel- und Privatrechtsgesellschaft. Die Mitglieder des Bundesrats bezeichnete er als Verbrecher.
Kurzum: Er verlor den Glauben an Rechtsstaat, Demokratie und Gewaltentrennung. Daraus macht Bubendorf, der als Zeitschriften- und Blog-Autor noch immer aktiv ist, auch heute keinen Hehl: «Ich lehne das Gewaltmonopol des Staates ab und träume von einer Gesellschaft, die sich auf Basis freiwilliger Zusammenarbeit organisiert, in der niemand das Recht hat, Gewalt gegen friedliche Menschen anzuwenden.»
Bubendorf weiter: «Ich habe öffentlich mehrfach betont, wie wichtig es sei, friedlich zu bleiben.» Gewalt habe er immer verurteilt, auch in hitzigen Zeiten. In der Tat verurteilte der damalige Aktivist an einer Demonstration zur Zeit der schärfsten Corona-Massnahmen Gewalt gegen Polizisten ausdrücklich.
In einem Vortrag im September 2021 sagte Bubendorf aber auch, er empfehle jedem, den Umgang mit Schusswaffen zu erlernen und sie sicher zu Hause aufzubewahren: «Der bewaffnete und wehrhafte Bürger ist ein Pfeiler der Freiheit.» Ein Aufruf zu Gewalt ist das nicht, aber es sind wohl solche Aussagen, die bei den Baselbieter Sicherheitsbehörden für Verunsicherung gesorgt haben. Ob sie auch ein Waffenbesitzverbot rechtfertigen, darüber gehen die Meinungen auseinander.
«Viele Fragen sind offen»
SVP-Landrat Peter Riebli, der auch Kantonalpräsident der Partei ist, findet das Vorgehen des Kantons rechtlich und politisch höchst fragwürdig. «Die Verweigerung eines Waffenerwerbsscheins setzt nach Bundesrecht bestimmte Handlungen, Verbrechen oder Vergehen voraus. Eine bestimmte ‹falsche› Gesinnung allein reicht nicht aus», sagt Riebli, der Bubendorf persönlich nicht kennt, wie er auf Nachfrage sagt.
Doch genau darauf stützen sich die Baselbieter Sicherheitsbehörden in den Augen von Peter Riebli: «Auf die angeblich falsche libertäre, sprich freiheitliche Gesinnung von Herrn Bubendorf», so der Buckter. Und weiter: «Hätte es Hinweise gegeben, dass er mit den Waffen eine Straftat plant, wäre das Besitzverbot absolut zwingend.»
Für ihn seien aber viele Fragen zum allgemeinen Vorgehen des Bedrohungsmanagements offen, weshalb er im Landrat eine detaillierte Interpellation eingereicht habe. So will Riebli vom Regierungsrat unter anderem wissen, ob es eine gesetzliche Grundlage gebe, dass bei einer Einziehung von Waffen die Kosten für ein psychiatrisches Gutachten vom Waffenbesitzer zu zahlen seien. Ein kürzlicher Entscheid des Kantons Aargau habe das unlängst klar verneint, so Peter Riebli.
Er betont, dass er den Fall nur aus Bubendorfs Schilderung der Ereignisse im «Schweizer Monat» kenne. Diese würden aber nahe legen, dass das Verdikt nicht auf einer Gefährlichkeit von Bubendorf, sondern auf seiner «falschen libertären Gesinnung» beruhe. Riebli: «Einerseits zweifeln die Behörden an der Waffenfähigkeit von Herrn Bubendorf und stuften ihn als gefährlich ein. Andererseits haben sie ihm die früher erworbenen Waffen nicht sofort abgenommen, sondern sind erst beim Antrag für einen weiteren Waffenerwerbsschein aktiv geworden.»
Für den SVP-Politiker geht es um weit mehr als den Einzelfall. «Herr Bubendorf ist nie als gewalttätig aufgefallen und hat die Anwendung von Gewalt mehrfach öffentlich abgelehnt. Trotzdem wird er in seinen Rechten beschnitten.» Er frage sich, ob ein kritischer Bürger mundtot gemacht werden soll. «Seit der Corona-Pandemie hat die sogenannte ‹Cancel Culture› stark an Bedeutung gewonnen, unliebsame Meinungen werden unterdrückt und die Medien sind inzwischen leider mehr mediales Sprachrohr der Regierungen als vierte Gewalt», findet Riebli.
Polizei äussert sich allgemein
Michael Bubendorf, Mitinhaber einer in der Hochseeschifffahrt tätigen Firma, ist nach eigenen Angaben nicht vorbestraft. «Lediglich» ein paar Ordnungsbussen habe er im Zusammenhang mit seinem Protest gegen die Coronavirus-Massnahmen erhalten, sagt er. Ein Mensch, der den Staat, aber auch Gewalt ablehnt – soll ihm der Waffenbesitz verboten werden?
Diese Entscheidung liegt im Ermessen der Behörden. Gemäss Waffengesetz sind nicht nur Handlungen, Verbrechen oder Vergehen des Antragstellers ausschlaggebend. Eine Behörde kann den Waffenbesitz auch verbieten, wenn «eine Person Anlass zur Annahme gibt, dass sie sich selbst oder Dritte mit der Waffe gefährdet». Die Waffenverordnung präzisiert, dass der körperliche und geistige Zustand kein erhöhtes Risiko für den Umgang mit Waffen darstellen dürfe. Es sind wohl diese Bestimmungen, die den Ausschlag gaben, Bubendorf die Waffen zu entziehen. Die Polizei Basel-Landschaft schreibt auf Anfrage, dass sie sich zum Einzelfall nicht äussere und verweist auf die erwähnten Erlasse.
Simone Hänggi ist Chefärztin und forensische Psychiaterin bei der Psychiatrie Baselland. Sie sagt auf Anfrage, dass staatsfeindliche Gedanken im Einzelfall ein Symptom einer psychischen Krankheit sein können. «In der Regel ist es aber nicht so.» Simone Hänggi betont, dass der Entscheid, ein Waffenbesitzverbot auszusprechen, bei den kantonalen Behörden liege. Ein psychiatrisches Gutachten unterstütze lediglich deren Entscheidungsfindung. «Es legt dar, ob bei einer Person eine psychische Erkrankung besteht und ob diese Person deswegen allenfalls nicht in der Lage ist, mit der geforderten Sorgfalt mit einer Waffe umzugehen.» Im Fall von Michael Bubendorf werden diese Fragen wohl unbeantwortet bleiben.