«Während der Tat schaute er ihr in die Augen»
21.12.2023 Baselbiet, PolizeiStaatsanwaltschaft und Verteidigung halten Plädoyers im Mordfall von Thun
Die beiden Extreme der Möglichkeiten decken die Strafanträge im Mordfall von Thun ab: Während die Staatsanwältin eine lebenslängliche Gefängnisstrafe für den Oberbaselbieter ...
Staatsanwaltschaft und Verteidigung halten Plädoyers im Mordfall von Thun
Die beiden Extreme der Möglichkeiten decken die Strafanträge im Mordfall von Thun ab: Während die Staatsanwältin eine lebenslängliche Gefängnisstrafe für den Oberbaselbieter Täter fordert, plädiert der Pflichtverteidiger für Freispruch. Das Urteil wird morgen Freitag gefällt.
Thomas Immoos
Die Staatsanwältin liess in ihrem Plädoyer am Dienstag vor dem Regionalgericht Oberland in Thun keinen Zweifel daran offen, dass sie den Angeschuldigten Peter A.* für schuldig hält. Er habe nicht nur die Tat begangen, sondern dies mit einer besonderen Brutalität. Das Opfer, eine 31-jährige Frau, habe während 20 bis 30 Minuten Qualen und Angst erlitten, als die Frau mit dem Kabelbinder erdrosselt wurde. Von besonderer Gefühlskälte zeuge auch die Tatsache, dass er davon gesprochen habe, die Leiche «entsorgen» zu müssen. Auch die Formulierung, sie «zu einem kompakten Päckli geschnürt» zu haben, zeuge von Kälte. Der Mann habe töten wollen, das Opfer leiden sehen wollen. «Peter A. hat dem Opfer während des Würgens in die Augen geschaut – und das Opfer hat in seine Augen schauen müssen.» Der Tötungsakt habe ihn erregt, betonte die Staatsanwältin: «Er wollte sie sterben sehen.»
Die Version des 39-jährigen Täters aus dem Oberbaselbiet, es habe sich um einen Unfall gehandelt (die «Volksstimme» berichtete), widerspreche den Erkenntnissen der Gerichtsmedizin. Die Wunden könnten nicht von einem Steinkreuz stammen, sondern seien wohl auf einen oder mehrere Schläge mit einem Krallenhammer zurückzuführen. Auch weitere Verletzungen zeugten von Abwehrverletzungen. «Aus rechtsmedizinischer Sicht ist ein Sturz unwahrscheinlich.» Zudem zeuge auch das Verhalten nach der Tat von der Abgebrühtheit und Kälte von Peter A. «Wer fährt mit einer Leiche im Auto nach Hause, isst dort etwas, hört Musik und fährt dann stundenlang umher?», fragte sie. Von Anfang an habe Peter A. die Absicht gehabt, seine Gewaltfantasien an der Frau auszuleben. Auf seinem Computer sind entsprechende Filme gefunden worden, unter anderem ein Snuff-Film, bei dem eine Frau zu Tode gequält wird. Gezielt habe er auch nach einem Ort gesucht, wo er sich der Leiche entledigen konnte.
Alle Merkmale von Mord
Für die Staatsanwältin sind bei der Tat viele Voraussetzungen für Mord gegeben, dies sogar mehrfach: Der Täter habe kaltblütig, skrupellos, aus niederen Motiven, zur Befriedigung sexueller Bedürfnisse gehandelt. Deshalb sei Peter A., so ihr Antrag, zu einer lebenslänglichen Gefängnisstrafe zu verurteilen. Selbst eine Verwahrung könnte in Erwägung gezogen werden, auch dass der Mann kaum Interesse an einer Therapie bekunde und man keine gute Prognose («hohe Rückfallgefahr») stellen könne.
Die beiden Opferanwälte stimmten den Ausführungen der Staatsanwältin in allen Punkten zu. Peter A. habe die Eltern verhöhnt, stellte etwa der Anwalt des Vaters fest. Denn er habe ausgeführt, das Opfer sei von den Eltern verstossen worden. Seine grösste Sorge am ersten Verhandlungstag vor Gericht sei gewesen, dass er an diesem Tag noch keine Zigarette habe rauchen können. Bisher sei noch kein Wort des Bedauerns oder der Reue über die Lippen gekommen. Auch die Anwältin der Mutter wies, wie schon die Staatsanwältin, auf die minutenlangen Qualen hin, die das Opfer vor dem Tod erleiden musste: «Die Gefühllosigkeit von Peter A. ist besonders stossend.» Beide Opferanwälte forderten eine Genugtuungssumme für die Eltern. Zwar bringe dies den Eltern ihre Tochter nicht zurück. Aber er ermögliche der Mutter einen Neuanfang in einer neuen Heimat.
Verteidiger für Freispruch
Ganz anders argumentierte der Pflichtverteidiger. Eindringlich bat er das Gericht, kein Urteil zu fällen, das lediglich auf Indizien gestützt sei. Gemäss dem Grundsatz «Im Zweifel für den Angeklagten» sei sein Mandant freizusprechen. Peter A. habe die Frau nicht absichtlich getötet: «Es war ein Unfall!» Die Schwere der Kopfverletzung sei darauf zurückzuführen, dass die Frau nicht im Stand, sondern während einer Bewegung gegen das Kreuz gestürzt sei. Was Peter A. nach der Tat getan habe, zeuge von Schock, Panik und Planlosigkeit. Bislang sei keine Tatwaffe gefunden worden. Dass er das Opfer mit dem Kabel gewürgt habe, sei nur geschehen, weil er davon ausgegangen sei, die Frau sei zu diesem Zeitpunkt bereits tot gewesen. Am Opfer gebe es zudem keine Spuren eines sexuellen Übergriffs.
Zusammenfassend hielt er fest: «Es gibt keinen einzigen handfesten Beweis für Mord.» Deshalb sei der Mann vom Mordvorwurf freizusprechen. Allenfalls komme fahrlässige Tötung infrage. Das Gericht wird das Urteil morgen Freitag fällen.
*Name der Redaktion bekannt