Vornutzung fördert Natternzunge
04.07.2024 BaselbietErfolg bei Feldversuch auf Ökonomiewiese
Ein kantonaler Feldversuch sowie eine interkantonale Studie gehen der Frage nach, wie Vornutzungen die Bestände bedrohter Pflanzen und Kleintiere auf Wiesen und Weiden positiv beeinflussen können.
Elmar ...
Erfolg bei Feldversuch auf Ökonomiewiese
Ein kantonaler Feldversuch sowie eine interkantonale Studie gehen der Frage nach, wie Vornutzungen die Bestände bedrohter Pflanzen und Kleintiere auf Wiesen und Weiden positiv beeinflussen können.
Elmar Gächter
Sie ist eine unscheinbare Pflanze: Klein, zierlich, blütenlos, der Stängel mit einem dunkelgrünem Laubblatt sowie einem zungenartigen Teil bestückt, der die Sporen trägt. Die Natternzunge, die zu den Farnarten gehört, ist sehr selten. Es ist erst der siebte Fund im Baselbiet. Entdeckt wurde sie in Rothenfluh auf einer Fläche des Frühschnittversuchs, den die kantonale Abteilung Natur und Landschaft 2019 gestartet hat.
«Die Freude in der Fachwelt ist riesig, denn in diesem Gebiet ist das ein Neufund», schreibt das Zentrum Ebenrain in einem seiner letzten Newsletters. Die Natternzunge ist auf der Roten Liste schweizweit als verletzlich eingestuft und beispielsweise viel weniger häufig anzutreffen als die Bienen-Ragwurz aus der Familie der Orchideen.
Gabriela Hofer, Biologin des Ebenrains, die den Feldversuch betreut, hat die Pflanze auf einer der extensiven Ökonomiewiesen entdeckt, die versuchsweise früher als üblich geschnitten werden. Statt erst ab Mitte Juni werden kleinere Flächen dieser Wiesen bereits im April/Mai gemäht mit dem Ziel, eine Blühlücke zu vermeiden: Diese kann entstehen, wenn artenreiche Wiesen auf einen Schlag grossflächig geschnitten werden.
Ob das Auftauchen der Natternzunge mit dem Frühschnitt zu tun habe, könne man aufgrund des Einzelfunds der Art nicht sagen, so der «Ebenrain». «Interessanterweise habe ich die Pflanze auf einer Trockenwiese gefunden. Die Natternzunge ist eher auf Feuchtstandorten anzutreffen», erklärt Gabriela Hofer. Die Natternzunge sei jedoch eine Zeigerpflanze, die nur in nährstoffarmen Lebensräumen vorkomme, die extensiv bewirtschaftet werden.
Zu hohes Gras vermeiden
Obwohl fundierte Angaben des Versuchs, der noch weiter andauert, fehlten, könne man festhalten, dass ein Frühschnitt das Gedeihen vieler Kräuter fördere, weil mehr Licht bis zum Boden vordringe. Eine weitere wichtige Erkenntnis liefere ein Versuch im Kanton Aargau. Er zeige, dass ein Herbstschnitt sich positiv auswirken könne: Er verhindere, dass ein zu hoher Graswuchs das Wachstum der Kräuter im Frühling hemme. «Wir fordern in den kantonalen Verträgen mit den Bewirtschaftern schon lange eine Herbstmahd. Die Resultate bestätigen uns, dass diese Forderung zentral für den Erhalt des Blühangebots ist», so Gabriela Hofer.
Ein ebenfalls interessanter Versuch mit ähnlicher Ausrichtung wurde 2021 gestartet. Im Auftrag von sechs Kantonen, unter anderem Baselland, sowie dem Fürstentum Lichtenstein, untersuchten die Umweltberatungsfirmen Hintermann & Weber, Agrofutura und «OePlan» gemeinsam an elf Standorten, wie sich eine Vornutzung auf artenreichen Wiesen und Weiden auf die Bestände von typischen und bedrohten Kleintieren und Pflanzen auswirkt. So werden in Bubendorf und Eptingen gleichzeitig Flächen mit zusätzlicher Vornutzung sowie Flächen ohne Vornutzung bewirtschaftet, um sie direkt zu vergleichen. Nach bisher dreimalig erfolgter Vornutzung der entsprechenden Flächen im April/Mai – im Gegensatz zum «normalen» Erstschnitt ab Anfang August – stellt Biologe Christoph Bühler, der den Versuch leitet und koordiniert, fest: «Obwohl noch keine konkreten Zahlen vorliegen, sehen wir, dass sich das Erscheinungsbild der Wiesen verändert hat. Da wir weniger Biomasse auf den Wiesen haben, sind sie blütenreicher geworden. Es ist eine andere Phänologie. Das bedeutet, es treten bei bestimmten Pflanzen gut zu beobachtende andere Wachstumsstufen auf.» Die Ursache, dass trotz grosser Anstrengungen bei der Pflege von artenreichen Wiesen und Weiden sich die Bestände vieler bedrohter Tiere und Pflanzen negativ entwickeln, kann von Fachleuten so erklärt werden: Ein wärmeres Klima zusammen mit den Stickstoffeinträgen aus der Luft auch in ungedüngten Naturschutzwiesen, erzeugen eine dichtere, wüchsigere Vegetationsdecke als noch vor Jahrzehnten. Viele seltene Pflanzen und Tierarten sind licht- und wärmebedürftig sowie konkurrenzschwach. Mit der Vornutzung wird im April/Mai der erste Aufwuchs der Wiese oder Weide noch vor der vollständigen Entwicklung bereits abgeräumt. Erst danach soll die Wiese eine verzögerte Entwicklung durchlaufen, wodurch sich der reguläre Termin für die Hauptnutzung verschiebt.
Die vielschichtige Studie mit wissenschaftlichem Anspruch dauert von 2021 bis zum kommenden Jahr. Dann wird entschieden, ob eine Verlängerung um weitere fünf Jahre notwendig wird oder nicht.