«Viele Projekte dauern zu lange»
28.08.2025 Politik, BaselbietRegierungskandidat Markus Eigenmann (FDP) fehlt eine Priorisierung
Der Arlesheimer Gemeindepräsident und Unternehmer Markus Eigenmann ist durch und durch Exekutivpolitiker. Der Freisinnige findet, der Kanton sei insgesamt auf gutem Weg. Es hapere bei der Regierung jedoch an der ...
Regierungskandidat Markus Eigenmann (FDP) fehlt eine Priorisierung
Der Arlesheimer Gemeindepräsident und Unternehmer Markus Eigenmann ist durch und durch Exekutivpolitiker. Der Freisinnige findet, der Kanton sei insgesamt auf gutem Weg. Es hapere bei der Regierung jedoch an der Priorisierung von Projekten.
Nikolaos Schär
Am 26. Oktober wählt die Baselbieter Stimmbevölkerung in einer Ersatzwahl die Nachfolge der zurücktretenden Bildungsdirektorin Monica Gschwind (FDP, Hölstein). Neben der Sissacher Grünliberalen Sabine Bucher und der SVP-Landrätin Caroline Mall (Reinach) kandidiert der Arlesheimer Gemeindepräsident Markus Eigenmann für das Amt – und soll der FDP den Regierungssitz sichern.
Über die Ausfahrt Reinach Nord der A18 ist es nur ein kurzes Stück bis ins Zentrum von Arlesheim. Zu linker Hand präsentiert sich das Entwicklungsgebiet Uptown Basel. Hier soll sich mit der Ansiedlung der «Straumann Group» ein Industriehub für Medizinaltechnik etablieren.
Arlesheim, ganz Agglomerationsgemeinde, wird von seinen rund 9400 Bewohnerinnen und Bewohnern immer noch als Dorf bezeichnet. Gemeindepräsident Markus Eigenmann wartet vor der Gemeindeverwaltung, in Sichtweite des Wahrzeichens, der Domkirche.
Arlesheim geht es gut: Das «Dorf» gehört als Teil der Birsstadt zu einem der dynamischsten Entwicklungsgebiete im Kanton und ist eine der steuerstärksten Gemeinden im Kanton Baselland.
Bei der Standortentwicklung leiste der Kanton gute Arbeit, wobei Eigenmann glaubt, dass noch viel Potenzial besteht, weitere Firmen ins Baselbiet zu holen. Als ehemaliger Geschäftsführer des Hightech-KMU Jaquet, das seinen Sitz 2017 von Basel-Stadt nach Pratteln verlegt hat, erfuhr Eigenmann aus nächster Nähe, wie viel es braucht, um als Wirtschaftsstandort attraktiv zu sein – gute Verkehrsanbindungen, Raum zum Wachsen und die Vernetzung in der Branche.
Auch im Steuerbereich habe der Kanton bei der Unternehmenssteuer und der Vermögenssteuer Fortschritte gemacht. Potenzial sieht er noch bei der Einkommenssteuer der natürlichen Personen, wo das Unterbaselbiet laut Eigenmann die direkte Konkurrenz zu den günstigeren Kantonen Solothurn und Aargau spüre: «Wir haben viele, die aufgrund der Steuern in Dornach leben und bei uns einkaufen.»
Die fetten Jahre im Speckgürtel um Basel sind vorbei: Die Unterbaselbieter Gemeinden verzeichnen vermehrt Defizite in ihren Budgets und müssen aufgrund des Bevölkerungswachstums bei gleichzeitiger Überalterung viel Geld sowohl in die Erweiterung des Schulraums als auch in die Altenpflege stecken. «Bei den Budgetverhandlungen überprüfen wir jede Ausgabe minutiös», sagt Eigenmann. Das Bild, dass er im reichen «Arlese» nur den Überfluss verwalten müsse, will er nicht gelten lassen.
Das Geschäftsmodell, gute Steuerzahler mit tiefen Steuern anzulocken, versucht Eigenmann zu relativieren: «In Anbetracht der hohen Lebenshaltungskosten ist das Leben in der Agglomeration nicht günstiger. Zieht man die Kantonssteuer hinzu, sind die unterschiedlichen Steuersätze zwischen Gemeinden im Unter- und Oberbaselbiet im Vergleich zu den Nachbarkantonen gar nicht so hoch.»
Eigenmann setzte sich an vorderster Front mit einer Gemeindeinitiative dafür ein, dass die Gebergemeinden im Unterbaselbiet weniger in den horizontalen Finanzausgleich einzahlen müssen, der jährlich 76 Millionen Franken in die ländlichen Gemeinden im Laufental und ins Oberbaselbiet transferiert.
Er ist und bleibt Unterbaselbieter
Dass er deshalb im Wahlkampf gegen die Sissacher GLP-Kandidatin Sabine Bucher einen Nachteil hat, wie diverse Medien schreiben, relativiert Eigenmann: «Ich muss mich als Arlesheimer in den ländlichen Gemeinden bekannter machen. Sabine Bucher muss dafür im Unterbaselbiet bekannter werden.» Er werde für den Wahlkampf verstärkt im oberen Kantonsteil anzutreffen sein und der Bevölkerung zuhören. Seine Identität als Unterbaselbieter wolle er dabei aber nicht verneinen. In Bezug auf den Finanzausgleich sagt er: «Auch die Nehmergemeinden sind sich bewusst, dass dieser sehr hoch ist.» Die geplante Vorlage sah vor, dass der Kanton einen grossen Teil der Einbussen, die durch die Entlastung der Gebergemeinden entstehen, kompensiert. Aufgrund der knappen Kantonsfinanzen versenkte die Regierung die Vorlage, obwohl die Verhandlungen bereits abgeschlossen waren. Eigenmann ist gespannt, ob der Landrat einen akzeptablen Gegenvorschlag zur Initiative ausarbeiten wird: «Wir sollten dieses Thema hinter uns bringen, damit wir uns wieder über inhaltliche Problemstellungen unterhalten können», sagt er.
Gemeinderäte sind überlastet
Als Kommunalpolitiker ist es dem Arlesheimer wichtig, dass die Gemeinden wieder mehr Handlungsspielraum erhalten. Die regionale Zusammenarbeit, die im Oberbaselbiet zuweilen harzt, könne jedoch nicht die einzige Lösung sein, sagt Eigenmann. Bei den Gemeindepolitikern spüre er die hohe Belastung, die mit dem Bestreben, den Gemeinden mehr Autonomie zu geben, noch weiter wächst: «Um starke Gemeinden zu haben, müssen wir für Entlastung sorgen.» Ein Patentrezept habe er jedoch nicht, so Eigenmann.
Gemeindefusionen sind für ihn ein gangbarer Weg, solange sie von der Bevölkerung gewünscht sind und die Dorfidentität gewahrt bleibt. Für ihn kein Widerspruch: «Im Tessin, wo sich ganze Talschaften zusammengeschlossen haben, hat sich die Dorfkultur verbessert, da die tatkräftigen Bewohnerinnen und Bewohner mehr Zeit für sinnvolles Engagement statt nur fürs Verwalten haben.»
Die Vorlage der Regierung, die für die geplante Fusion von Rünenberg, Kilchberg und Zeglingen aufgegleist wurde, sei ein guter erster Schritt – weitere Anreize seien nötig. Dafür brauche es viel Kommunikation auf Augenhöhe, so Eigenmann. Als möglicher zukünftiger Bildungsdirektor will er den Schulen wieder mehr Autonomie geben. Es sei Fakt, dass die Bedürfnisse einer Schule in der Agglomeration und solche im ländlichen Raum nicht gleich seien. Unter der Wahrung der Qualitätsstandards müsse man den Schulen ermöglichen, Projekte voranzutreiben, die diese auch wollen. Das brauche Vertrauen und den Verzicht auf «Mikromanagement».
Als Vater von vier Kindern, die die Volksschule durchlaufen haben, erlebte er hautnah mit, dass es eine Fokussierung auf die Kernkompetenzen brauche. Damit verfolgt Eigenmann die gleiche Stossrichtung wie auch die anderen Kandidaten: weniger früher Fremdsprachenunterricht, integrative Schule nur da, wo es Sinn ergibt, und mehr Lesen und Rechnen. Er möchte dies nicht als Angriff auf das Französisch per se verstanden wissen: «Ich selbst habe fünf Jahre an der EPFL in Lausanne studiert und in der Westschweiz gelebt.» Besonders am Herzen liegt ihm die Berufsbildung, bei der die Unternehmen die Hauptlast tragen würden. Die Initiative der Wirtschaftskammer Baselland für einen Berufsbildungsfonds, der die Berufsbildner entlasten soll, sieht er als interessanten Ansatz, um die ausbildenden Unternehmen verstärkt zu unterstützen.
Trotz des guten Zeugnisses, das Eigenmann dem Kanton ausstellt, sieht er in vielen Bereichen Handlungsbedarf: «Viele Projekte dauern zu lange.» Seit Jahren wurden zum Beispiel Velovorzugsrouten geplant, konkret entstanden ist bis anhin wenig bis nichts. Das Problem dabei: Erstrecken sich Projekte über einen langen Planungshorizont, dreht sich die Welt unterdessen weiter, bis die alten Planungen obsolet werden, so Eigenmann.
Der 54-jährige Ingenieur betont seine Führungsqualitäten, die er bei grossen Unternehmen wie auch Startups gesammelt habe. Als Oberst im Militär und Mitglied des kantonalen Führungsstabs weiss Eigenmann, dass die Führung einer Verwaltung sich nicht mit jener eines Unternehmens vergleichen lässt. Zu seinem Führungsstil sagt er: «Den passe ich den Gegebenheiten an.» Sind die Herausforderungen gross, müsse man die Zügel auch einmal anziehen und dürfe sich nicht vor Entscheidungen scheuen. Wichtig sei es, Projekte zu priorisieren und diese konsequent voranzutreiben, sonst «läuft man Gefahr, dass zu viel angerissen wird und schlussendlich liegen bleibt».
Goldener Prestigebau
Auf den neuen goldenen Gemeindesaal Setzwerk in Arlesheim ist Eigenmann besonders stolz. Nach Jahrzehnten mit verworfenen Projekten gelang es unter seiner Führung, den 17-Millionen-Bau zu realisieren. Neben Gemeindeanlässen dient der gut ausgestattete Saal für Kulturveranstaltungen und beherbergt einen Teil der Verwaltung. «Bis Ende 2026 ist das ‹Setzwerk› an den Wochenenden ausgebucht», sagt Eigenmann und gibt zu bedenken, dass sich der hohe Preis durch das jahrzehntelange Ausbleiben von Investitionen rechtfertige.
Sorgen bereiten Eigenmann, der seine Region Birsstadt als Scharnier zwischen Stadt und Land verstanden wissen will, die Beziehungen der beiden Basel. In vielen Bereichen wie der Spitalplanung ergebe es einfach keinen Sinn, ohne Basel-Stadt zu planen, so Eigenmann: «Denkt man bei strategischen Planungen als ganze Region, kann man die Zentrumsfunktion der Stadt Basel nicht ausklammern.» Aus seinem Umfeld höre er, dass die atmosphärische Verstimmung zwischen den Nachbarkantonen die gemeinsame Planung negativ beeinflusse.
Sein politisches Profil unterscheidet sich unwesentlich von jenem der grünliberalen Sabine Bucher. Ob das reicht, um die bürgerlichen Wählerinnen und Wähler zu mobilisieren, dürfte von Eigenmanns Sichtbarkeit im Wahlkampf abhängen.