Verteidigung fordert Freispruch
11.09.2025 BaselbietJugendpfarrer soll Nacktfotos von Konfirmandinnen «erschlichen» haben
Während die beiden jungen Frauen vor dem Strafgericht mehrfach um Fassung rangen, bestritt der angeklagte ehemalige Jugendpfarrer den Tathergang. Er habe die Nacktfotos lediglich an Ratsuchende ...
Jugendpfarrer soll Nacktfotos von Konfirmandinnen «erschlichen» haben
Während die beiden jungen Frauen vor dem Strafgericht mehrfach um Fassung rangen, bestritt der angeklagte ehemalige Jugendpfarrer den Tathergang. Er habe die Nacktfotos lediglich an Ratsuchende weitergeleitet und nicht selber angeschaut.
Thomas Immoos
Der Angeklagte war zerknirscht und zeigte sich reuig. Während des ganzen Prozesstags sass er in gebückter Haltung vor den Richtern am Strafgericht in Muttenz. Zur Last gelegt werden dem früheren Jugendpfarrer sexuelle Handlungen mit Minderjährigen, die er während seiner Tätigkeit im Oberbaselbiet ausgeübt haben soll. Die Taten liegen mehr als zehn Jahre zurück.
Damals – 2013 bis 2015 – hat der Pfarrer zwei Konfirmandinnen erst für das Blaue Kreuz zu Testkäufen von Alkohol und Zigaretten motiviert. Schon bald überzeugte er Cleo * und Nadja * jedoch, SMS-Beratungsgespräche mit Jugendlichen zu führen, um ihnen bei Problemen aller Art zu helfen. Dafür erhielten sie 10 Franken pro Stunde. Für erfolgreiche Gespräche gab es einen finanziellen Zustupf. Bei den SMS-Beratungen kamen auch das Aussehen und sexuelle Themen zur Sprache. Eine Sarah schickte Nacktfotos und ermunterte die beiden jungen Beraterinnen, von sich ebenfalls solche Fotos zu schicken.
Hinter Sarah und anderen ähnlichen Anfragen steckte der Pfarrer selber, was die Mädchen nicht wussten. Und so schickten sie guten Glaubens Bilder von ihren Geschlechtsteilen und von ihren nackten Oberkörpern. Auch der Bitte Sarahs, Bilder von Selbstbefriedigung zu schicken, kamen sie nach, stets im Glauben, es mit gleichaltrigen weiblichen Jugendlichen zu tun zu haben. Damals, und mehrere Jahre danach, schöpften sie keinen Verdacht. Erst nach Gesprächen mit ihrem Freund wurde Cleo bewusst, dass das Geschehen jener Jahre nicht in Ordnung war. Nach Kontaktaufnahme mit Nadja erstatteten die jungen Frauen vor rund zwei Jahren Anzeige gegen den damaligen Jugendpfarrer, der nun vor dem Dreiergericht sitzt.
Traumatisierte Opfer
Während er befragt wurde, sassen die Opfer in einem separaten Raum, um die Verhandlung mitzuverfolgen. Bei ihrer Befragung sass der Angeklagte in jenem Raum, um die Aussagen der beiden Frauen mitzuverfolgen. Nach der Anzeige war der Angeklagte geständig; vor Gericht spielte er das Geschehen allerdings herunter. Er habe lediglich Bilder der Ratsuchenden, teils zeitversetzt, an die Beraterinnen weitergeleitet, die Bilder aber selber nie angeschaut. Unklar dabei blieb, ob dies technisch überhaupt möglich ist. Die Frauen rangen während der Befragung vor Gericht mehrmals um Fassung und kämpften mit den Tränen. Die weit zurückliegenden Taten des Pfarrers wirken bis heute nach, wie sie übereinstimmend sagten.
Der Beschuldigte bestritt im weiteren, dass Cleo und Nadja zu jenem Zeitpunkt noch minderjährig gewesen seien. Sie seien, so sein Anwalt, über 16-jährig gewesen, womit der Anklagepunkt «sexuelle Handlungen mit Minderjährigen» entfalle. Diese Tatsache mochte die Staatsanwältin jedoch nicht gelten lassen; es handle sich um Schutzbehauptungen. Der Angeklagte sei zu einer bedingten Freiheitsstrafe von 16 Monaten zu verurteilen; auch sei ein Berufsverbot auszusprechen.
Der Anwalt das Angeklagten übte scharfe Kritik an der Staatsanwaltschaft. Sie habe Akten des Falls an die zuständige Kirchgemeinde weitergeleitet, was zur Freistellung des Angeklagten geführt habe. «Dies ist Rufmord.» Die Publizität des Verfahrens habe für seinen Mandanten schwerwiegendere Konsequenzen als jede vom Gericht verhängte Strafe. Der Angeklagte sei freizusprechen. Zudem soll ihm für das geschehene Unrecht eine Genugtuung von 30 000 Franken zugesprochen werden.
In seinem Schlusswort sagte der Angeklagte: «Es tut mir leid, das Vertrauen von Cleo und Nadja missbraucht zu haben.» Nachdem das Verfahren gegen ihn eröffnet worden sei, habe sich sein Leben sehr verändert. Er werde nicht mehr in seinen Beruf zurückkehren. Ausserdem habe er einen Herzinfarkt erlitten und leide noch immer an Depressionen. Das Urteil soll heute Donnerstag gesprochen werden.
* Namen geändert