Unterstützung muss warten
16.10.2025 BaselbietWird die Freiwilligenarbeit in der Palliative Care gestärkt?
Der Bedarf an Begleitung für unheilbar kranke Menschen wird in den nächsten Jahren stark wachsen. Die Politik fasst eine bessere Förderung der Freiwilligenarbeit in der Palliativpflege ins Auge.
...Wird die Freiwilligenarbeit in der Palliative Care gestärkt?
Der Bedarf an Begleitung für unheilbar kranke Menschen wird in den nächsten Jahren stark wachsen. Die Politik fasst eine bessere Förderung der Freiwilligenarbeit in der Palliativpflege ins Auge.
Janis Erne
Sei es im Altersheim oder zu Hause: Wie wird im Baselbiet mit Menschen umgegangen, die am Lebensende besondere Betreuung benötigen? Mit dieser Frage hat sich unlängst die landrätliche Volkswirtschafts- und Gesundheitskommission (VGK) befasst. Zwei diese Woche veröffentlichte VGK-Berichte zeigen: Die Bedeutung von Palliative Care wird zwar anerkannt, neue Massnahmen lehnt die Politik aber vorerst ab.
Anlass der Beratungen waren zwei Postulate. Einerseits verlangte die Binninger SP-Landrätin Simone Abt, zu prüfen, ob Alters- und Pflegeheime künftig über eine spezielle Palliative-Care-Zertifizierung verfügen müssen, um mit einer Versorgungsregion eine Leistungsvereinbarung abschliessen zu können. Andererseits regten die Fraktionen SP, Grüne/EVP, GLP und «Mitte» an, das Projekt «Begleiten Palliative Care» des Schweizerischen Roten Kreuzes (SRK) Baselland zu stärken. Dieses Projekt vermittelt Unterstützung durch Freiwillige für schwerkranke Menschen und ihre Angehörigen.
Zur Zertifizierung: Heute verfügen nur sehr wenige Alters- und Pflegeheime über das spezielle Label «Qualität in Palliative Care». Der Regierungsrat kam dennoch zum Schluss, dass die bestehenden Qualitätsvorgaben im Bereich der Palliative Care genügend seien. Jedes Heim müsse bereits heute über ein Konzept verfügen, das ein würdevolles Sterben sicherstellt, religiöse Bedürfnisse berücksichtigt und klare Regeln für die Beihilfe zum Suizid enthält.
Heime sind gegen neues Label
Laut der Regierung würde eine zusätzliche Zertifizierung nur Kosten und Bürokratie verursachen, ohne den Patientinnen und Patienten einen erkennbaren Mehrwert zu bringen. Bei einer Umfrage unter 18 der 32 Baselbieter Pflegeheime sprachen sich 16 gegen eine neue Zertifizierungspflicht im Bereich der Palliative Care aus.
Der finanzielle Aufwand wäre beträchtlich: rund 650 Franken pro Bett. Das entspräche insgesamt mehr als 2 Millionen Franken pro Prüfzyklus und müsste von den Gemeinden getragen werden. Die VGK folgte deshalb der Argumentation der Regierung einstimmig und schrieb das Postulat ab.
Etwas mehr Diskussionsstoff bot das zweite Geschäft. Das Programm «Begleiten Palliative Care» des SRK Baselland vermittelt freiwillige Helferinnen und Helfer, die unheilbar kranke Menschen und ihre Angehörigen unterstützen. 2023 wurden 44 Begleitungen mit rund 1400 Freiwilligenstunden vermittelt, doch die Nachfrage steigt, und das SRK Baselland schreibt in diesem Bereich Verluste. Mehrere Landratsfraktionen (SP, Grüne/EVP, GLP und «Mitte») forderten daher, der Kanton solle das Angebot finanziell absichern.
Auch hier zeigte sich die Regierung zurückhaltend. Es gebe zwar eine Leistungsvereinbarung mit dem Verein «palliative bs + bl», der etwa «Letzte-Hilfe-Kurse» anbietet und Öffentlichkeitsarbeit betreibt und dafür jährlich 27 000 Franken vom Kanton erhält. Eine direkte Förderung der Freiwilligenarbeit sei aber bisher nicht Teil der kantonalen Strategie. Eine kurzfristige Unterstützung des SRK Baselland sei rechtlich nicht möglich, da die Grundlagen dafür fehlten und der Umfang der Leistungen unklar sei.
Die Gesundheitspolitiker des Landrats sahen dies anders: Angesichts der alternden Bevölkerung sei der Bedarf an Begleitung am Lebensende offensichtlich, heisst es im VGK-Bericht. In 20 Jahren werde sich die Zahl der über 80-Jährigen im Baselbiet verdoppeln, zwei Drittel von ihnen würden palliative Unterstützung brauchen.
Dennoch sah die VGK keinen unmittelbaren Handlungsspielraum. Eine Überprüfung der kantonalen Strategie und die mögliche Einbindung der Freiwilligenarbeit in der Palliative Care sollen jedoch im Rahmen der neuen Leistungsvereinbarungen ab 2028 erfolgen.