Unausgesprochen deutlich
06.05.2025 PersönlichAls ich nach Feierabend nach Hause komme, stehen sie im Garten, gleich über der kleinen Böschung: leuchtend grün, prall gefüllt und schwer zu tragen. Zwei grosse Säcke mit ausgerissenem Unkraut. Sie stehen da als nicht ausgesprochene und doch unmissverständliche ...
Als ich nach Feierabend nach Hause komme, stehen sie im Garten, gleich über der kleinen Böschung: leuchtend grün, prall gefüllt und schwer zu tragen. Zwei grosse Säcke mit ausgerissenem Unkraut. Sie stehen da als nicht ausgesprochene und doch unmissverständliche Mitteilung: «Hier wurde gearbeitet – und du musst das entsorgen.» Die Gartenabfall-Behälter sind nah an der Strasse aufgestellt, damit nicht nur ich, sondern alle Passanten und das ganze Quartier gute Sicht haben. Sie sind ein Wink mit dem Zaunpfahl. Und nicht der erste, seit wir in einem Haus mit Garten wohnen.
Zu einem Geburtstag habe ich einen Gutschein für «ein paar Stunden Gartenarbeit» erhalten. Es folgten ein paar kleinere Gerätschaften wie «Häckerli» und Ähnliches inklusive Hinweis, für welche Arbeiten man die Werkzeuge besonders gut einsetzen könne. Ich hatte schon verstanden. Und doch musste es noch deutlicher werden: Ich erhielt eine alte Sitzunterlage mit FCB-Logo.
Sie stammt aus der Zeit, als der FC Basel wegen des Umbaus seines «Joggeli» auf der Schützenmatte auflief, und hat zahlreiche emotionale Höhe- und Tiefpunkte erlebt. Christian Gross! Sascha Rytschkow! Jean-Michel Tchouga! George Koumantarakis! 7:4 gegen Luzern! Immer war sie dabei, um jemandem auf den kalten und harten Stufen der Schützenmatte etwas Linderung zu verschaffen. Als der Klub ins neue «Joggeli» mit seinen bequemen Klappsitzen – O tempora, o mores! – umzog, hatte die rot-blau gestreifte Schaumstoff-Unterlage ihren Nutzen verloren und wurde brutal zu einer Knie-Unterlage bei der Gartenarbeit umfunktioniert. Was für eine Erniedrigung! Bestimmte Gefühle erlebt der Mensch zwar auch auf allen Vieren beim Reinigen der Spalten zwischen den Sitzplatz-Platten, aber emotionale Höhenflüge – 7:4!!! Zubi, Koumantarakis, Goal! – wären wohl etwas anderes.
Item. Spätestens seit ich diese maximal erniedrigte, aber langlebige FCB-Sitzunterlage als Geburtstagsgeschenk erhalten habe, dröhnt die unausgesprochene Aufforderung regelmässig durch meinen Kopf: «Geh auf die Knie! Und jäte!»
Die Familie spricht das nicht aus. Sie meint es ja gut mit uns. Es heisst nicht: «Euer Garten sieht wieder sehr schlecht aus. Mach was!» Es heisst: «Für die Büsche dürftet ihr auch den Gärtner beauftragen. Ihr habt ja keine Zeit.» Die Message ist dieselbe. Es wird gar so subtil «gearbeitet», dass sich gewisse Verwandte beim Besuch still und heimlich in den Garten begeben und eben mal ein paar Sachen ausreissen – «Springgras!» – oder dem blühenden Bärlauch die Köpfe abschneiden. «Das hast du sonst überall!»
Und genau so sind die eingangs erwähnten Säcke vergangene Woche entstanden. Während ich auf der Redaktion arbeitete, waren die Schwiegereltern bei meiner Familie zu Besuch. Das war mir sofort klar, als ich nach Hause kam. Die Grüngut-Behälter sind mittlerweile brav entsorgt und damit wieder leer. Unkraut hat es immer noch. Werkzeug ist vorhanden. Besuch ist also jederzeit willkommen.
Sebastian Wirz, Sportredaktor «Volksstimme»