Uhrenindustrie-Aufbau geschah auch aus Not
11.09.2025 NiederdorfIndustriemuseum Waldenburgertal gibt Einblick in die wirtschaftliche Entwicklung
Das Industriemuseum bietet einen wirtschaftlichen Streifzug durch die letzten 150 Jahre des Waldenburgertals. Im Zentrum steht die Ansiedlung der Uhrenindustrie mit all ihren Zulieferern und Auswirkungen auf ...
Industriemuseum Waldenburgertal gibt Einblick in die wirtschaftliche Entwicklung
Das Industriemuseum bietet einen wirtschaftlichen Streifzug durch die letzten 150 Jahre des Waldenburgertals. Im Zentrum steht die Ansiedlung der Uhrenindustrie mit all ihren Zulieferern und Auswirkungen auf umliegende Gemeinden. Im Museum steht eine kleine Uhrmacherwerkstätte.
André Frauchiger
Das Industriemuseum Waldenburgertal wurde 1996 eröffnet. Es befindet sich an der Kilchmattstrasse 2a in Niederdorf in einem früheren Expo64-Pavillon beim Schulhausplatz, direkt hinter der dortigen Mehrzweckhalle. Getragen wird es von der Stiftung Industriemuseum Waldenburgertal und vom Verein imw-forum. Das Museum steht den Besucherinnen und Besuchern der «RegiOnal» offen. Während in den Hallen und im Aussenbereich die aktuelle regionale Wirtschaft kennengelernt werden kann, bietet das Industriemuseum einen Einblick in (längst) vergangene Zeiten – von 1850 bis in die 2000er-Jahre. Doch was zeichnete die Industrie im WB-Tal eigentlich aus?
Der Historiker Rémy Suter aus Ziefen weiss darüber sehr viel zu erzählen. Zusammen mit der Niederdörfer Gemeinderätin und Stiftungsratspräsidentin Helene Koch führt er die «Volksstimme» durch das Museum, das einen interessanten Überblick über die wirtschaftliche Entwicklung des Waldenburgertals – mit Worten, Bildern und Originalgegenständen – gibt.
Drei Ausstellungsräume
Das Museum im Pavillon besteht aus drei nebeneinanderliegenden Räumlichkeiten, wobei ein Raum für kulturhistorische Ausstellungen reserviert ist. Bis zum 14. September gibt es noch die Sonderausstellung zum Thema «WB – einisch bis hüt» zu sehen, mit alten Dampflokomotiven des «Waldenburgerlis» bis zu den heutigen, modernen und schnellen Trams auf den neuen Schienen der Strecke zwischen Liestal und Waldenburg.
Das Industriemuseum betreibt kulturhistorische Heimatkunde am Objekt, die Tal-Geschichte wird den Besucherinnen und Besuchern auf diese Weise praxisorientiert vermittelt. Im «Tal», von Hölstein bis Waldenburg, siedelte sich in den letzten 150 Jahren Industrie und Gewerbe an, ausgelöst insbesondere durch die Uhrenindustrie in Waldenburg. Und als Folge davon und als Ergänzung entwickelte sich Langenbruck zum Kurort.
Im Jahr 1756 war auch im Waldenburgertal die Posamenterei stark verbreitet. Es folgten die ersten Bandfabriken, zum Beispiel in Niederdorf. Später zogen Feinmechanik-Betriebe und eine Uhrenfabrik in die Gebäude der Webereien. Uhrenfabriken gab es also nicht nur in Waldenburg, sondern auch in den Nachbardörfern, zum Beispiel die Buser & Co. Uhrenfabrik «Nidor» in Niederdorf. Heute besteht noch die weltweit bekannte Uhrenmarke Oris mit Fabrik in Hölstein.
Keine Einnahmen mehr
Der Passverkehr über den Oberen Hauenstein und die damit verbundenen Gäste waren während Jahrhunderten die Haupteinnahmequelle von Waldenburg. Das Aufkommen der Eisenbahn in den 1840er-Jahren liess erahnen, dass damit bald Schluss sein könnte und somit die vielen davon abhängigen Gewerbe in Not geraten würden.
1853 wagten deshalb die Gemeindebehörden von Waldenburg, mit der Gründung der Société d’Horlogerie à Waldenbourg die Uhrenfabrikation ins Tal zu holen – dies in der Startphase allerdings ohne grossen wirtschaftlichen Erfolg. 1859 unterbanden die Oberbehörden in Liestal deshalb die Bemühungen des Städtchens Waldenburg für den Betrieb der gemeindeeigenen Uhrenfabrikation, worauf der Waldenburger Industrielle Gedeon Thommen zuerst mit seinem Partner Louis Tschopp als privater Unternehmer und später allein die Uhrenproduktion übernahm. Denn auch er war von der Idee der Uhrenherstellung für die wirtschaftliche Zukunft überzeugt.
Es folgten im Laufe der Jahrzehnte wegweisende Innovationen und Entwicklungen in der Uhrenfabrikation – neben dem Waldenburgertal auch in Langenbruck und im Fünflibertal bis nach Reigoldswil.
Uhren und Feinmechanik
Es wurden in den Dörfern wie betont Feinmechanik-Fabriken gegründet, als Zulieferer der Uhrenindustrie. Auch die ab 1974 dazukommende, hoch spezialisierte Medizinaltechnik mit der Herstellung von unter anderem Zahnimplantaten wurde ein Teil dieser gewerblich-industriellen Entwicklung. Die Feinmechanik-Entwicklung hat sich bis heute rasant fortgesetzt – bis zu hochmodernen, digitalen CNC-Maschinen. Historiker Remy Suter erinnert daran: «Viele dieser Ideen wurden aus wirtschaftlicher Not umgesetzt.» Im Industriemuseum sind unter anderem Autobiografien, Tagebuchaufzeichnungen, spezielle grosse und kleine Werkzeuge und Gerätschaften für die Uhrenherstellung und für Feinmechanik-Bestandteile, Fotos und Bücher, Zeitzeugenberichte, aussagekräftige Briefe, ein kostenloses Archiv und vieles mehr im Zusammenhang mit der industriellen Entwicklung des Waldenburgertals zu besichtigen. Zum Teil handelt es sich um Besitz des Industriemuseums, zum Teil um Leihgaben.
Erfolgreiches «Waldenburgerli»
Mit der wirtschaftlichen Entwicklung des Waldenburgertals ist die Waldenburgerbahn stark verbunden. Der Personenverkehr mit den Dampflokomotiven wurde am 1. November 1880 aufgenommen, der Güterverkehr folgte am 17. Januar 1881. Bereits in den ersten zwei Monaten nach Betriebsbeginn konnte ein Erfolg verzeichnet werden: Die Betriebseinnahmen übertrafen die Erwartungen – es wurden 12 222 Personen befördert. Zum Vergleich: Zuvor waren es mit der Postkutsche nur 750 Personen. Der Siegeszug der WB hat sich auch in neuester Zeit fortgesetzt: Die neu gebaute Bahn mit neuem Rollmaterial vermochte im vergangenen Jahr ihre Passagierzahlen zu steigern, nämlich um 42 Prozent auf 2,4 Millionen Menschen.
Fazit: Der Besuch des Industriemuseums ist sehr zu empfehlen. Fritz Sutter, Gemeindepräsident von Reigoldswil, sagte gemäss dem Niederdörfer Heimatkundebuch von 2020 über das Industriemuseum: «Jede Geschichte aus der Sicht von Zeitzeugen ist bedeutend, denn dadurch kann Vergangenes persönlich und lebendig gemacht werden.»
Das Industriemuseum Waldenburgertal hat an der «RegiOnal» in Niederdorf zeitgleich wie die Gewerbeausstellung geöffnet, mit Finissage der Sonderausstellung «WB – einisch bis hüt» am Sonntag, 14. September, von 10 bis 11 Uhr, mit musikalischer Begleitung durch die Dixielandband Steppin’ Stompers.