Stricken, Weben und Hüten
25.07.2025 BaselbietChrista Dettwiler
So nach und nach kommt der Regen. Wenn das Bächlein neben meinem Häuschen zu rauschen beginnt und die drei Seelein im Garten füllt, weiss ich, dass es Winter wird. Obwohl – Winterbeginn im Mai … Ich kann mich einfach nicht an ...
Christa Dettwiler
So nach und nach kommt der Regen. Wenn das Bächlein neben meinem Häuschen zu rauschen beginnt und die drei Seelein im Garten füllt, weiss ich, dass es Winter wird. Obwohl – Winterbeginn im Mai … Ich kann mich einfach nicht an die umgekehrten Jahreszeiten gewöhnen. In meinem Kopf geraten sie ständig durcheinander.
Zwar berichten die Einheimischen, es regne viel weniger als früher, doch gibt es zwischen Mai und September noch immer reichlich Wasser von oben. Der Boden kann erstaunlich viel Wasser absorbieren und speichern. Dass er so durchlässig und feinkrümelig ist, verdanken wir vor allem den letzten Vulkanausbrüchen.
Winter heisst auch, das Leben verlagert sich mehr und mehr nach innen, an den warmen Ofen. Wir haben gut gearbeitet im herrlichen Altweibersommer und um die neun Ster Brennholz eingelagert. Ich habe mich über den Sommer an den Märkten und im Spirituosenladen in Futrono, der auch Strickwolle verkauft, mit ausreichend Material eingedeckt, damit mir an den langen Regentagen nicht langweilig wird.
Bei Debora, die mit ihrem Mann German hier ganz in der Nähe den «Parque El Encanto Familiar» betreibt – ein beliebtes Ausflugsziel für Familien, mit allerlei einheimischen Tieren, die gefüttert und gestreichelt werden dürfen –, habe ich gleich die ganze Alpaca-Wolle eingekauft. Die meisten Frauen hier auf dem Campo können rohe Wolle verarbeiten. Gesponnen wird sie meist mit einem einfachen Stab, gefärbt, wenn überhaupt, mit natürlichen Mitteln. Und sie ist unglaublich preisgünstig.
Stricken und Weben haben hier eine grosse Tradition. Auch ich habe mir einen Webrahmen gebastelt. Einen einfachen mit massenhaft Nägeln, um die Fäden zu spannen. Für die Weberschiffchen habe ich Lärchenschindeln zugeschnitten. Zurzeit habe ich einen Poncho (hier heisst das praktische Kleidungsstück «Chamanto») für unseren Zwerg in Arbeit. Dazu verwebe ich Alpaca- und Merinowolle. Vielleicht wird aus ihm dereinst ein «Huaso», ein Reiterhirte, die mit ihren flachen Strohhüten, gewebten Decken und ledernen Beinschonern auf ihren Pferden sehr elegant daherkommen.
Vor allem Mapuche-Frauen sind wahre Meisterinnen am Webrahmen. Farben und Muster haben alle ihre Bedeutung. Und ihre gewebten Kunstwerke erzählen die Geschichte und Geschichten ihres Volkes. Ich begnüge mich damit, das Schiffchen hin und her zu schieben und darauf zu hoffen, dass es schon gut kommt.
Jetzt hat mir Yvonne eben den Chnöpperli vorbeigebracht – fertig mit Schreiben. Sie will den ausnahmsweise sonnigen Tag nutzen, um das Knoblauchbeet anzulegen. Arturo kann man keinen Moment aus den Augen lassen, er ist auf allen vieren blitzschnell unterwegs, zieht sich an allem hoch, steckt sich alles in den Mund und scheint überzeugt zu sein, mit sieben Monaten schon laufen zu können.
Die Journalistin Christa Dettwiler ist 2022 gemeinsam mit ihrem Sohn und dessen Ehefrau von Rünenberg nach Chile ausgewandert. Sie erzählt regelmässig von ihrem Alltag.