Statt Blut vergossen Wein getrunken

  02.05.2025 Region

Basel und die Landschaft im Bauernkriegsjahr 1525 (Teil 1 von 2)

Am 3. Mai 1525, also morgen Samstag vor 500 Jahren, rotteten sich in Liestal Bauern zusammen und zogen bewaffnet vor Basels Tore. Kurz zuvor waren die Klöster Schönthal und Olsberg geplündert worden. Verlangt wurde nicht zuletzt die Abschaffung der Leibeigenschaft.

Martin Stohler

1525 ging einiges drunter und drüber. An verschiedenen Orten in Süddeutschland und im Elsass strömten Bauern zusammen, um ihrem Unmut über die steigenden Abgaben Luft zu machen und Abhilfe zu verlangen. Einer dieser Orte war das oberschwäbische Städtchen Memmingen. Hier trafen sich wiederholt Delegierte verschiedener Bauernrotten, hier gaben sich die Bauern eine Bundesordnung, hier entstand in den ersten Märztagen auch ein Forderungskatalog von 12 Artikeln.

Artikel 1 postuliert das Recht der Gemeinde, den Pfarrer zu wählen. Artikel 2 regelt dessen Besoldung mit dem grossen Zehnten; ein allfälliger Überschuss soll für die Armen verwendet werden. Artikel 3 verlangt die Abschaffung der «unchristlichen Leibeigenschaft». Es folgen Artikel zur Nutzung von Wiesen und Wäldern, zur Abschaffung von Abgaben und Frondiensten. Beachtenswert Artikel 12: «Erweist sich einer der Artikel als dem Wort Gottes nicht gemäss, soll er ungültig sein.»

Die 12 Artikel fanden dank zahlreicher Drucke grosse Verbreitung und wirkten weit über den regionalen Rahmen hinaus. Auch auf der Basler Landschaft wusste man um sie. Laut einer anonymen Chronik soll sie der Leutpriester (Pfarrer) von Buus ins Baselbiet gebracht haben.

Klöster und Schlösser verbrannt
Einzelne Bauernhaufen beschränkten sich nicht darauf, Forderungen zu stellen. Um ihnen Nachdruck zu verleihen, schritten sie gelegentlich auch zur Tat. Ein zeitgenössischer Einblattdruck zählt 23 Klöster und 26 Schlösser auf, «so die Schwarzweldischen Pawren verprennt und geplündert haben». Dazu heisst es: «Das ist alles vor dem April geschehen.» Eine zweite Liste nennt ferner Klöster und Schlösser, die in Franken geplündert und angezündet worden waren.

Klöster wurden aus mehreren Gründen Ziel von Saubannerzügen. Zum einen übten Klöster auch grundherrliche Funktionen aus und waren wegen der erhobenen Abgaben den Bauern ein Dorn im Auge. Zum anderen verfügten sie über Weinkeller, die man leeren, und Karpfenteiche, die man ausfischen konnte … Zudem wurden gerade damals Sinn und Zweck der Klöster von reformierter Seite infrage gestellt.

Falsches Timing
Der Basler Regierung blieb nicht verborgen, dass es auch bei ihren Untertanen auf der Landschaft gärte. Am 29. April 1525 erliess sie daher durch die Landvögte die Weisung, es sollen auf Mittwoch, den 3. Mai, von jedem Dorf zwei Geschworene und zwei ehrbare Männer von der Gemeinde nach Sissach kommen. Dort würde dann eine Delegation der Regierung ihre Beschwerden entgegennehmen und sie so gnädig bedenken, «dass es zu keinen Widerwertigkeiten» kommen solle.

Der Versuch der Basler Regierung, so die Kontrolle zu behalten, erfolgte allerdings zu spät. Noch vor dem Sissacher Tag kam es am 1. Mai zur Plünderung der Klöster Schönthal und Olsberg.

An der Aktion im Kloster Schönthal waren sicher leibeigene Bennwiler beteiligt. Da das Kloster neben dem Waldenburger- auch im Reigoldswilertal und in den Bergdörfern Güter besass, dürfte es bei der Plünderung auch Mitläufer aus Arboldswil, Titterten und Lauwil gegeben haben.

Die Plünderung des Zisterzienserinnenklosters Olsberg ist dank Gerichtsakten recht gut dokumentiert. Die Bauern der Umgebung, zu denen auch eine Schar Liestaler gestossen war, tranken den Klosterwein, fischten die Teiche leer und warfen den Hahn vom Türmchen.

Auf dem Heimweg von Olsberg kamen die beteiligten Liestaler überein, zu Hause fortzuführen, was sie in Olsberg begonnen hatten, und sich über den Wein der Domherren im Liestaler Pfrundkeller herzumachen. Ihnen schlossen sich weitere durstige Kehlen an. Insgesamt wurden bei dieser Aktion an die 13 Saum – also annähernd 1900 Liter – Domherrenwein getrunken. Unterdessen strömten immer mehr Bauern, zumeist aus dem Liestaler und Farnsburger Amt, nach Liestal.

Volksversammlungen in Liestal
Am 2. Mai dann beriefen die Unzufriedenen in Liestal eine Volksversammlung ein. Dort brachten Schultheiss Brötlin und der reformatorisch gesinnte Ex-Priester Stephan Stör zunächst ihre Bedenken gegen das provokative Vorgehen vor (auf Stephan Stör kommen wir in einem späteren Artikel zurück). Anschliessend wählte die Versammlung Heine Soder, der dem Liestaler Rat angehörte, zum Sprecher. Soder zeigte auf, wo die Leute der Schuh drückte, und beklagte Zölle und Abgaben. Er wies auch darauf hin, dass die Bürger von den Zünften fast noch mehr beschwert seien. Daher rate er, den Zünften in einer Botschaft vorzuschlagen, die Beschwerden gemeinsam bei den gnädigen Herren vorzubringen.

Die Versammlung fasste keine formellen Beschlüsse. Ohne weitere Absprache schrieb Stephan Stör anschliessend einen Brief an die Basler Handwerker, in welchem er ihnen ein gemeinsames Vorgehen vorschlug. Der Brief gelangte aber mehr oder weniger direkt in die Hände der Basler Regierung und zeitigte gegenteilige Wirkung.

In den Abendstunden des 2. Mai trafen nicht nur die Basler Gesandten in Liestal ein, die nach Sissach unterwegs waren, sondern immer mehr Bauern aus den verschiedenen Dörfern. Diese waren dazu aufgerufen worden, nicht nach Sissach zu gehen, sondern bewaffnet in Liestal zu erscheinen. Worin die Bewaffnung bestand, bleibt allerdings unklar.

Am Morgen des 3. Mai wurde in Liestal erneut eine Volksversammlung einberufen. Die Versammelten bildeten vor dem oberen Tor einen Kreis, in der Mitte standen die, welche zum Volk reden sollten. Als die Basler Gesandten das Wort ergreifen wollten, wies man sie zurück. Stephan Stör redete der Menge wieder ins Gewissen: Die Israeliten unter Ägyptens Pharao hätten nicht die Waffen erhoben, sondern zu Gott um Hilfe gerufen. Stör riet dazu, die Beschwerden in Artikel zu fassen.

Auch Heine Soder sprach wieder zur Menge. Er schlug einen scharfen Ton an: «Unsere Herren haben uns den Mantel, den Rock, das Wams, das Hemli genommen und die Haut abgezogen, und auch das Mark haben sie uns aus den Knochen gesogen!»

Verschlossene Stadttore
Fast schien es, als seien Ausschüsse gebildet worden, die die Beschwerden formulieren und übergeben sollten – da lief plötzlich ein Ausrufer mit einer Trommel durch die Gassen und forderte alle auf, gemäss dem geschworenen Eid bewaffnet zum Stadttor hinaus und nach Basel zu marschieren. Unterwegs suchte die Bauernschar die kleinen Beginenklöster Schauenburg, Engenthal und zum Roten Haus im heutigen Gebiet Schweizerhalle heim und assen und tranken, was vorhanden war.

Als der Zug am späteren Nachmittag beim Aeschentor ankam, waren die Tore zu und die Mauern besetzt. Für einen Sturm auf die Stadt waren die Bauern nicht gerüstet, das scheint auch nie der Plan gewesen zu sein.

Nachdem eine Delegation aus Solothurn, die wegen anderer Geschäfte nach Basel gekommen war, ihnen zugeredet hatte und die Basler ihnen auch gegen Bezahlung keinen Wein und keine Esswaren liefern wollten, gingen die Bauern, um die 1600 an Zahl, nach Muttenz und Münchenstein. Am nächsten Morgen, dem 4. Mai, forderte die Basler Regierung die Bauern auf, einen Verhandlungsausschuss zu bilden und in ihre Dörfer heimzukehren. Die Bauern zogen sich vorerst aber nur nach Liestal zurück, blieben beisammen und hielten an ihrem Schwur fest.

Amnestie und Freiheitsbriefe
Am 8. Mai trafen die eidgenössischen Vermittler in Liestal ein. Inzwischen hatte sich ein Ausschuss gebildet und die Bauern kehrten in ihre Dörfer zurück.

Die Beschwerden der Bauern wurden vom Ausschuss ämterweise in eigene Artikel gefasst. Forderungen der verschiedenen Ämter wichen in manchen Stücken voneinander ab. Am stärksten angelehnt an die 12 Artikel der schwäbischen Bauern waren die 17 Artikel des Amtes Farnsburg. In der Regel waren die Beschwerden sehr konkret und materieller Art. Gefordert wurde die Abschaffung verschiedener Abgaben und Zölle. Ein grosser Stein des Anstosses war das städtische Salzmonopol. Dieses zwang die Bauern, ihr Salz zu einem von der Stadt diktierten Preis zu kaufen.

Die eidgenössischen Vermittler kamen den Bauern nicht in allem entgegen, es scheint aber, dass diese mit den Vorschlägen im Grossen und Ganzen zufrieden waren. Die Basler Regierung ihrerseits ging nicht auf alle Vorschläge ein, kam in einigem aber den Bauern entgegen. Ein strittiger Punkt war lange die Forderung nach einer allgemeinen Amnestie.

Am 29. Mai schliesslich kamen die Verhandlungen zwischen dem Ausschuss und der Basler Regierung zum Abschluss. Die Amnestie wurde akzeptiert. Ausgenommen davon blieben der Briefschreiber Stephan Stör und der namentlich nicht bekannte Trommler, der zum Zug gegen Basel aufgerufen hatte.

Nach einem Imbiss versammelte sich die ganze Gemeinde Liestal, schwor der Obrigkeit aufs Neue den Treueeid und hob den Schwur vom 3. Mai auf. Zum Dank für die gute Gesinnung schenkten die Basler den Liestalern einen Saum Wein (150 Liter) zum Vertrinken. In den nächsten Tagen taten die übrigen Ämter es den Liestalern gleich und erhielten ebenfalls ihre spezifischen Freiheitsbriefe.

Postskriptum aus dem Jahr 1532: Unter dem Druck der geänderten Umstände mussten alle Ämter ihre Freiheitsbriefe an die Regierung zurückgeben. (Fortsetzung folgt.)


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