In der Sommerpause ruhen das schulische, politische, kirchliche und das Vereinsleben. Für einen Kirchen- und Schulmann wie mich ist das eine wundervolle Zeit. Während der Schulzeit, über Weihnachts- und Ostertage bin ich mit Terminen und Verpflichtungen durchgetaktet, auch an ...
In der Sommerpause ruhen das schulische, politische, kirchliche und das Vereinsleben. Für einen Kirchen- und Schulmann wie mich ist das eine wundervolle Zeit. Während der Schulzeit, über Weihnachts- und Ostertage bin ich mit Terminen und Verpflichtungen durchgetaktet, auch an Abenden und manchem Wochenende.
Auf den verpflichtungsfreien Juli freue ich mich jedes Jahr mehr. Der Juni vornedran ist bekanntlich der neue Dezember. Wenn früher im letzten Monat des Kalenderjahrs sich die Verpflichtungen und Feiern gehäuft haben, so ist das heute noch mehr im Juni der Fall. Da gibt es hundert Anlässe und Aufgaben, die noch erledigt und absolviert, besucht und abgearbeitet sein wollen. Manchmal denke ich, unsere Gesellschaft fürchte, am «Bündelitag» erfolge das Weltende. Auch dieser Juni war dicht und knallig, weil das Quartal wegen später Ostern sehr kurz war. Dazu kamen viele Jubiläumsaktivitäten meiner Kirchgemeinde. Ich freue mich nun auf unseren obligaten Alp-Urlaub. Wenn Sie diese Zeilen lesen, liegt dieser leider bereits hinter uns.
Es gibt Menschen, die sehen und erleben diese Zeit völlig anders. Ich denke nicht an Presseleute, welche sich in der Saure-Gurken-Zeit Beiträge aus den Fingern saugen müssen, um ihr Blatt oder Fernsehmagazin zu füllen. Ich denke an alleinstehende, meist betagte, oft nicht mehr mobile Menschen! Von diesen gibt es zunehmend mehr bei uns. Sie fürchten sich vor dem Sommerloch, Langeweile und Einsamkeit: Wenn plötzlich die halbe Nation ins Ausland oder in die Berge entschwindet und die Veranstaltungskalender gähnend leer sind.
Allfällige Kinder verabschieden sich mit den Enkelkindern Richtung Süden. Die rüstigeren unter Freundinnen und Freunden machen ebenfalls Urlaub, sind auf Kreuzoder Flussfahrt oder am Wandern. Andere sind schon im Pflegeheim oder weggestorben.
Zur Jahresmitte fällt solchen Menschen trotz viel Sonnenschein oft der Himmel auf den Kopf und sie sehnen den zweiten Augustteil herbei, wenn das Leben im Dorf wieder den gewohnten Lauf aufnimmt.
Unsere Kirchgemeinde bietet im Juli neben den Gottesdiensten ein Kinderlager und immerhin die monatliche Seniorenwanderung an. Aber: Auch bei uns ziehen die meisten Mitarbeitenden Urlaub oder Überzeit ein. Es herrscht Funkstille.
Ich stelle mir vor, wenn Sie alle, die heute diese Kolumne lesen, sich bloss einmal in diesen Wochen einer Nachbarin oder einem Bekannten zuwenden, der/die (auch) in dieser Situation ist, und diese Person spontan oder geplant einladen oder irgendwohin mitnehmen, gemeinsam etwas Kleineres unternehmen – das würde das Sommerloch für viele Betroffene etwas erleichtern.
Matthias Plattner wurde 1962 geboren und ist Pfarrer der Reformierten Kirchgemeinde Sissach-Wintersingen.