«Sie sind grössere Spezialisten als ich selbst»
04.09.2025 BaselbietEbenrain-Chef Christoph Böbner spricht über die Entwicklungen in der Landwirtschaft
Am Sonntag findet der Ebenraintag statt. Der Leiter des Ebenrain, Christoph Böbner (62), sagt, dass die Veranstaltung wichtiger denn je sei, da das Verständnis für die ...
Ebenrain-Chef Christoph Böbner spricht über die Entwicklungen in der Landwirtschaft
Am Sonntag findet der Ebenraintag statt. Der Leiter des Ebenrain, Christoph Böbner (62), sagt, dass die Veranstaltung wichtiger denn je sei, da das Verständnis für die Landwirtschaft immer mehr abnehme. Hinsichtlich Biodiversität sieht er die Landwirtschaft auf dem richtigen Weg.
Elmar Gächter
Herr Böbner, welche Bedeutung hat der Ebenraintag für die im Baselbiet?
Christoph Böbner: Mit dem Strukturwandel in der Landwirtschaft nimmt auch der Bezug eines Grossteils der Bevölkerung zur Landwirtschaft stetig ab. Gleichzeitig wächst die Bevölkerungszahl, insbesondere im Grossraum Basel. Damit sinkt das gegenseitige Verständnis von Generation zu Generation. Dieses ist aber für diverse Freizeitaktivitäten wichtig.
Wie meinen Sie das?
Viele Leute schätzen die Natur und bewegen sich beim Wandern oder Biken auf und neben dem Areal von landwirtschaftlichen Betrieben. Dies kann beispielsweise bei einer Mutterkuhherde mit frisch geborenen Kälbern nicht ohne Risiko sein.
Was wollen Sie mit dem Ebenraintag bezwecken?
Das Verständnis für das Handwerk der Landwirtschaft und deren Dienstleistungen nimmt ab. Dem möchten wir mit dem Ebenraintag entgegenwirken. Er soll ein Fenster sein, in dem sich die nichtlandwirtschaftliche Bevölkerung informieren kann, was unsere Bäuerinnen und Bauern alles leisten. Es ist längst nicht allein die Nahrungsmittelproduktion, sondern wie es das diesjährige Motto ausdrückt: «Landwirtschaft – Vielfalt pur!»
Sie sprechen es an: Die wird von vielen primär als Lebensmittelproduzentin wahrgenommen.
Die Produktion von Nahrungsmitteln ist nach wie vor eine der wichtigsten Dienstleistungen der rund 1000 Landwirtschaftsbetriebe im Baselbiet. Während der Pandemie wurde uns vor Augen geführt, weshalb der Selbstversorgungsgrad bei Nahrungsmitteln – er beträgt schweizweit momentan noch rund 50 Prozent – für unsere Bevölkerung so wichtig ist und künftig noch an Bedeutung gewinnen wird.
Welche Aufgaben erfüllen Bäuerinnen und Bauern sonst noch?
Jeder Betrieb, der Direktzahlungen erhält, ist verpflichtet, auf mindestens 7 Prozent seiner landwirtschaftlichen Nutzfläche biodiversitätsfördernde Massnahmen umzusetzen. Es geht unter anderem darum, Kleinlebewesen einen Rückzugsort oder seltenen Pflanzen einen Lebensraum zu bieten. Dazu kommen Programme zur Förderung der Biodiversität mit einer noch höheren Qualitätsstufe, bei denen sich unsere Landwirtinnen und Landwirte stark engagieren.
Machen die Landwirte bei diesen Massnahmen vor allem mit, weil sie entschädigt werden, oder auch aus innerem Antrieb?
Das ist ein Prozess. Ohne klaren Auftrag oder finanziellen Anreiz wären wir heute nicht da, wo wir sind. Wichtig für die Förderung der Biodiversität sind auch Bildung und Beratung. In puncto Biodiversität hat sich bei den Bauern ein grosses Wissen entwickelt. Wenn ich mit Landwirten spreche, stelle ich häufig fest, dass sie grössere Spezialisten beim Thema Naturförderung sind als ich selber. Es gibt im Baselbiet viele Landwirte, die vom Wert und Sinn einer hohen Biodiversitätsleistung überzeugt sind.
Ist der Naturschutz vor allem eine Generationenfrage?
Nein, das glaube ich nicht. Es braucht aber eine gewisse Lebenserfahrung, dass man solche Werte noch mehr schätzt. Die heutigen jungen Landwirtinnen und Landwirte bekommen diese in der landwirtschaftlichen Schule vermehrt mit, die älteren blicken dafür auf wichtige Erfahrungen zurück und haben so gelernt, mit der Natur zu arbeiten.
Was trägt der Ebenrain zur Vielfalt in der Landwirtschaft bei?
Mit unserem Ausbildungs- und Beratungsangebot wollen wir vor allem sensibilisieren, damit die jungen Fachleute mit einer ganzheitlichen Sicht der Landwirtschaft an ihre Arbeit gehen können. Über unsere Vollzugsinstrumente bei den Direktzahlungen sowie beim Natur- und Landschaftsschutz unterstützen und fördern wir Projekte, die einen wesentlichen Einfluss auf Themen wie Biodiversität und Landschaftsgestaltung haben. Dazu kommt ein neuer Aspekt, den wir auch am Ebenraintag vorstellen werden: Der Landwirt kann künftig noch vermehrt «Energiewirt» sein.
Was bedeutet das?
Grossflächige Scheunendächer bieten sich geradezu an für die Nutzung von Sonnenenergie. Wir unterstützen Betriebe im Rahmen von Bundesprogrammen, damit sie mit Photovoltaik Strom auf ihren Dächern «ernten» und so einen wichtigen Beitrag zur Produktion von nachhaltiger Energie leisten können.
Wie nahe ist das Ebenrain-Zentrum bei den landwirtschaftlichen Betrieben?
Bedingt durch die überschaubare Grösse als Landwirtschaftskanton sind wir eher näher bei den einzelnen Betrieben, als dies bei grösseren Kantonen möglich ist. Kommt hinzu, dass viele unserer Mitarbeitenden, die in Ausbildung, Beratung und Vollzug tätig sind, selber zu Hause landwirtschaftlich tätig sind und entsprechende Praxiserfahrung mitbringen. Ich tausche mich auch regelmässig mit dem Bauernverband beider Basel aus und nehme an Anlässen wie beispielsweise am 1.-August-Brunch die Gelegenheit wahr, den Puls der Betriebe zu spüren. Wir sehen uns am Ebenrain vor allem als Brückenbauer, um zu einem sinnvollen Miteinander zwischen der Landwirtschaft und der sonstigen Bevölkerung beizutragen. Dabei ist Information enorm wichtig. Auf diese zielt der Ebenraintag bewusst ab.
Was konnten die bisherigen 32 Ebenraintage zum Verständnis der landwirtschaftlichen Aspekte beitragen?
Ich glaube, sehr viel. Das Ebenrain-Zentrum ist aber nicht der wichtigste Teil der Baselbieter Landwirtschaft, sondern es sind jene Bäuerinnen und Bauern, die täglich draussen ihre wertvolle Arbeit verrichten. Dazu kommen verschiedene Organisationen wie etwa die Weinproduzenten, die am Ebenraintag ihre Produkte anbieten. Wir sehen uns als Partner, der Hilfestellung leistet. Entscheidend ist, dass die Landwirtschaft den Kontakt mit der Bevölkerung sucht.
Wie tut sie das?
Tage der offenen Stalltüre oder Angebote wie «Bim Buur id Schuel» sind mindestens so wichtig wie ein Ebenraintag. Entscheidend ist die gegenseitige Verständigung. Miteinander an einen Tisch zu sitzen und Dinge auf den Punkt zu bringen, ist immer besser als A-Mails zu schreiben.
Auf was freuen Sie sich ganz besonders am diesjährigen Ebenraintag?
Wie immer sind strahlende Kinder, die mit ihren Eltern beim Ponyreiten, im Streichelzoo oder auf der Strohballenburg unterwegs sind, ein Höhepunkt. Aus agronomischer Sicht können die vielen Aufgaben der Landwirtschaft mit Fakten untermauert und erlebbar gemacht werden, so etwa bei der Nahrungsmittelproduktion und bei der Biodiversität. Wir stellen aber auch Leistungen unseres Zentrums vor: zum Beispiel den Pflanzenschutz – Stichwort Japankäfer – oder die Beratung hinsichtlich erneuerbarer Energieproduktion.
Der Ebenraintag findet am Sonntag, 7. September, von 10 bis 17 Uhr statt. Fast 50 Ausstellende zeigen die Dienstleistungen der Landwirtschaft.