Sicher, gratis, gut
03.10.2025 PersönlichDie Schweizer haben die E-ID angenommen. Viel knapper zwar, als ich erwartet hatte. Aber doch angenommen. Im zweiten Anlauf, nachdem das Volk vor einigen Jahren noch deutlich Nein gesagt hatte. Das ist relativ modern bei uns, scheints.
Wenn es ein gewichtiges Anliegen im ersten Durchgang ...
Die Schweizer haben die E-ID angenommen. Viel knapper zwar, als ich erwartet hatte. Aber doch angenommen. Im zweiten Anlauf, nachdem das Volk vor einigen Jahren noch deutlich Nein gesagt hatte. Das ist relativ modern bei uns, scheints.
Wenn es ein gewichtiges Anliegen im ersten Durchgang nicht schafft, wird nicht etwa demütig der sonst so gern zitierte «Volkswille» akzeptiert, sondern man wartet ein paar Jährchen und legt das Ganze ein zweites oder, wenn es sein muss, drittes Mal auf. Idealerweise wird es dann mit so wohlklingenden Attributen versehen wie «freiwillig» und «kostenlos». Und selbstverständlich ist das Ganze eine grossartige Sache mit riesigem Potenzial, denn es dient natürlich der «Sicherheit» und dem «Schutz» vor allem Möglichen.
Wie lange es freiwillig bleiben wird und für wen es kostenlos ist, sei dahingestellt. Und ich fühle mich etwas alt, wenn ich schon wieder der Meinung bin: Wer die Freiheit für die Sicherheit aufgibt, wird am Ende beides verlieren. Aber was ist schon Freiheit in einem wohlhabenden, gut funktionierenden Land wie der Schweiz.
Nur zwei Tage vor dem Abstimmungssonntag hat der britische Premierminister bekannt gegeben, dass Grossbritannien eine digitale ID einführt. Hauptsächliches Anliegen dieses Schrittes ist der Schutz (!) des Arbeitsmarktes vor den illegalen Einwanderern. Tony Blair versuchte schon 2010, digitale IDs einzuführen, und scheiterte. Gegen das aktuelle Vorhaben wurde eine Petition gestartet, die innert kürzester Zeit 1,6 Millionen Unterzeichner fand. Dass dies einen wesentlichen Unterschied machen wird, darf bezweifelt werden.
Einer von Starmers Ministern nennt die digitale Identität den «Grundstein des modernen Staates». Es wird aktuell selbstverständlich keine Vorgaben geben, die digitale ID bei sich zu tragen oder vorzuweisen, so die Behörden. Aber praktischerweise wird es die digitale ID dann irgendwann «einfacher» machen, einen Führerschein, Kinderbetreuung oder Sozialhilfe zu beantragen. Und verpflichtend wird die digitale ID spätestens ab 2029 «nur» für all diejenigen, die im «UK» einer Arbeit nachgehen wollen. Haha.
Aber vielleicht leben wir ja tatsächlich in dem einen Land der Welt, in dem zunehmende Überwachung und Kontrolle durch den Staat nicht zum Freiheitsverlust führt und nicht dazu, dass unsere grundlegenden Rechte sich Schritt für Schritt in Privilegien verwandeln. Dann habe ich vergeblich gewarnt und mich gründlich geirrt.
Solange ich nicht eines Besseren belehrt werde, bin ich skeptisch und gehe davon aus, dass die E-ID schrittweise verpflichtend werden wird für unseren Zugang zu Verwaltungsdienstleistungen, den Zugang zum öffentlichen Leben, zum Gesundheitswesen und schliesslich zur Ausübung unserer Rechte. Der «Grundstein des modernen Staates» halt. Was für ein wunderbarer Neusprech. George Orwell würde sich im Grab umdrehen. Aber eben, wer weiss, vielleicht liege ich ja falsch. Wie schön wäre das.
Laura Grazioli, geboren 1985, ist Landwirtin und ehemalige Landrätin. Sie lebt mit ihrer Familie in Sissach.