Schwerer Stand für Wahlrechtsreform
05.09.2024 BaselbietVorberatende Landratskommission beantragt Nichteintreten
Die Justiz- und Sicherheitskommission des Landrats will nichts von einer Wahlrechtsreform wissen: Sie beantragt dem Parlament, auf eine entsprechende Regierungsvorlage gar nicht erst einzutreten. Allerdings fiel dieser Entscheid ...
Vorberatende Landratskommission beantragt Nichteintreten
Die Justiz- und Sicherheitskommission des Landrats will nichts von einer Wahlrechtsreform wissen: Sie beantragt dem Parlament, auf eine entsprechende Regierungsvorlage gar nicht erst einzutreten. Allerdings fiel dieser Entscheid hauchdünn.
tho./sda. Der Entscheid fiel mit 7 zu 6 Stimmen, wie aus dem am Dienstag veröffentlichten Bericht der Kommission hervorgeht. Die ablehnende Seite sehe in der Reform «keinen Mehrwert». Das vorgeschlagene Modell sei kaum verständlicher und den Stimmberechtigten nicht besser zu vermitteln als das heute geltende Wahlrecht. Das aktuelle System habe zwar unbestritten Mängel, doch man habe gelernt, mit diesem Problem umzugehen, heisst es im Bericht der Kommission. Wer genau mit «man» gemeint ist – Parteien oder Wahlvolk –, wird nicht näher erläutert. Ferner wird festgehalten, dass auch mit dem neu vorgeschlagenen Doppelproporz («doppelter Pukelsheim») Sitzsprünge weiterhin möglich blieben. Gemäss einem Expertenbericht würden diese Sitzsprünge von aktuell drei bis vier mit dem neuen System auf ein bis zwei pro Wahl reduziert.
Die knappe Minderheit in der Kommission führte gemäss Bericht aus, dass es zur schweizerischen Rechtskultur gehöre, den Volkswillen möglichst genau umzusetzen, was mit der Reform gelinge. Zudem sei die Vorlage im Auftrag des Landrats ausgearbeitet worden, womit die Kommission eigentlich in der Pflicht sei, die Reform substanziell vorzuberaten. Die ablehnenden Kommissionsmitglieder würden aber offenbar die Haltung ihrer Parteien vertreten. Im Landrat hatten sich SVP und FDP von Beginn an gegen eine Reform ausgesprochen – wohl auch aus Furcht davor, dass grössere Parteien mit dem neuen Wahlrecht Sitze einbüssen könnten. Eine Simulation mit dem Wahlergebnis von 2023 zeigte mittlerweile, dass mit dem neuen Wahlrecht die FDP und die Grünen je einen Sitzverlust hätten in Kauf nehmen müssen, EVP und GLP hätten im Gegenzug je ein zusätzliches Mandat im 90-köpfigen Landrat gewonnen. Insgesamt würden die Veränderungen voraussichtlich in einem überschaubaren Rahmen bleiben.
Die Wahlregionen verschwinden
Einer der wichtigsten Punkte im vorgeschlagenen neuen System ist die Abschaffung der bisher vier Wahlregionen. Die Sitze für die Parteien würden anhand des Kantonsresultats neu direkt auf die 12 Wahlkreise verteilt. Bei den Wahlkreisen würde zudem die bisherige «6-Sitze-Garantie» entfallen, was den bevölkerungsarmen Bezirk Waldenburg ein Mandat kosten würde. Profitieren davon würde gemäss Simulation der Wahlkreis Laufen.
Ferner steht die Einführung einer Sperrklausel zur Debatte: Schafft eine Partei kantonsweit die Hürde von 3 Prozent (oder 5 Prozent in wenigstens einem Wahlkreis) nicht, bliebe sie künftig aussen vor. Die «Volksstimme» hat die Auswirkungen der Reform in ihrer Ausgabe vom 9. Juli im Detail beleuchtet.
Der Antrag der Justiz- und Sicherheitskommission auf Nichteintreten auf die Reform wird dem Landrat an dessen Sitzung vom 12. September vorgelegt. Angesichts des knappen Kommissionsentscheids ist es ohne Weiteres möglich, dass das Plenum die Kommission doch dazu zwingen wird, die Reform materiell zu beraten und dem Landrat ein neues Wahlrecht vorzulegen – mit zustimmender oder ablehnender Empfehlung. Die jetzige Weigerung der Kommission, auf die Vorlage einzutreten, könnte in diesem Fall vor allem viel Zeit gekostet haben. Stimmt der Landrat einer Reform später zu, muss diese dem Volk noch zur Abstimmung vorgelegt werden, was wiederum Zeit kostet. Die nächsten kantonalen Gesamterneuerungswahlen finden 2027 statt.
Dann, so der ursprüngliche Plan des Landrats, sollte das neue Wahlrecht gelten. Das Parlament hatte die Regierung im Herbst 2022 mit 45 zu 32 Stimmen beauftragt, eine Vorlage zur Revision des Wahlrechts nach kantonsweitem Doppelproporz-System vorzulegen.