«Schweiz funktioniert dank der Berufslehre»
16.05.2024 BaselbietTag der Lernenden der Wirtschaftskammer
Am «Tag der Lernenden 2024» der Wirtschaftskammer Baselland ging es unter anderem darum, wie die heutigen Lehrlings-Generationen motiviert werden können, Eigeninitiative zu entwickeln.
Paul ...
Tag der Lernenden der Wirtschaftskammer
Am «Tag der Lernenden 2024» der Wirtschaftskammer Baselland ging es unter anderem darum, wie die heutigen Lehrlings-Generationen motiviert werden können, Eigeninitiative zu entwickeln.
Paul Aenishänslin
Das Auditorium des Hauses der Wirtschaft in Pratteln war mit mehr als 300 Teilnehmerinnen und Teilnehmern voll besetzt, als Marc Scherrer, stellvertretender Direktor der Wirtschaftskammer Baselland, den «Tag der Lernenden 2024» eröffnete. Scherrer merkte an, dass in der laufenden Berufsbildungswoche 105 Baselbieter Betriebe rund 2000 Schnuppernden Einblicke in mehr als 100 Berufe gewähren würden.
Der frühere SP-Nationalrat, Ökonom und Berufsbildungsexperte Rudolf Strahm hielt ein Referat zum Thema: «Potenziale entfesseln: Wirksame Motivation von Lernenden». Die Zeiten hätten sich grundlegend geändert, seit er zu Beginn seiner beruflichen Ausbildung vor mehr als 60 Jahren in Schweizerhalle eine Laborantenlehre absolviert habe, sagte er. Heute hätten es die Arbeitgeber mit Lernenden der «Generation Z» zu tun, die sehr individualistisch orientiert seien was die Lehrbetriebe vor besondere Herausforderungen stelle.
Strahm nannte Punkte, die im Umgang mit den heutigen Lernenden besonders wichtig seien: Wertschätzung, Resilienz, Sinnfragen, Work-Life-Balance, Lernort/Schule/Eltern/Freizeit sowie Zukunftserwartungen und Karriere. «Junge Menschen brauchen Wertschätzung», sagte der Bildungsexperte.
65 Prozent aller Schulabgängerinnen und -abgänger in der Schweiz absolvieren eine Lehre, hielt Strahm weiter fest. Sein Schluss daraus: «Die Schweiz funktioniert dank der Berufslehre. Sie ist das Fundament unserer Wirtschaft mit über 80 Prozent KMU.» Ferner gelte: «Kein Abschluss ohne Anschluss!» Nach der Berufslehre böten sich vielfältige Möglichkeiten der höheren Berufsbildung.
Heute gibt es in der Schweiz alles in allem 420 Abschlüsse in der höheren Berufsbildung. Strahm würde die Einführung eines «professional Bachelors» und eines «professional Masters» begrüssen. Dies stehe im Parlament nun zur Debatte.
Im Anschluss an Strahms Referat stellte Gaby Gerber, Mitglied der Geschäftsleitung der Brauerei Feldschlösschen, eine Initiative ihres Unternehmens vor, mit dem Lernende zu erfolgreichem eigenem Tun motiviert werden können: Seit 2019 brauen Lehrlinge jeden Jahrgangs ihr eigenes Bier, das dann von Coop verkauft wird.
Den Referaten folgte ein Podiumsgespräch, an dem neben den Referierenden die Bildungsdirektorin Monica Gschwind sowie Vertreter der gastgebenden Wirtschaftskammer Baselland teilnahmen.
«Die Lehre vermittelt Verantwortungsbewusstsein»
Herr Strahm, warum setzen Sie sich für die Berufslehre ein?
Rudolf Strahm: Da die Schweiz dank der bei uns verbreiteten Berufslehre gut funktioniert, und weil wir dank der Berufslehre eine der tiefsten Jugendarbeitslosen-Quoten der Welt haben. Die Lehre macht berufsbefähigend, weil sie nicht nur die Fachkompetenz vermittelt, sondern auch Werte wie Exaktheit, Selbstständigkeit und Verantwortungsbewusstsein bei der Arbeit.
Was ist Ihre wichtigste Botschaft an die Lernenden?
Die Berufslehre stellt keine Sackgasse mehr dar, sondern einen Einstieg in die Berufskarriere. Wir haben heute ein durchlässiges System nach dem Motto: «Kein Abschluss ohne Anschluss!» Die Berufslehre ermöglicht mit der Berufsmaturität den prüfungsfreien Weg zur Fachhochschule oder mit über 400 berufsbegleitenden eidgenössisch anerkannten Weiterbildungsgängen der Höheren Berufsbildung den Weg zu Kaderstellen. Ich habe aber in Pratteln mit den Berufsbildnern und Praxisausbildnerinnen in den Betrieben auch über den Umgang mit der heutigen Generation von Lernenden gesprochen. Die «Generation Z» stellt heute neue Anforderungen an Begleitpersonen.
Von 2016 bis 2022 ging der Anteil der Schulabgänger, die sich für eine Lehre entschieden, von 62 auf 57 Prozent zurück. Beunruhigen Sie Werte wie diese?
Das Baselbiet steht im Vergleich mit Basel-Stadt bezüglich Berufslehren noch bedeutend besser da, das viel höhere Maturitätsquoten und viel weniger Berufslernende aufweist. Die Stadt bezahlt dies mit höherer Jugendarbeitslosigkeit und mehr Prekariatsjobs von Ungelernten.
Was spricht für die Berufslehre?
Der Arbeitsmarkt begehrt heute Fachkräfte, die ihre Karriere mit Berufslehre und anschliessenden Weiterbildungen absolviert haben, mehr als Uni-Absolventinnen und -Absolventen. Weil die Berufslehre auch die praktische Intelligenz und die Arbeitsmarkt-Befähigung besser fördert. Wir haben bei den Technikern, Teamchefs und mittleren Kadern mit Karriere-Start in der Berufslehre den grössten Fachkräftemangel. Diese halten die effiziente KMU-Wirtschaft am Laufen – und sorgen dafür, dass die Schweiz funktioniert.