Raum für individuelles Lernen
18.10.2024 ZiefenPrivatschule Stella als Alternative zum traditionellen Schulsystem
In der Privatschule Stella in Ziefen wird auf individuelles Lernen ohne Noten und Leistungsdruck gesetzt. Der Lernort setzt auf alternative pädagogische Konzepte und soziale Kompetenzen statt starrer ...
Privatschule Stella als Alternative zum traditionellen Schulsystem
In der Privatschule Stella in Ziefen wird auf individuelles Lernen ohne Noten und Leistungsdruck gesetzt. Der Lernort setzt auf alternative pädagogische Konzepte und soziale Kompetenzen statt starrer Prüfungen.
Melanie Frei
Daniela Runser, Lernbegleiterin und langjährige Primarlehrerin, fokussiert sich auf Lernen ohne Leistungsdruck: Sie blickt auf 25 Jahre Lehrerfahrung zurück und hat in dieser Zeit verschiedene pädagogische Konzepte kennengelernt und weiterentwickelt, die sie während des Unterrichts im Lernort Stella in Ziefen anwendet und umsetzt.
Der Lernort Stella ist eine Privatschule, aber nicht im herkömmlichen Sinn. Die individuellen Bedürfnisse der Kinder stehen im Vordergrund. «Es gibt Privatschulen, die sich streng an Montessori oder die Waldorfpädagogik halten, aber wir wollen uns nicht auf eine bestimmte Pädagogik festlegen», erklärt Daniela Runser. Sie verlässt sich bei pädagogischen Entscheidungen auf ihre Intuition und ihre langjährige Erfahrung. «Es geht darum, was für das Kind und die Situation gerade am besten passt», sagt sie. Wer Vertrauen hat, ist eher bereit für neue Lernprozesse, sei es im eigenen Interessenbereich oder in herausfordernden Lernfeldern.
Ein Bestandteil des Unterrichts an der Privatschule Stella ist die «gewaltfreie Kommunikation», ein Sichbegegnen auf Augenhöhe. Ziel ist es, den Kindern nicht nur Fachwissen, sondern auch soziale Kompetenzen und «Selbstmanagement» zu vermitteln. Dabei unterstützt Viviane Rudolf von Rohr, ausgebildete Lerntherapeutin und Primarlehrerin, die Kinder sowohl in sozialen Belangen als auch bei der Aneignung von Lerntechniken. Die Kinder sollen lernen, ihre Gedanken, Gefühle und ihren Körper wahrzunehmen – Fähigkeiten, die über den klassischen Lehrplan hinausgehen.
Der wohl grösste Unterschied der Privatschule Stella gegenüber dem staatlichen Schulsystem ist der bewusste Verzicht auf benotete Prüfungen und Leistungsnachweise. Der Unterricht orientiert sich zwar am Lehrplan 21, aber im Vordergrund steht der Lernprozess und nicht die Leistungsmessung. «Wir wollen nicht, dass der Leistungsdruck den Lernprozess dominiert», erklärt Daniela Runser.
Vielmehr gehe es darum, den Kindern Raum zu geben, sich in ihrem eigenen Tempo zu entwickeln. Am Ende des Schuljahrs bekommt jedes Kind einen ausführlichen Bericht, in dem seine Kompetenzen in den verschiedenen Bereichen beschrieben werden.
Der Schulalltag und die Lernumgebung an der Privatschule Stella können von Kind zu Kind sehr unterschiedlich aussehen. Dabei können sich auch Eltern mit ihren Vorstellungen und Erwartungen einbringen: «Wir versuchen, uns auf die Bedürfnisse jeder Familie einzustellen und sind in engem Austausch», erklärt Runser weiter. Die Kinder sind drei ganze Tage am Lernort und an zwei Tagen vertiefen sie Gelerntes zu Hause.
Einige Kinder entscheiden sich später für einen Wechsel zur staatlichen Sekundarschule. Runser sieht darin kein Problem: «Wenn die Motivation da ist, können unsere Kinder auch in die staatliche Schule wechseln. Sie sind gut vorbereitet, auch wenn sie vielleicht weniger Tests geschrieben haben.» Mit diesen Kindern werden spezielle Lernstrategien entwickelt, um sie auf den Übergang vorzubereiten.
Lernen mit den Eltern
Zum Lernort Stella gehört auch ein Kindergarten in Ziefen. Dort verbringen die Kinder drei Vormittage in der Woche. An den anderen Tagen werden sie beim gemeinsamen Lernen durch die Eltern begleitet, angeleitet von der Kindergärtnerin Marit Heinzelmann.
Sie begleitet die altersdurchmischte Kindergruppe von 4- bis 6-Jährigen: Diese dürfen ihre eigene kleine Welt in ihrem Tempo erforschen und entdecken und werden dabei mit ihren Bedürfnissen ernst genommen. Heinzelmann ist mit der Kinderschar viel in der freien Natur und macht kreative Projekte mit ihnen. Die Kinder sind so bestens vorbereitet, egal, ob sie in die Volksschule zurückkehren oder am Lernort Stella bleiben.
Die Privatschule Stella ist vom Kanton bewilligt und als Verein aufgestellt, der sich über das Schulgeld der Eltern, Mitgliederbeiträge und Spenden finanziert. Ein separater Förderverein unterstützt Familien, die finanzielle Unterstützung benötigen. «Wir wollen, dass der Zugang zu unserer Schule nicht vom Einkommen der Eltern abhängt», sagt Daniela Runser.
Dies ist jedoch noch ein Wunschgedanke, da es schlicht an finanzkräftiger Unterstützung fehlt. Privatschulen erhalten keine staatlichen Gelder und Eltern werden bei den Steuern nicht entlastet.
«Von verschiedenen Menschen wird viel ehrenamtlicher Einsatz erbracht, sonst könnte der Aufbau dieser Schule nicht gestemmt werden», so Runser. Aus diesem Grund hat der Lernort Stella im August und September auch im schweizweiten Crowdfunding der Stiftung Schulwandel mitgewirkt.
Schule ohne Noten – geht das?
mef. Ganz abwegig scheint ein Schulkonzept ohne Noten nicht zu sein. Das beweist die Stadt Luzern, die ab Sommer 2026 erst in Primarschulen Prüfungsnoten abschafft, ein Jahr später dann auch an der Oberstufe. Dort wird Ende Jahr zwar auch ein Zeugnis ausgestellt, aber die Kinder sollen in anderen Formen Feedback erhalten, zum Beispiel durch Kompetenzraster oder Lerntagebücher. Auch in den Kantonen Bern und Aargau operieren bereits mehrere Schulen ohne Prüfungsnoten, darunter auch Oberstufen.
Im Baselbiet bestehe ein breites Einvernehmen darüber, dass die Erreichung von Lernzielen überprüft und die Lernentwicklung abgebildet werde, sagt Fabienne Romanens, Leiterin Abteilung Kommunikation der Bildungs-, Kulturund Sportdirektion. «Noten sind eines von vielen Modellen für die Leistungsmessung und -bewertung. Gemäss einer nationalen Umfrage der EDK (Konferenz der kantonalen Erziehungsdirektorinnen und -direktoren) setzen alle Kantone im Verlauf der obligatorischen Schulzeit auf dieses Bewertungsmodell», so Romanens weiter. Im Kanton sind die Formen und Inhalte der Beurteilung in der Verordnung über die schulische Laufbahn geregelt. Diese Verordnung regelt die Beurteilung, die Beförderung, das Zeugnis und den Übertritt in den schulischen Angeboten der Primarstufe, der Sekundarstufe I und der Sekundarstufe ll. Welches Bewertungsmodell zu welchem Zeitpunkt angewendet wird, entscheiden letztlich die politischen Organe, so Romanens.