Quellen schützen
03.04.2024 BaselbietKanton erstellt einen umfassenden Kataster
Wasserquellen sind auch im Baselbiet aus verschiedenen Gründen stark bedroht. Ein Inventar soll die Grundlage für Renaturierungen und Sicherungen bieten. Verantwortlich dafür sind das Ebenrain-Zentrum und Pro Natura ...
Kanton erstellt einen umfassenden Kataster
Wasserquellen sind auch im Baselbiet aus verschiedenen Gründen stark bedroht. Ein Inventar soll die Grundlage für Renaturierungen und Sicherungen bieten. Verantwortlich dafür sind das Ebenrain-Zentrum und Pro Natura Baselland.
Elmar Gächter
Es sprudelt und plätschert zurzeit in den Wäldern, auch im Bölchengebiet. Eigentlich nichts Spektakuläres nach den ergiebigen Regenfällen der vergangenen Wochen. Und doch ist es ein erfreulicher Gegensatz zur allgemeinen Trockenheit der Vorjahre.
Manche Quelle, die jahrelang ihr kostbares Nass offenbarte, drohte zu versiegen oder starb bereits ihren Trockentod. Der wertvolle Lebensraum, den diese Biotope vielen gefährdeten Tieren und Pflanzen bietet, ging auch durch Fassungen und Drainagen verloren.
Um den Zustand der noch nicht erfassten Quellen zu klären, hat die Abteilung Natur und Landschaft des Ebenrain-Zentrums zusammen mit Pro Natura Baselland begonnen, sämtliche Quellenaustritte im Baselbiet zu inventarisieren. Das Kartieren soll die Grundlage dafür bilden, besonders wertvolle Quellen zu sichern oder sie mit Renaturierungsprojekten aufzuwerten.
Solche Vielfalt noch nie gesehen
Die «Volksstimme» hat Silja Oelrichs und Raoul Pellaton in den Oberen Bölchen begleitet. Die 26-jährige Wissenschaftlerin, die ihre Masterarbeit dem Vergleich von Wald- und Offenlandquellen im Schwarzwald gewidmet hat, kommt ins Schwärmen. Als Projektleiterin Quellenkartierung bei Pro Natura Baselland hat sie seit rund einem halben Jahr gegen 300 Quellen im Oberbaselbiet systematisch erfasst. Eine solche Vielfalt wie hier im Gebiet Bölchenweid habe sie jedoch noch nicht entdeckt.
Auf einer Hangfläche plätschern nicht weniger als fünf Wasseraustritte um die Wette. Quellkomplex nennt sich dies, wenn wie hier sowohl Fliessquellen – sie treten punktuell aus und bilden einen Bach – als auch Sickerquellen mit einem eher diffusen Wasseraustritt auf relativ kleinem Raum gemeinsam anzutreffen sind. «Dieser Standort war auf meinen Unterlagen nicht eingezeichnet, umso überraschender und eindrucksvoller war der Fund», so Oelrichs.
Die Projektleiterin erfasst die Struktur der Quelle, prüft, ob sie einen natürlichen Zustand aufweist oder durch Verbauungen oder Rohre beeinträchtigt ist, misst physikochemische Parameter wie Leitfähigkeit und Menge des Wassers, dessen Temperatur und Sauerstoffgehalt. «Auffallend ist, dass das Wasser von Quellen mit geringer Schüttung sich in den Sommermonaten zunehmend erwärmt, was nachteilig ist für die Fauna, die auf niedrigere Wassertemperaturen angewiesen ist.»
Der Zustand der Fauna wird bei diesem Projekt nicht erfasst, da dies laut Raoul Pellaton, der als studierter Biologe beim Ebenrain für die Waldbiodiversität zuständig ist, einen allzu grossen personellen Aufwand mit sich brächte.
Wie Daniel Küry, Beauftragter und Leiter der Beratungsstelle Quell-Lebensräume des Bundesamts für Umwelt, in Zusammenhang mit einem ähnlichen Projekt in Waldenburg einst gegenüber der «Volksstimme» festgehalten hat, sind rund 70 Arten der Kleinlebewesen auf diese Räume spezialisiert. Es gelten mehr als zwei Drittel als akut gefährdet.
Hilfe für Förster
Von den bisher rund 300 erfassten Quellen im Oberbaselbiet liegt rund ein Drittel im Offenland und zwei Drittel liegen im Wald; 200 weisen einen künstlichen Austritt und 100 einen natürlichen auf. Die gesammelten Daten werden in eine Datenbank eingespeist, wobei es noch offen ist, ob sie im kantonalen Geoportal veröffentlicht werden oder nicht. Auf jeden Fall wird das Forstpersonal auf sie zugreifen können, damit bei Holzschlag auf die Quellen Rücksicht genommen werden kann.
Speziell wichtig sind die erfassten Daten vor allem, um besonders wertvolle Quellen zu schützen und allenfalls zu renaturieren. Da Quellen laut Verordnung über den Naturund Heimatschutz des Bundes als schützenswerte Lebensräume gelten, kommt dem Kanton hier eine besondere Bedeutung zu. Raoul Pellaton betont jedoch, dass solche Aufwertungen und Unterschutzstellungen nur im Einvernehmen mit den betroffenen Landeigentümern erfolgen. «Für Unterschutzstellung erhält der betroffene Grundeigentümer eine Abgeltung für den entstehenden Minderertrag, der ihm entsteht, sowie für den Grundbucheintrag.»
Bund könnte sich beteiligen
Pragmatisch vorgehen will man auch bei der Renaturierung von Quellen. Konkret geht es laut Silja Oelrichs um Eingriffe wie das Entfernen eines Drainagerohrs oder das Entfernen von alten, nicht mehr genutzten Fassungen. «Ziel ist es, den Wasseraustritt der Quellen natürlich zu gestalten und die Verbindung zum Grundwasser wieder herzustellen. Die Mikroorganismen sind darauf angewiesen, dass das Fliessgewässer bis zum Bach möglichst durchgängig ist», begründet Silja Oelrichs mögliche punktuelle und maschinelle Eingriffe im Quellbereich.
Der Ebenrain steht gemäss Raoul Pellaton in Verhandlungen mit dem Bund, von dem man sich im Rahmen des nationalen Finanzausgleichs einen Anteil von 50 Prozent an die Projektkosten erhofft. In den nächsten vier Jahren sind erste Aufwertungsprojekte geplant. Ob sich auch Stiftungen an den Projektkosten beteiligen, ist zurzeit noch offen. Sämtliche Quellen im Kanton Baselland sollen bis in ein paar Jahren kartiert sein, damit sie wo nötig gesichert und die Aufwertungsmassnahmen projektiert und ausgeführt werden können.