Polsini schreibt Silber-Märchen
16.07.2024 Sport, GelterkindenOrientierungslauf | Gelterkinder gelingt an WM grosser Exploit
Bei seinen ersten Weltmeisterschaften überhaupt hat Tino Polsini am Freitag gleich Silber gewonnen. Im Einzel-Sprint bestätigte der Gelterkinder auf einem anspruchsvollen Kurs die starke Form der ...
Orientierungslauf | Gelterkinder gelingt an WM grosser Exploit
Bei seinen ersten Weltmeisterschaften überhaupt hat Tino Polsini am Freitag gleich Silber gewonnen. Im Einzel-Sprint bestätigte der Gelterkinder auf einem anspruchsvollen Kurs die starke Form der vergangenen Monate.
Sebastian Wirz
«Diese Sprint-WM ist die erste, bei der ich mir eine Selektion so wirklich vorstellen kann», hatte Tino Polsini noch im Mai gesagt. Und nun das: An den Weltmeisterschaften in Edinburgh (Schottland), bei denen für ihn bereits die Teilnahme ein Erfolg war, hat der Gelterkinder im Einzel-Sprint sensationell die Silbermedaille gewonnen. Er ist der erste Oberbaselbieter, der für die Schweiz eine Einzel-Medaille an einer OL-WM gewinnt. Anders Holmberg, der zur Zeit seines Sprint-Silbers 2011 bereits in Sissach wohnte, startete für Schweden.
Polsinis Entwicklung in den vergangenen Monaten mit dem Podestplatz an der WM als Höhepunkt kommt einem Märchen gleich. «Das darf man schon so sagen», sagt der 25-Jährige. «Natürlich ist die Medaille das Resultat harter Arbeit und unzähliger Trainings, aber es ist nicht selbstverständlich, dass alles so aufgeht.» Seit mehreren Jahren gehört er zum nationalen B-Kader und setzt neben dem Studium voll auf den Sport. Dennoch war der Gewinn des Schweizer-Meister-Titels im Mai eine Überraschung. Nicht zuletzt, weil die Saisonvorbereitung von körperlichen Problemen geprägt gewesen war. Doch seither hält Polsini sein Niveau: Rang 11 und 5 im Weltcup waren jeweils persönliche Bestresultate, und der Exploit bei der ersten WM-Teilnahme machen das Märchen vollkommen. Oder wie der überlegte Läufer sagt: «Besser hätte ich es mir nicht ausmalen können.»
Der Weg zu Silber führte über eine technisch sehr anspruchsvolle Bahn rund um das Schloss in der malerischen Altstadt Edinburghs. Vielen Athleten machten nicht nur die engen Gassen, sondern auch die Karte zu schaffen. Sie unterschied sich stark von derjenigen, die alle Teams für die Vorbereitung nutzten. «Durchgänge, die auf der alten Karte noch vorhanden waren, konnten nun nicht passiert werden. Dafür gab es neue Möglichkeiten, wir rannten etwa durch eine Schule oder andere öffentliche Gebäude», erklärt Polsini. Die neue Karte hätte die Teilnehmer vor ganz neue Probleme gestellt. Die Vorbereitung habe relativ wenig gebracht, und es seien schnelle Entscheidungen gefragt gewesen. «Es war seither immer wieder zu hören, dass dies wohl der schwierigste WM-Sprint je gewesen sei.»
Dem Oberbaselbieter gelang es erstaunlich gut, eine flüssige Route zu finden und im Kopf immer einen Schritt voraus zu sein. Er macht seinen Erfolg denn auch einerseits am intensivierten Sprint-Training des vergangenen Herbstes fest. Dass er aber nun wiederholt gute Leistungen abrufen konnte, schreibt er Verbesserungen im mentalen Bereich zu. «Wir haben akribisch mit Mental-Coaching gearbeitet, und das scheint einen Knopf gelöst zu haben.» Auch beim Highlight WM habe er nicht mit Angst am Start gestanden, sondern mit der inneren Überzeugung: «Ich gehöre hierhin. Ich kann den anderen das Wasser reichen.»
Erfolg bringt Erfolg
Zur Überzeugung kamen seit der SM positive Resultate, die das Selbstvertrauen weiter wachsen liessen, was wiederum zu guten Resultaten führte. «Erfolge sind so wichtig für eine Karriere», sagt Polsini, «ich habe nun die Überzeugung, alles richtig gemacht zu haben. Hätte ich gleich viel gearbeitet, wäre aber nun unter ‹ferner liefen› klassiert, das Gegenteil wäre der Fall.» Der Gewinn der Silber-Medaille gebe Polsini nicht Druck, wieder eine Auszeichnung holen zu müssen, aber das Bewusstsein, dass er sich nicht verstecken müsse.
Dieses Gefühl werde ihm auch «im Wald» helfen, ist der Gelterkinder überzeugt. Denn nach dem Sprint-Höhepunkt wendet sich der internationale OL-Tross den Mittel- und Langdistanzrennen im Wald zu. Polsini ist für die Europameisterschaft Mitte August in Ungarn bereits selektioniert. Er hofft danach, auch am Weltcup in Finnland an den Start gehen zu können, ehe den Sportsoldaten im Oktober die Militär-Weltmeisterschaft erwartet. «Ich will den Wechsel auf die längeren Distanzen schaffen, gut trainieren und gesund bleiben», sagt Polsini, der daneben die Prüfungen seines ETH-Studiums zu überstehen hat. Sein Selbstvertrauen und seine Fähigkeiten mit der Karte sollen ihm auch im Wald helfen, einige der läuferisch besseren Athleten hinter sich zu lassen – und das Märchen weiterzuschreiben.