Pilz sorgt für Stress in den Reben
16.07.2024 Baselbiet, LandwirtschaftFalscher Mehltau setzt vor allem Bio-Betrieben mit herkömmlichen Sorten zu
Viel Feuchtigkeit bei hohen Temperaturen begünstigen in der Landwirtschaft Pilzkrankheiten wie den Falschen Mehltau, der auch Rebstöcke befällt. Die Situation ist für alle Rebbauern ...
Falscher Mehltau setzt vor allem Bio-Betrieben mit herkömmlichen Sorten zu
Viel Feuchtigkeit bei hohen Temperaturen begünstigen in der Landwirtschaft Pilzkrankheiten wie den Falschen Mehltau, der auch Rebstöcke befällt. Die Situation ist für alle Rebbauern herausfordernd, wobei die Bio-Betriebe unter höherem Druck stehen.
Christian Horisberger
Der Falsche Mehltau ist einer der grössten Feinde des Weinbauern. Der Pilz, der es feucht und warm mag, befällt die grünen Teile der Rebe. Erste Symptome sind gelbliche Flecken an der Blattoberseite. An der Blattunterseite entsteht bei feuchter Witterung ein dichter, weisser Pilzrasen. Dessen Sporen können neue, gesunde Pflanzenteile infizieren, wobei die jungen Beeren besonders gefährdet sind. Sie verdorren.
Im konventionellen Anbau kommen gegen den Pilz Präparate zum Einsatz, die oberflächlich angewendet werden, und solche, die von innen heraus wirken und somit nicht vom Regen abgewaschen werden können. Ausserdem stehen hier auch Substanzen zur Verfügung, mit denen der bereits vorhandenen Pilzbefall bekämpft werden kann. Biologisch geführten Betrieben stehen für den Pflanzenschutz primär zwei oberflächlich wirkende Präparate auf der Basis von Schwefel und Kupfer zur Verfügung, die ausschliesslich präventiv eingesetzt werden können. Bei einem Befall gibt es kein Heilmittel.
Luft an die Trauben
«Die Situation hält uns in Atem», sagt Laura Grazioli vom Sissacher Betrieb «la famiglia fluhberg», wo die Reben biologisch bewirtschaftet werden. Wetterbedingt seien die Intervalle für die Behandlung mit Pflanzenschutzmitteln kürzer als üblich und aufgrund des starken Wachstums müssten die Stöcke immer wieder teilweise entlaubt werden, um «Luft in die Traubenzone zu bringen». Damit herrsche eine tiefere Luftfeuchtigkeit, und die Trauben könnten rasch abtrocknen. Zum selben Zweck müsse das Gras zwischen den Rebstöcken möglichst kurz gehalten werden, erklärt Grazioli.
Bisher zahlt sich der zusätzliche Aufwand, ein wesentlicher Teil davon ist Handarbeit, aus: «In den Stöcken mit europäischen Sorten wie Blauburgunder oder Riesling-Sylvaner haben wir zum Teil Mehltau drin, doch es ist nicht dramatisch, so Laura Grazioli. «Sehr schön» sehe es dagegen bei den Piwi-Sorten aus, die auf einem Viertel der Anbaufläche des Betriebs wachsen. Hier sei kein Befall festzustellen: «Ein Jahr wie dieses zeigt, welche ökologischen Vorteile Piwi-Sorten im Bio-Landbau haben.»
Ins gleiche Horn stösst Thomas Löliger, der den Gemeinderebberg im Arlesheimer Steinbruch bewirtschaftet: «Die robusten Sorten sind in einem Jahr wie diesem eine Lebensversicherung.» In seinen Rebhängen seien diese nach bisher erst drei Pflanzenschutzanwendungen nur minim vom Falschen Mehltau befallen, sagt Löliger, bei den «Europäern» schätzt er den Befall – bei bis zu zehn Mal Spritzen – auf 20 Prozent. Damit sei er im Vergleich zu manchen Kollegen, die ebenfalls biologisch produzieren, noch gut dran. Ein Weinbauer im Fricktal, mit dem er in Kontakt stehe, habe einen Befall von 50 Prozent: «Dort sieht es zum Teil dramatisch aus.»
Von einer extremen Situation spricht Antoine Kaufmann vom Weinbaubetrieb «Klus 177» in Aesch. 13 Mal habe er bislang Pflanzenschutzmittel ausgebracht. Ohne diese Massnahme gäbe es bei den europäischen Sorten einen Totalausfall. So aber könne der Verlust auf etwa ein Fünftel beschränkt werden.
Gar keine Probleme mit Pilzbefall hat die Domaine Chiquet in Ormalingen, die seit 2012 biologisch produziert und ausschliesslich Piwi-Sorten anbaut: «Wir haben dieses Jahr 4 Mal gespritzt und haben keinen Pilzbefall», sagt Claude Chiquet auf Anfrage.
Nicht-Bio «relativ gut dran»
Obwohl konventionell arbeitenden Rebbauern ein grösserer Spritzmittel-Schrank zur Verfügung steht als den Bio-Betrieben, ist für sie der nasse Frühling und feuchtwarme Frühsommer ebenfalls herausfordernd. «Es ist ein schwieriges Jahr», sagt Urs Jauslin, Muttenzer Winzer und Vizepräsident der Weinproduzenten Region Basel/Solothurn. Es habe öfter gespritzt und ausgelaubt werden müssen als sonst, und in steilen Reblagen sei der Einsatz von Traktoren wegen der nassen und rutschigen Böden zeitweise nicht möglich gewesen. Dadurch habe das Mähen und der Pflanzenschutz nicht wunschgemäss erledigt werden können. Trotzdem sei sein Betrieb «relativ gut dran», und im Moment sehe es nicht nach Ertragseinbussen aus.
Das Ausmass des Pilzbefalls in konventionellen Betrieben sei abhängig von der Lage der Reben eines Betriebs, dem Arbeitsaufwand, aber auch vom Wetterglück, so Jauslin. In Muttenz und Pratteln seien die Schäden seines Wissens gering, für die Kollegen in anderen Gemeinden könne er nicht sprechen.
Vorausgesetzt, der Sommer wird nun deutlich trockener – die Wetterprognosen lassen es hoffen –, könnten auch jene Betriebe, die einen Befall mit dem Falschen Mehltau verzeichnen, noch auf eine mengenmässig gute Ernte hoffen, sagt Jauslin, denn der Behang der Rebstöcke sei gut, und zur Qualitätssteigerung werde ohnehin ein Teil der Trauben herausgeschnitten. Wie gut der 2024er wird, zeigt sich erst in den letzten drei bis vier Wochen vor der Ernte. Können die Trauben dann viel Sonne tanken, liegt trotz des nassen Frühlings und Frühsommers ein guter Jahrgang drin.