Pflügen, pflanzen und Ochsen fangen
20.11.2025 GesellschaftEs war ein Tag wie aus der Zeit gefallen. Strahlend schön, der weite Himmel gesprenkelt von blau/weissen Schwalben. Hie und da bellt ein Hund. Wir sind bei unserem Nachbarn und Freund Danilo, um eine Viertelhektare mit Kartoffeln zu bepflanzen. Das Ochsengespann von Danilos Grossvater ist ...
Es war ein Tag wie aus der Zeit gefallen. Strahlend schön, der weite Himmel gesprenkelt von blau/weissen Schwalben. Hie und da bellt ein Hund. Wir sind bei unserem Nachbarn und Freund Danilo, um eine Viertelhektare mit Kartoffeln zu bepflanzen. Das Ochsengespann von Danilos Grossvater ist bereits im Einsatz. Er führt die mächtigen Tiere mit sanftem Schnalzen und einem langen Stock, Danilo hält den Pflug auf Kurs.
Wir streuen gut verrotteten Hühnermist und etwas Dünger in die Furchen, die nächste Gruppe legt Kartoffeln in die Erde. Das Ausheben der nächsten Furche deckt die Erdäpfel zu. Vier Generationen sind gekommen, um zu helfen – vom 80-jährigen Urgrossvater bis zum Dreikäsehoch Amaro, plus Tanten, Cousins und Alki-Onkel.
Plötzlich liegt Danilo im Dreck, der Grossvater brüllt, die Ochsen bocken, tanzen, nehmen Reissaus. Der eine wälzt sich mit gefährlich schiefem Hals am Boden, Grossvater kann das Joch von den Hörnern des anderen lösen und entgeht dabei haarscharf dem wild herum schwingenden Balken. Johnny bringt sich mit einem eleganten Rückwärtssalto aus der Gefahrenzone.
Mit einem gekonnten Wurf fängt Danilo eines der mächtigen Tiere ein und bindet es fest. Das andere ist mittlerweile vollends in Rage, trampelt Gestrüpp, Bäume und Zaun nieder und flüchtet zur angrenzenden Kirche. Grossvater, Cousins, Onkel und Johnny hinterher. Dann hören wir anderthalb Stunden nichts mehr …
Der Ochse sei auf direktem Weg nach Hause gerannt, erzählen die Rückkehrer, und habe dabei sechs Zäune zerstört, den Alki-Onkel (trotz erhöhtem Pegel ein ausgezeichneter Arbeiter) verletzt, haarscharf an Johnny und seiner Machete vorbei geschrammt, sich um einen Baum gewickelt und das Joch mitsamt eines Teils des Horns abgerissen. Das Gespann sei eben noch jung und nicht fertig ausgebildet, erklärt der Grossvater lakonisch. Wir binden den Pflug an unseren Traktor und bestellen den Rest des Feldes.
Das Kartoffelfeld ist eines von zwei Kooperationsprojekten, die wir diesen Frühling angeschoben haben. Viele Kleinbauern hier verfügen über Land, nicht aber über die nötigen Mittel, um Saatgut zu kaufen. Wie mit Danilo und Kartoffeln, haben wir mit Joche, einem befreundeten Jungbauern, 1,5 Hektaren Weizen und 1 Hektare Hafer gesät. Wir finanzieren das Saatgut zum Teil vor, helfen mit der Arbeit und teilen uns am Schluss die Ernte.
Es macht Freude, mit anderen zusammenzuspannen und nach getaner Arbeit ein Stück Fleisch vom Grill und ein paar kühle Bier aus dem Bach zu teilen. Vor allem, wenn man einander so aufregende Abenteuer wie jenes des Amok laufenden Ochsen erzählen kann. Das Tier hat leider nicht lange überlebt. Mit kaputtem Horn taugt er nicht mehr zur Arbeit. Der Grossvater ist nicht sentimental. Das Tier ist mittlerweile einfach Fleisch.
Die Journalistin Christa Dettwiler ist 2022 gemeinsam mit ihrem Sohn und dessen Ehefrau von Rünenberg nach Chile ausgewandert. Sie erzählt regelmässig von ihrem Alltag.

