Pflege-Pool soll Personalnot lindern
14.05.2024 BaselbietFünf Alters- und Pflegeheime beschreiten einen neuen Weg
Mit einem Personal-Pool von flexiblen Mitarbeitenden möchten die fünf Oberbaselbieter Altersund Pflegeheime gemeinsam der alltäglichen Personalnot in ihrer Branche entgegenwirken. Gestartet wird schon am 1. ...
Fünf Alters- und Pflegeheime beschreiten einen neuen Weg
Mit einem Personal-Pool von flexiblen Mitarbeitenden möchten die fünf Oberbaselbieter Altersund Pflegeheime gemeinsam der alltäglichen Personalnot in ihrer Branche entgegenwirken. Gestartet wird schon am 1. Juni damit.
Jürg Gohl
Die frühen Morgenstunden sind in einem Alters- und Pflegeheim für die Pflegefachkräfte die anspruchsvollsten. Denn dann treffen die Abmeldungen ein, die bei rund 250 Angestellten, wie das zum Beispiel alleine im «Mülimatt» in Sissach der Fall ist, schnell eine stolze Zahl ergeben können. Oft gelingt es trotz aufwendigem Telefonieren nicht, genügend Ersatz zu finden, zumal in der Branche allgemein ein Personalmangel vorherrscht. Wohl haben Stellenvermittler hier längst ihre Chance erkannt und springen ein, doch zu horrend hohen Preisen und nicht immer zuverlässig.
Die fünf Alters- und Pflegeheime (APH) im Oberbaselbiet, das sind das zum Eibach in Gelterkinden, das Zentrum Ergolz in Ormalingen, das Homburg in Läufelfingen, das Jakobushaus in Thürnen und schliesslich das Mülimatt in Sissach, beschreiten deshalb mit einem innovativen, zeitgemässen Pflege-Pool neue Wege. Anstatt bei einem der fünf Heime angestellt zu sein, schliessen sich die Pool-Mitarbeitenden der Firma Careanesth AG an, die bereits Erfahrungen mit ähnlichen Modellen in der Deutschschweiz gesammelt hat und im Auftrag der Oberbaselbieter Heime den neuen Pool betreut. Das neue Angebot gilt ab dem 1. Juni.
Dieses neue, arbeitnehmerfreundliche Angebot sei «ein wichtiges Pendant zum festen Stammpersonal der einzelnen Häuser», schreiben die Heime in einer gemeinsamen Mitteilung. Auf diese Art könnten kurz- und mittelfristige Ausfälle abgefedert und das fest angestellte Personal entlastet werden. Die Häuser versprechen sich davon, dank des Pool-Modells eine Pflege der Betagten auf hohem Niveau langfristig zu gewährleisten. Mireille Dimetto, Leiterin des «Mülimatts» und bei diesem Projekt für die Kommunikation verantwortlich, ist überzeugt, dass die neue Form wohl Entlastung bewirken, aber die allgemeine Notsituation in der Branche nicht beseitigen kann.
Verhaltener Start gewünscht
Die beteiligten Heime gehen von einem Pool von sechs oder sieben Personen aus. Allzu gross dürfe er ohnehin nicht werden, weil sonst zu viel klassisch angestelltes Stammpersonal verloren gehe. Die Leiter kennen aber Angestellte, die bereits ihr Interesse am Pool bekundet haben. Ein verhaltener Start entspreche allerdings ganz ihrem Wunsch. «Es ist ein Beginn», sagt Dimetto, «und wir passen uns laufend an. Nicht nur wir, sondern die ganze Arbeitswelt ist einem starken Wandel ausgesetzt.»
«Du entscheidest», steht auf dem Signet sowie auf dem grossen Plakat, das vor dem bikantonalen Bildungszentrum Gesundheit in Münchenstein aufgestellt ist. Die Botschaft, die hinter diesen zwei Worten steckt, lautet, dass die Pflegefachperson nach diesem neuen Modell selbst entscheidet, in welchem Mass sie gerade arbeiten will. Vielleicht bevorzugt sie gewisse Tage oder Zeitfenster; vielleicht stellt sie sich gerade für ein Vollpensum zur Verfügung, um damit eine spätere Reise zu finanzieren, die sie dann wieder am Arbeiten hindern wird.
Dieser Modus weicht sehr stark vom klassischen Regelwerk der fixen Anstellung ab. Doch Dimetto entgegnet, dass gerade junge Leute anders über das Arbeiten denken – Stichwort «Work-Life-Balance» – und deshalb solche individuellen Lösungen schätzen würden. Es sei, heisst es in der Mitteilung, «die Antwort auf moderne Bedürfnisse im Arbeitsmarkt».
Dafür nähmen sie die Nachteile, wie etwa die erst späte Klarheit, an welchem der fünf Standorte sie effektiv durch Buchung zum Einsatz kommen, oder das eher kleine Risiko, dass einmal tatsächlich kein Aufgebot erfolgt, in Kauf. Und sie müssten sich in allen fünf Häusern zurechtfinden. Der Beruf als Basis ist derselbe, doch pflegt jedes Heim seine eigene Kultur. Deshalb legen die Anbieter grossen Wert auf eine gute Einarbeitung in allen fünf Häusern.
Die Heimleiterinnen und -leiter, das sind neben Mireille Dimetto in Sissach noch Stephan Kunz in Ormalingen, Urs Rudin in Gelterkinden, Martin Schnellmann in Thürnen und Roger Schnellmann in Läufelfingen, steckten viel Arbeit in das gemeinsame Projekt. Allein die Frage der Entlöhnung, die von Haus zu Haus leicht variiert, bedingte eine völlig offene Kommunikation. «Zum Glück pflegten wir zuvor schon einen regen Austausch», sagt Dimetto. Und mit dem Blick auf die demografische Entwicklung und den allgemeinen Personalnotstand ergänzt sie: «Es ist undenkbar, dass jeder seine Probleme im Alleingang bearbeitet, das ergibt keinen Sinn und ist auch nicht im Interesse der Versorgungsregionen im Kanton Baselland.»