«Patienten müssen sich keine Sorgen machen»
30.08.2024 BaselbietDie FDP und die Ärztegesellschaft warnen vor der geplanten Beschränkung der Anzahl ambulant tätiger Ärztinnen und Ärzte in einzelnen Fachdisziplinen. Die Befürworter von SP bis «Mitte» sehen Sparpotenzial – und keine Risiken für die ...
Die FDP und die Ärztegesellschaft warnen vor der geplanten Beschränkung der Anzahl ambulant tätiger Ärztinnen und Ärzte in einzelnen Fachdisziplinen. Die Befürworter von SP bis «Mitte» sehen Sparpotenzial – und keine Risiken für die Patienten.
Tobias Gfeller
In rund drei Wochen, am 22. September, stimmt das Baselbiet über eine Teilrevision des kantonalen Gesundheitsgesetzes ab. Konkret geht es um einen Zulassungsstopp für ambulant tätige Ärztinnen und Ärzte in gewissen Fachbereichen. Ziel ist es, gemäss Bundesvorgabe eine Zulassungsbeschränkung ab dem 1. Juli 2025 zu vollziehen. Bereits praktizierende Ärzte wären davon nicht betroffen.
Vor zwei Wochen warnten die FDP und Mediziner an einer Medienkonferenz vor einer Überregulierung und einem drohenden Ärztemangel. Darunter würden vor allem die Patientinnen und Patienten leiden. Die prognostizierten Einsparungen von rund 7,7 Millionen Franken in den beiden Basel würde nicht zwangsläufig eintreffen, moniert die FDP. Und sowieso: Sie würde pro versicherte Person und Jahr nur gerade 15 Franken ausmachen (die «Volksstimme» berichtete).
Bei den Befürworterinnen und Befürwortern der Vorlage kommen die «Negativszenarien» und die «Angstmacherei» gar nicht gut an. Für den Niederdörfer SP-Landrat und Gesundheitspolitiker Urs Roth ist klar: «Die Patienten müssen sich überhaupt keine Sorgen machen.» Die Grundversorgung, zu der auch Hausärzte und Kinderärztinnen gehören, sei von der geplanten Begrenzung nicht betroffen. Sondern nur Disziplinen, in denen eine klare Überversorgung herrscht. Aufgrund dieser müssten Patienten auch künftig nicht mit «weiten Wegen» rechnen.
«Umsetzung mit Augenmass»
Roth wirft der Gegnerschaft der Gesetzesänderung «falsche Unterstellungen» vor. Die oftmals zitierten acht betroffenen Fachdisziplinen Anästhesiologie, Augenheilkunde, Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde, Kardiologie, Neurologie, Orthopädie, Radiologie und Urologie stünden noch gar nicht definitiv fest, so Roth.
«Die Verordnung mit den acht Bereichen ist längst überholt. Im Spätherbst erhalten die Kantone vom Bund die aktuellsten Zahlen, gemäss denen die Vorlage kantonal in einer Verordnung definiert wird», sagt Roth. Er spricht von einer «Umsetzung mit Augenmass». Das Bundesrecht gebe den Kantonen grossen Spielraum und würde flexibel ausgestaltet, damit auch Ausnahmen gemacht werden können. In die Ausarbeitung der kantonalen Verordnung werden die betroffenen Fachgesellschaften miteinbezogen, kündigt Roth an, der seit vielen Jahren in Institutionen im Gesundheitsbereich arbeitet. Der SP-Landrat geht davon aus, dass weniger als die acht kommunizierten Disziplinen betroffenen sein werden.
Die vor Kurzem in einem Artikel der «BaZ» aufgeworfenen Zweifel, dass im Kanton Baselland gar nicht genau klar sein soll, wo überall eine Überversorgung bestehe, wischt Urs Roth vom Tisch und erinnert an die Zahlen vom Spätherbst, die endgültig Klarheit bringen würden. «Dass in einzelnen Bereichen eine Überversorgung besteht, ist aber zweifelsfrei der Fall», stellt der Niederdörfer SP-Landrat klar.
Für Roth wäre eine Zulassungsbeschränkung in einzelnen Disziplinen ein wichtiges Signal für den Medizinnachwuchs, zu sehen, in welchen Bereichen die grössten Chancen bestehen und in welchen das Angebot an Personal schon jetzt gross ist. Roth will damit aber keinesfalls verstanden wissen, dass verhindert werden soll, dass Medizinstudentinnen und -studenten diese beliebten Bereiche nicht mehr wählen sollen. «Wir brauchen Nachwuchs in allen Bereichen. Aber das Signal wäre klar, wo es mehr Ärzte braucht und wo weniger», sagt er.
«Das ist wenig glaubwürdig»
Roth ärgert sich darüber, dass vonseiten der FDP, die im Abstimmungskampf von der SVP unterstützt wird, immer vom Sparen die Rede sei und eine «Krankenkasse light» gefordert werde, wenn aber eine Vorlage mit Sparpotenzial vorliege, die FDP dagegen Opposition ergreife. «Das ist wenig glaubwürdig», so Roth.
Der Abstimmungskampf stimmt ihn nachdenklich. Dass es bereits bei einem solch «kleinen Thema» grosse Diskussionen und keinen Konsens gibt, bereitet dem Sozialdemokraten Sorgen: «Wie wollen wir so einen Konsens erzielen, wenn es um die ganz grossen Fragen der Gesundheitsversorgung in der Region geht, die in naher Zukunft unbedingt gestellt werden müssen?»
Ja-Komitee politisch breit abgestützt
gfe. Um den Anstieg der Gesundheitskosten zu dämpfen, wurde in den beiden Basel ein gemeinsames Vorgehen gewählt und unter anderem eine gleichlautende Gesetzesgrundlage für die Zulassungsbeschränkung von Ärzten geschaffen. Das sei zu begrüssen, da ein gemeinsamer Gesundheitsraum bestehe und die beiden Basel im schweizweiten Vergleich eine sehr hohe Ärztedichte und eine überaus hohe Prämienlast aufweisen würden, schreibt das Komitee, das sich für ein Ja bei der Volksabstimmung im Baselbiet vom 22. September einsetzt.
«Insbesondere bei einzelnen chirurgischen und technischen Spezialdisziplinen entstehen immer mehr Angebote und es besteht heute eine Überversorgung, welche die Prämienlast weiter erhöht», schreiben SP, Grüne, EVP, GLP und «Mitte» in einer gemeinsamen Mitteilung. Das Ja-Komitee warnt davor, dass ohne Einführung einer Ärzte-Obergrenze die Gesundheitskosten ungebremst weiter ansteigen werden.