«Patienten möchten Hilfe, nicht neuen Beton»
07.01.2025 Bezirk LiestalDer Liestaler Arzt Tibor Somlo hat in seinen 30 Jahren als Chef einer Privatklinik unzählige Patienten operiert, viele politische Schlachten geschlagen und sechs kantonale Gesundheitsdirektoren überlebt. Wohl gesonnen waren ihm die wenigsten.
Christian ...
Der Liestaler Arzt Tibor Somlo hat in seinen 30 Jahren als Chef einer Privatklinik unzählige Patienten operiert, viele politische Schlachten geschlagen und sechs kantonale Gesundheitsdirektoren überlebt. Wohl gesonnen waren ihm die wenigsten.
Christian Horisberger
Herr Somlo, in einem Jahr wollen Sie Ihre Ergolz-Klinik verkaufen. Haben Sie bereits begonnen, kürzer zu treten? Sie sind immerhin bereits 71-jährig …
Tibor Somlo: Ich nehme immer noch mehrere Aufgaben wahr: Ich leite die Klinik, operiere, habe aber nicht mehr so viele Sprechstunden wie früher: noch an dreieinhalb und nicht mehr an fünf Tagen in der Woche.
Ihr Klinik-Gebäude hier an der Hammerstrasse scheint nicht mehr voll genutzt zu sein. Täuscht der Eindruck?
Die Klinik befindet sich im zweiten Obergeschoss, das erste OG nutzen wir zur Hälfte für Bettenzimmer. Im Haus sind ausserdem zwei Arztpraxen und ein Ambulatorium sowie die Physiotherapie im angebauten Gebäude. Einige Leerstände gibt es. Das wird sich ändern, wenn der neue Eigentümer das übernimmt.
Dann haben Sie also einen Käufer gefunden. Wen?
Es gab sehr viele Interessenten und wir haben uns für einen entschieden. Eine Absichtserklärung ist bereits unterzeichnet wordenDen Namen kann ich noch nicht nennen. Nur so viel: Es handelt sich um ein Unternehmen, das bereits eine Privatklinik betreibt und in Liestal seinen zweiten Standort etablieren möchte. Die Klinik bleibt also erhalten, sie bleibt auch ein Belegarztspital und das Klinikpersonal und die Belegärzte werden weiterhin hier tätig sein.
Sie haben die Klinik laut ihren eigenen Angaben weit unter Wert zum Kauf angeboten. Weshalb?
Das Gesundheitswesen befindet sich immer im Umbruch, Unsicherheit ist ein ständiger Begleiter. Viele Spitäler, ob privat oder öffentlich – wir nicht! –, schreiben rote Zahlen. Nun steigen die Personalkosten, gleichzeitig zahlen die Versicherungen für unsere Leistungen weniger, da die Tarife politisch und nicht betriebswirtschaftlich festgelegt werden. Unter diesen Voraussetzungen ist die Übernahme eines Spitals ein Risiko. Der Verkauf der Klinik unter ihrem Wert ist eine Starthilfe und ein Anstoss für einen Investor, der sich der grossen Herausforderung stellt.
Sie sagen, dass Sie im Gegensatz zu vielen anderen Spitälern Gewinn machen. Was ist Ihr Geheimnis?
Innovativ sein und effizient arbeiten. Vieles liegt in meinen Händen: Ich bin ärztlicher Leiter, mache die Akquisition der Belegärzte, kümmere mich um unsere 25 Mitarbeitenden … Ich mache einen Rundumjob wie es heute nicht mehr viele tun.
Im Januar feiern Sie 30 Jahre Ergolz-Klinik. Welche Personen werden Sie bei Ihrer Ansprache hervorheben?
Sehr dankbar bin ich den Menschen, die während dieser Zeit in der Klinik gewirkt haben und meiner Familie, die meine Arbeit wesentlich mitträgt.
Und welches Ereignis?
Da denke ich an die Erstfinanzierung meiner Klinik durch die Basellandschaftliche Kantonalbank. Da damals der Regierungsrat den Bankrat besetzte, ging die Bank sozusagen innerkantonal auf Oppositionskurs. Der damalige Gesundheitsdirektor Werner Spitteler hatte gar keine Freude. Als zwei Jahre vor uns die Klinik Birshof eröffnet wurde, hatte er gesagt, so etwas würde unter ihm nie wieder geschehen … Die Bank finanzierte mich trotzdem.
Er irrte sich.
Bis jetzt haben wir sechs Regierungsund Gesundheitsdirektoren überlebt.
Welcher war der mühsamste?
Mein grösster Gegner war Edi Belser. Bei seiner ersten Spitalliste sagte er zu mir: «Ich bekämpfe Sie, wo ich kann.» Für ihn gehörten Spitäler nicht in private Hände.
Und der beste?
Der beste ist der jetzige, obwohl er erst seit kurzer Zeit im Amt ist.
Weshalb?
Ich mag und schätze ihn. Seine Strategie der Ambulantisierung, kombiniert mit dezentralen Standorten, ist zukunftsweisend.
Warum hatten Sie damals trotz des politischen Gegenwinds beschlossen, ein privates Spital zu eröffnen?
Zuvor hatte ich während fast zehn Jahren als Selbstständiger im Auftrag der Regierung am Kantonsspital Liestal, im Bruderholz und im Spital Laufen die Hals-Nasen-Ohren-Versorgung (HNO) übernommen. Dann wollte man in Liestal eine vollamtliche HNO machen mit einem Chefarztsystem. Ich habe einen starken Drang nach Freiheit und Selbstständigkeit und wollte mir nicht von einem Spitalverwalter sagen lassen, was ich zu tun habe. Wollte ich weiterführen, was ich tat, musste ich mein eigenes Spital eröffnen.
Vor den damit verbundenen organisatorischen Aufgaben schreckten Sie nicht zurück?
Für mich war Unternehmertum immer ein Hobby. Und gegen all die Steine, die mir vom Kanton und den Krankenkassen in den Weg gelegt wurden, habe ich mich stets gewehrt. Vier oder fünf Mal bis zur höchsten Instanz. Wir haben jedes Mal gewonnen.
Welches war Ihr grösster Sieg?
Ich empfand die Entscheide der Gerichte nie als Sieg, sondern als Korrektur staatlicher Willkür.
Sie scheinen die Kämpfe gut überstanden zu haben, wirken fit und zufrieden.
Das bin ich. Meine Tätigkeit als Arzt empfand und empfinde ich als sehr befriedigend.
Fällt Ihnen der Rückzug da nicht schwer?
Erstens: Man muss realistisch sein und akzeptieren, dass die Zeit voranschreitet, und positiv damit umgehen. Zweitens ist es ja kein völliger Rückzug vom Berufsleben, sondern eine Veränderung. Meine Praxis am Bahnhof Liestal werde ich beibehalten, und wenn die neuen Eigner der Klinik dies wünschen, stehe ich ihnen in einer Übergangsphase als ärztlicher Leiter zur Verfügung. Ich könnte mir auch vorstellen, als Berater von Spitälern zu wirken.
Sie könnten ja Thomi Jourdan beraten.
Ich hatte tatsächlich schon Ideen, die er aufgegriffen hat, und wir haben auch schon über Dinge diskutiert, die er umsetzen möchte. Ich habe jedoch nicht die Ambition, das Kantonsspital Baselland zu sanieren. Das ist nicht meine Baustelle.
Im Sorgenbarometer der Schweizerinnen und Schweizer sind die Krankenkassenprämien ganz weit oben. Wie lassen sie sich senken?
Die grössten Kostentreiber unseres Gesundheitswesens sind die Patienten. Unser Krankenversicherungsgesetz stellt jedem frei, für einen Monatsbeitrag so oft und zu jedem Doktor zu gehen, wie er will. Das gibt es ausser im Gesundheitswesen nirgends. Langfristig ist das unfinanzierbar. Funktionieren kann das System nur, wenn die heutige Luxus-Grundversicherung, bei der sich jeder aus dem Vollen bedienen kann, auf Basisleistungen beschränkt wird, auf die lebenswichtigen, zentralen Sachen. Mit dem heutigen System lassen sich die Prämien nicht senken, da die Kosten im Gesundheitswesen aufgrund des demografischen Wandels, dem steigenden Anspruchsdenken und dem Fortschritt der medikamentösen und medizintechnischen Behandlungsmöglichkeiten laufend steigen.
Die Versicherten dürften ihre Leistungen kaum selber beschneiden. Was ist das Ergebnis des Dilemmas?
Politiker kürzen die Tarife – und machen so die Privaten kaputt, die keinen Staat im Rücken haben, der ihre Defizite mit Steuergeldern deckt. Das läuft auf ein staatliches Gesundheitssystem hinaus. Aus anderen Ländern wissen wir, dass staatliche Gesundheitssysteme nicht billiger und schon gar nicht effizienter sind als Private.
Was können die privaten besser als die öffentlichen Spitäler?
Sie können viel besser und effizienter auf die Bedürfnisse der Patienten eingehen.
Dies auch günstiger?
Auf jeden Fall. Das staatliche Gesundheitswesen ist nicht wirklich bestrebt, günstig zu sein. Mir scheint eher, alle Gesundheitsdirektoren wollen sich mit einem neuen, teuren Spital ein Denkmal setzen.
Das will Thomi Jourdan auch. Kürzlich hat er den Bau eines neuen Spitals zur Debatte gestellt. Wie stehen Sie dazu?
Es ist ja eine interessante Reihenfolge: Während über einen möglichen Neubau an einem neuen Standort gesprochen wird, entsteht beim KSBL in Liestal ein mehrstöckiges Parkhaus … Ich bin nicht prinzipiell gegen ein solches Vorhaben. Generell finde ich aber, dass man aus dem Gegebenen Schritt für Schritt das Beste macht. Kein Unternehmer würde zwei kränkelnde Standorte sanieren, indem er andernorts einen doppelt so grossen neu aus dem Boden stampft. Ausserdem ist bei den Überlegungen das unternehmerische Gesamtdenken im Bereich Dienstleistung für mich in diesen Überlegungen nicht erkennbar. Das wichtigste für eine florierende Dienstleistung im Gesundheitswesen ist die Leistung guter Ärztinnen und Ärzte, guter Pflegepersonen, dass man für die Patienten da ist und ihnen Empathie entgegenbringt. Sie möchten Hilfe und nicht neuen Beton mit einer super Aussicht aus dem Krankenzimmer.
In welcher Rolle fühlen Sie sich wohler: in der des Unternehmers oder der des Chirurgen?
In der des Arztes und Chirurgen.
Welches ist Ihr Lieblings-Eingriff?
Ich habe alle zehn Jahre den Schwerpunkt geändert; das war ein dynamischer Prozess. Ich hatte mich sehr lange auf die Mikrochirurgie der Ohren konzentriert, dann machte ich mehr Nasennebenhöhlen, dann kamen ästhetisch-kosmetische Eingriffe und jetzt ist es die Schilddrüsenchirurgie, die ich präferiere.
Können Sie als plastischer Chirurg bestätigen, dass die Patienten, die kosmetische Eingriffe vornehmen lassen, tendenziell jünger werden?
Das ist so. Durch die Selbstdarstellung in den Sozialen Netzwerken verbreiten sich Trends in Windeseile. Es gibt eine Tendenz zum Narzissmus. Man sieht viele 16-jährige Mädchen, die ihre Lippen aufgespritzt und auch anderes gemacht haben. Mädchen treten schon im vorpubertären Alter in Konkurrenz – das ist ein unglaublicher Druck, der sie nicht glücklich macht. Ich bedauere diese Entwicklung. Aufmerksame Eltern sind gefordert, damit das nicht überhandnimmt.
Birgt das Aufspritzen der Lippen keine gesundheitliche Risiken?
Das Normale sind Hyaluronsäuren, mit denen sie aufspritzen, das wird wieder resorbiert.
Stellen Sie auch fest, dass sich Menschen präventiv liften lassen, um die Alterung optisch zu verzögern?
Prophylaktisch gegen das Alter gibt es eigentlich nicht viel. Wer eine schöne Haut haben möchte, sollte nicht rauchen, sich normal ernähren und auf den Sonnenschutz achten. Auch noch bei leichter Bewölkung ist es sinnvoll, sich das Gesicht einzucremen, da sich die Strahlenbelastung aufsummiert.
Sie sind auch Spezialist für das Gehör. Häufig findet man an bester Lage Hörgeräte Geschäfte. Hören die Menschen immer schlechter?
Das denke ich nicht. Aber wir werden älter. Und im Alter ist das nachlassende Hörvermögen ein zunehmendes Problem. Das Hörgerät ist ein sehr gutes Hilfsmittel, doch hat es ein schlechtes Sozialimage: Während Brillenträger intellektuell wirken, macht das Hörgerät alt und doof. Heute gibt es sehr gute Geräte, die man kaum noch sieht. Die Technologie hat enorme Fortschritte gemacht. Dadurch findet vielleicht ein Umdenken statt, was die Verkäufe steigert.
Zur Person
ch. Tibor Somlo kam mit seinen Eltern nach dem gescheiterten Ungarnaufstand 1956 in die Schweiz nach Liestal. Er studierte in Basel Medizin und Zahnmedizin und bildete sich in den USA als plastischer Chirurg weiter. Seit 30 Jahren führt er die von ihm gegründete Ergolz-Klinik an der Hammerstrasse in Liestal. Zudem betreibt er am Bahnhof Liestal eine HNO-Praxis. Während seiner langjährigen Tätigkeit war er in mehreren Expertengremien und Fachverbänden engagiert und hatte von 1989 bis 2011 an der Semmelweis-Universität in Budapest eine Gastprofessur für Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde.
Somlo lebt in Liestal, ist verheiratet und hat acht erwachsene Kinder. Er hat eine Passion für Auto-Oldtimer, fürs Reisen und engagiert sich für tropische Landschildkröten. Ausserdem ist er Gründer und Eigentümer des «Swiss Mega Park» in Frenkendorf. Der Arzt sieht dies als ein idealistisches Projekt, welches bei Kindern und Jugendlichen Spass und Bewegung fördern soll. Er wolle damit der Region, der er viel zu verdanken habe, etwas zurückgeben.