Nur noch eine Frau in der Regierung?
30.10.2025 BaselbietFrauenquote könnte unter den nationalen Durchschnitt fallen
Der zweite Wahlgang um den frei werdenden Sitz von Monica Gschwind entscheidet neben der parteipolitischen Zusammensetzung der Regierung auch, wie stark Frauen künftig in der kantonalen Exekutive vertreten sind.
...Frauenquote könnte unter den nationalen Durchschnitt fallen
Der zweite Wahlgang um den frei werdenden Sitz von Monica Gschwind entscheidet neben der parteipolitischen Zusammensetzung der Regierung auch, wie stark Frauen künftig in der kantonalen Exekutive vertreten sind.
Melanie Frei
Nach dem ersten Wahlgang vergangenen Sonntag um den frei werdenden Sitz von Monica Gschwind kommt es Ende November zum Zweikampf zwischen Sabine Bucher (GLP) und Markus Eigenmann (FDP). Sollte Eigenmann gewählt werden, wäre nach rund zehn Jahren wieder nur eine Frau in der Baselbieter Regierung vertreten – und nur noch eine Person aus dem Oberbaselbiet. GLP-Präsident Thomas Tribelhorn sagte am Abstimmungssonntag: «Wer Bucher wählt, sorgt für ausgeglichenere Verhältnisse.» Die «Volksstimme» hat mit früheren und heutigen Politikerinnen gesprochen: über Gleichstellung und die Frage, ob Geschlecht bei Regierungswahlen überhaupt eine Rolle spielen sollte.
Nein, findet Sabine Pegoraro, FDP-Alt-Regierungsrätin: «Für mich steht klar die Qualifikation im Vordergrund: Sachverstand, Sozialkompetenz, Teamfähigkeit, Führungserfahrung und Vernetzung.» Die Juristin war von 2003 bis 2019 als erste freisinnige Regierungsrätin des Kantons Mitglied der Regierung.
Es sei immer gut, wenn Gremien durchmischt seien und Aspekte beider Geschlechter einfliessen könnten, so die 67-Jährige. «Aber bei Gremien mit Volkswahl entscheidet letztlich der Wählerwille über die Zusammensetzung, und das ist zu akzeptieren.» Seit 2015 sassen mit Pegoraro, Monica Gschwind (FDP) und Kathrin Schweizer (SP) jeweils zwei Frauen in der Exekutive. Die erste Regierungsrätin im Baselbiet war 1994 Elsbeth Schneider (damals CVP), die bis zu ihrem Rücktritt 2007 die Bau- und Umweltschutzdirektion leitete.
«Grundsätzlich erlebte ich im Wahlkampf 1994 geschlechterübergreifend eine grosse Unterstützung. Trotzdem habe ich als Frau damals nicht damit gerechnet, gewählt zu werden», so Schneider. Von Beginn an fühlte sie sich von den Kollegen akzeptiert. Die Geschlechterfrage sei mehr Thema für die Medien gewesen: «Wichtig war, dass man bereit ist, sich mit vollem Einsatz den Aufgaben zu stellen und nicht eine spezielle Behandlung als Frau vorauszusetzen.»
«Zentral für die Demokratie»
Sabine Pegoraro teilt diese Erfahrung: «Nach dem Ausscheiden von Elsbeth Schneider war ich einige Jahre die einzige Frau in der Regierung, was ich keineswegs als negativ empfunden habe. Ich hatte stets ein gutes Verhältnis mit meinen Kollegen.» Sie glaube nicht, dass Entscheidungen anderer Geschlechtervertretung anders ausgefallen wären.
Der Kanton schreibt auf seiner Website, dass eine ausgewogene Vertretung von Frauen und Männern zentral sei für die Weiterentwicklung einer Demokratie. Die Geschlechterzusammensetzung der Bevölkerung solle sich in politischen Gremien widerspiegeln. Denn unterschiedliche Lebensrealitäten führten zu unterschiedlichen Erfahrungen, Bedürfnissen und Sichtweisen.
Eine Nicht-Wahl von Sabine Bucher würde diesem Anspruch widersprechen. Bucher wäre erst die fünfte Frau in der Baselbieter Regierung – mehr als 50 Jahre nach Einführung des Frauenstimmrechts. Monica Gschwind war 2015 erst die dritte Regierungsrätin. Bei einer Wahl Buchers sässen mit Kathrin Schweizer dann zwei Frauen im fünfköpfigen Gremium.
Zum Vergleich die Frauenquote in Regierungen anderer Kantone nach einer Auflistung des Bundesamts für Statistik: In der Basler Regierung sitzen drei Frauen in einem siebenköpfigen Gremium, was mit 42,5 Prozent deutlich über dem nationalen Durchschnitt von 35,7 Prozent liegt. Im Kanton Solothurn sind mit 60 Prozent drei Frauen in einem fünfköpfigen Gremium vertreten. Der Kanton Aargau liegt mit einer Frau in einem fünfköpfigen Gremium mit 20 Prozent deutlich unter dem nationalen Durchschnitt. Das Baselbiet ist dort zwar mit zwei Frauen und 40 Prozent noch über dem Schnitt, fiele aber bei einer Wahl von Eigenmann ebenfalls auf 20 Prozent.
Sowohl Pegoraro als auch Schneider unterstützen für die Regierungsratswahl Markus Eigenmann. Pegoraro: «Ich kenne ihn aus meiner Regierungszeit vor allem als Gemeindepräsidenten. Die Zusammenarbeit war stets sehr gut und angenehm. Er ist sehr kompetent, erfahren und umgänglich.
Ich wähle ihn aus Überzeugung.» Schneider nennt seine vielseitigen Erfahrungen, besonders als Gemeindepräsident von Arlesheim, als ausschlaggebend.
Grüne-Ständerätin und Sissacherin Maya Graf macht sich seit jeher für die Frauen stark. Nach Jahren im Landrat und im Nationalrat vertritt sie seit 2019 den Kanton Baselland im Ständerat – als erste Frau überhaupt. Für Graf ist klar, dass ein ausgeglichenes Geschlechterverhältnis in Leitungspositionen immer wichtig sei. «Leider ist dies noch lange nicht selbstverständlich, obwohl wissenschaftlich bewiesen ist, dass die Qualität der Entscheide von einem vielfältig zusammengesetzten Gremium besser und nachhaltiger ist.»
Die Bedürfnisse und Anliegen von Frauen, die sich neben dem Beruf häufig um Kinder und Eltern kümmern, müssten durch eine angemessene Vertretung in Entscheidungspositionen einfliessen, so Graf. Dies zum Wohl der ganzen Gesellschaft und einer stabilen Demokratie. «Bei einer Ersatzwahl wie jetzt ist es immer schwierig, einer angemessenen Vertretung beider Geschlechter gerecht zu werden, da es wenig Spielraum gibt.» Bei Gesamterneuerungswahlen seien die Parteien (und die Stimmbevölkerung) aber verantwortlich, Rücksicht zu nehmen.
Elisabeth Christen-Augstburger ist Präsidentin von «frauenplus Baselland». Die Kerngeschäfte der 1927 gegründeten Organisation sind die verschiedenen Angebote, die den Frauen und Männern weiterhelfen sollen, wie es Christen-Augstburger ausdrückt. «frauenplus Baselland» gebe zwar keine Wahlempfehlungen ab und respektiere den demokratischen Prozess. Christen-Augstburger fügt aber an: «Die Wahl von Sabine Bucher wäre ein Gewinn für die Demokratie, die Vielfalt und die Chancengleichheit im Baselbiet. Dies kann auch andere Frauen ermutigen, sich politisch zu engagieren, Führungsaufgaben zu übernehmen und sich etwas zuzutrauen.» In Sachen Gleichstellungspolitik sei der Kanton noch nicht am Ziel.
Dass trotz jahrelanger Diskussionen über Frauenförderung im zweiten Wahlgang nur eine Kandidatin antritt, erklärt sie mit strukturellen Hürden: «Allenfalls sind Frauen durch ihren Job, die Familie oder eine Weiterbildung absorbiert und haben oft keine Möglichkeit oder auch keine Zeit für ein Regierungsratsamt, wo es viel Flexibilität und Kapazität braucht.»
Am 30. November wird sich zeigen, ob Kathrin Schweizer künftig die einzige Regierungsrätin sein wird.

