«Notschrei»
15.08.2025 Persönlich«Könntest du ausnahmsweise schon für diese Woche eine Kolumne liefern?» Jemand sei nicht abkömmlich. So lautete eben diese Woche eine Meldung an mich. Ein Bier schaue dabei sogar noch heraus.
Nun, lange musste ich mir das nicht überlegen. Nein, nicht wegen ...
«Könntest du ausnahmsweise schon für diese Woche eine Kolumne liefern?» Jemand sei nicht abkömmlich. So lautete eben diese Woche eine Meldung an mich. Ein Bier schaue dabei sogar noch heraus.
Nun, lange musste ich mir das nicht überlegen. Nein, nicht wegen des Biers, sondern weil ich «einewääg» nie früher dran gehe als «heute». In aller Regel setze ich mich vor den Computer und warte auf den Musenkuss. Ich weiss zwar nicht wirklich, ob die erwähnten sagenhaften Damen auch für Kolumnen zuständig sind, aber egal: Eine Woche später wäre die Inspiration ohnehin nicht weiter fortgeschritten.
Jetzt könnte der Eindruck entstehen, der obige Titel beziehe sich auf das eben Beschriebene. Dem ist aber eigentlich nicht so. Vielmehr beziehe ich mich auf einen Pass im Südschwarzwald mit diesem Namen. Nun staunen die meisten Leute, wenn man ihnen erzählt, man habe die Ferien auf dem «Notschrei» verbracht. Viele Schweizer kennen sich im Süden Afrikas oder im Fernen Osten besser aus als in der näheren Umgebung, so scheint es.
Unsere Familie gehört nun aber eher zu den Anhängern des Satzes: «Es war noch nie einsichtig, weshalb man in der heissen Jahreszeit an einen noch heisseren Ort reisen soll.» (Das hat einmal ein gescheiter Mensch rausgelassen, wurde in der Zeitung zitiert und hängt seither kopiert bei mir im Büro rum.) Jedenfalls zieht es uns im Sommer nie südwärts, was neuerdings unter der Bezeichnung «Coolcation» laufe, wie letzthin in einer Zeitschrift zu lesen war, von wegen Mischung aus englisch «cool» und «vacation». Unsere Schwarzwaldferien sind folglich voll im Trend. Und solche haben wir in der letzten Zeit dreimal verbracht.
Zweimal waren wir also auf dem «Notschrei» auf 1120 Metern Höhe in der Nähe des Feldbergs. Wie er zu seinem Namen kam, ist eine längere Geschichte, aber am Ende handelte es auch um einen Notschrei, eine dringende Petition der ansässigen Bevölkerung an die Regierung des Grossherzogtums Baden in Karlsruhe. Und weil man dort Angst vor einer Revolution hatte, willigte man nach Längerem ein und baute die Strasse über diesen Pass, der von da an eben Notschrei hiess. 1854 entstand dort nach dem Bau ein Gasthof, der heute zu einem Hotel ausgebaut ist, das gerade erst erweitert wurde. In der Nähe hat es einen Skilift, aber in erster Linie ist es ein Zentrum für Skilanglauf. Für uns geht es eher um Spaziergänge in der Natur und – wie man heute zu sagen pflegt – Wellness.
Diesen Sommer aber verbrachten wir eine Woche am Schluchsee, ebenso in einem Wellnesshotel, für das die liebste Liebste einen Geschenkgutschein erhalten hatte. Zu viert genossen wir die Natur, den See und das Verwöhntwerden. Es ergab sich von selbst, dass ständig Vergleiche zum Hotel am «Notschrei» gezogen wurden. Das Essen, der Service, der Pool, die Sauna usw. Hier nur so viel: Der «freundlichste Kellner» liess uns zum Abschied vier grosse Stücke Schwarzwäldertorte einpacken. Auch als Reaktion auf einen «Notschrei» wegen völlig versalzener Kartoffeln beim letzten «Znacht».
Kuri Wirz, Gelterkinder von Geburt und aus Passion