«Nichts ist unmöglich»
17.05.2024 Sport, Leichtathletik, Gelterkinden, SportElijah Thommen startet in zwei Disziplinen an der Para-WM
Morgen beginnt für den Weitspringer und Sprinter Elijah Thommen die erste Para-WM. Speziell daran: Bis vor wenigen Jahren trat er nur gegen nicht beeinträchtigte Athleten an. Der Gelterkinder hat sogar noch eine kleine ...
Elijah Thommen startet in zwei Disziplinen an der Para-WM
Morgen beginnt für den Weitspringer und Sprinter Elijah Thommen die erste Para-WM. Speziell daran: Bis vor wenigen Jahren trat er nur gegen nicht beeinträchtigte Athleten an. Der Gelterkinder hat sogar noch eine kleine Chance, die Paralympics-Qualifikation zu schaffen. «Nichts ist unmöglich», sagt er dazu optimistisch.
Luana Güntert
Erleichtert spazierte Elijah Thommen vergangene Woche über den Sportplatz Tannenbrunn – sein zweites Wohnzimmer sozusagen. Gerade hat der Gymnasiast seine erste Matura-Prüfung abgelegt. «Es war der Deutsch-Test – er lief ganz gut», erzählte er. Alle Prüfungen kann der Gelterkinder diesen Mai jedoch nicht ablegen, denn seit Kurzem befindet sich der Sprinter und Weitspringer im japanischen Kobe, wo er in beiden Disziplinen erstmals an einer Para-Weltmeisterschaft teilnehmen wird. «Die Qualifikation kam überraschend, auch wenn sie ein grosses Ziel war», so Thommen, der bei der LGO Oberbaselbiet auf dem Tannenbrunn trainiert.
In Japan wird der 19-Jährige einer der jüngsten Teilnehmer in seinen Sportarten und seiner Kategorie sein und auch der einzige Schweizer. Einige seiner Konkurrenten konnte er an anderen Wettkämpfen schon kennenlernen. «Ich bin auch einer, der nachforscht, wer die Gegner sind und wie sie trainieren. Das interessiert mich immer sehr», gibt er zu. Neben den Amerikanern gehören aktuell zwei Chinesen zu den grossen Favoriten im Weitsprung.
Sich selber herausfordern
Personen, die Thommen – einen auf den ersten Blick total gesund wirkenden jungen Mann – nicht kennen, würden ihn wohl nicht als Para-Athleten einschätzen. Tatsächlich umfasst seine Para-Kategorie «T38» Personen mit nur kleinen Einschränkungen. Das «T» steht für Track, also das englische Wort für «Bahn», auf der gesprintet und gesprungen wird. Die Zahl 38 steht für die Art und Stärke der Einschränkung. «Ich leide seit meiner Geburt an Zerebralparese und habe Spastiken und Hypertonie», sagt er. Fast alle Athleten in seiner Kategorie haben dieselbe Erkrankung wie Thommen.
«Im Alltag behindert mich meine Krankheit nur selten», sagt der Gelterkinder. Beim Sport merke er aber die Einschränkung, da er vor allem auf seiner rechten Körperseite weniger Kraft und generell koordinative Schwierigkeiten habe. Seine Krankheit hat Thommen aber schon als Kind nicht davon abgehalten, Sport zu treiben. Zuerst spielte er Unihockey und fand dann über den «UBS Kids Cup» seine Liebe für die Leichtathletik. 2018 meldete er sich, damals 13-jährig, bei der LGO zum Probetraining an. Durch seinen Bruder, der schon vor ihm im Verein war, hatte er einen Bezug zur Leichtathletik und einen Trainingspartner.
Ehrgeiz als grosse Stärke
Während der ersten Jahre in der neuen Sportart startete Thommen nicht in der Para-Kategorie. Mit seinem Vater sprach er jedoch öfters über einen möglichen Wechsel. Als dann 2021 der Para-Nationaltrainer anklopfte, nachdem er seine Resultate bei den Nicht-Para-Athleten gesehen hatte, entschied er sich dafür, auch in der Para-Kategorie zu starten. Aber nicht nur: Der Gelterkinder nimmt immer noch an Wettkämpfen mit Sportlern ohne Einschränkung teil: «Es gibt nur wenige Para-Wettkämpfe und die Leichtathletik funktioniert überall gleich: so schnell rennen wie möglich, so weit springen wie möglich.» Aber können solche Wettkämpfe nicht auch deprimierend sein? «Nein», sagt er. Er wolle damit vor allem sich selbst herausfordern und seine Bestleistungen übertreffen. Thommen träumt davon, in der Zukunft an den Paralympics teilzunehmen. An der WM hätte er mit einem sehr guten Resultat noch die Chance auf eine Qualifikation. Auch wenn er gegen starke und erfahrene Athleten antreten wird, sagt er: «Nichts ist unmöglich.» Erreichen möchte er das auch mit seinem «Hunger» nach Medaillen und seinem Ehrgeiz, den er als seine Stärke bezeichnet.
Diesen Ehrgeiz bewundert er auch an seinem kleinen Bruder Nevis, der für ihn ein Vorbild und Motivator ist: «Er ist zwar zwei Jahre jünger, aber meistens schneller als ich.» Ein weiteres Vorbild für den 19-Jährigen ist der ehemalige Sprint-Star Usain Bolt: «Seine Mentalität und sein Erfolg waren unglaublich.»
Latein, nicht Sport
Viel Freizeit hat Thommen neben dem Sport und der Schule nicht. «Ich kann sie mir aber gut einteilen und es passt alles aneinander vorbei.» Er spielt gerne Klavier und mag es, mit der Familie und Freunden Zeit zu verbringen. Überraschenderweise besucht der Gelterkinder nicht die Sportklasse, sondern das «normale» Gymnasium mit dem Hauptfach Lateinisch. Bedauern tut er das nicht – im Gegenteil: Er habe schon strenge Phasen gehabt, sei aber froh, dass er nicht fünf Jahre am Gymnasium bleiben müsse für die Matur. «Ich denke auch nicht, dass ich wegen meiner Entscheidung etwas verpasst oder einen Trainingsrückstand habe.»
Nach der Matur zieht es Thommen nach Magglingen, wo er ab Oktober die Spitzensport-Rekrutenschule absolvieren wird. Doch nun gilt der Fokus nicht dem Militär oder einer Latein-Prüfung, sondern dem ersten Wettkampf: Heute startet Thommen im 100-Meter-Sprint. Am kommenden Mittwoch folgt dann der Weitsprung, der ihm noch ein bisschen mehr Spass macht.