Naturpark beschäftigt die Gemeinderäte
26.09.2024 BaselbietMindestens zwölf Gemeinderäte haben aktuell nicht vor, die Gemeindeversammlung über den Beitritt zum «Naturpark Baselbiet» entscheiden zu lassen: teils wegen offener Fragen, teils aus Ablehnung des Projekts. Für dieses Vorgehen werden sie von Amtskollegen kritisiert.
Janis Erne
Natur schützen, Tourismus fördern, regionale Produkte vermarkten, Dorfläden stärken und vieles mehr: Im oberen und mittleren Baselbiet soll 2029 ein Naturpark entstehen. Was einfach klingt, ist mit einem komplizierten Verfahren verbunden. Gemeinden, Kanton und Bund müssen – zum Teil mehrmals – zustimmen. Sie alle sind für die Finanzierung des Parks mitverantwortlich.
In einem ersten Schritt sollen die 56 Gemeinden im festgelegten Perimeter entscheiden, ob sie an der Errichtungsphase des «Naturparks Baselbiet» teilnehmen wollen. Diese Phase dauert voraussichtlich bis 2028 und kostet die Gemeinden ab 2026 bis zu 5 Franken pro Einwohner und Jahr. Voraussetzung für das Zustandekommen des Parks ist eine zusammenhängende Fläche von mindestens 100 Quadratkilometern.
Doch bereits der erste Schritt ist mit Unklarheiten und Unsicherheiten verbunden. Vor einer Woche machte die «bz Basel» publik, dass der Zunzger Gemeinderat die Gemeindeversammlung nicht über die Beteiligung an der Errichtungsphase abstimmen lassen will. Eine Umfrage der «Volksstimme» zeigt nun, dass mindestens elf weitere Gemeinderäte ähnlich denken. Sie wollen den Beitritt zum Naturpark-Trägerverein Stand heute nicht an einer Gemeindeversammlung traktandieren. Teils wegen offener Fragen, teils, weil sie das Projekt nicht sinnvoll finden.
«Sehr überschaubarer» Nutzen
Keine Abstimmung ist in Nusshof geplant: Laut Präsident Rolf Wirz ist der Gemeinderat nicht gegen den Naturpark. Er sehe darin für Nusshof aber nur einen «sehr überschaubaren» Nutzen. Dies, weil die Gemeinde über «sozusagen keine» Gastronomie, Hofläden, Direktverkauf-Angebote oder Ähnliches verfüge. «Als kleine Gemeinde mit einem Bilanzfehlbetrag müssen wir uns jede wiederkehrende Ausgabe, und sei sie noch so klein, sehr gut überlegen», so Wirz. Mit Hersberg sieht eine weitere Kleingemeinde «keinen Nutzen» für sich, wie Gemeindepräsident Pascal Wiget auf unsere Anfrage schreibt. Auch sein Gremium will der Gemeindeversammlung das Naturpark-Geschäft nicht vorlegen.
Der Gemeinderat von Tenniken hat sich laut Präsident Thomas Grüter «nach eingehender Diskussion» gegen den Naturpark entschieden und wird ihn an der nächsten Gemeindeversammlung im Dezember ebenfalls nicht traktandieren. Gleiches gilt – Stand jetzt – für Frenkendorf, Häfelfingen, Lausen, Niederdorf, Ormalingen, Seltisberg, Tecknau, Titterten und eben Zunzgen.
Neben dem finanziellen Nutzen und der Kritik aus der Landwirtschaft beschäftigen einige Gemeinderäte raumplanerische Fragen. Henri Rigo, Gemeindepräsident von Ormalingen, befürchtet Einschränkungen bei der Gestaltung der kommunalen Zonenvorschriften. Denn der Naturpark muss in den kantonalen Richtplan aufgenommen werden, der für die Gemeinden verbindlich ist (siehe auch «Carte blanche» auf Seite 2). Dieser Interpretation der Sachlage widersprechen die Parkbefürworter (siehe «Nachgefragt» auf dieser Seite).
Abstimmung via Antrag möglich
Wenn ein Gemeinderat der Gemeindeversammlung kein Naturpark-Geschäft vorlegt, kann diese trotzdem über den Beitritt abstimmen. Dies, wenn ein entsprechender Antrag aus der Bevölkerung gestellt wird. In Niederdorf ist ein solcher Antrag bereits eingegangen. Der Nachteil beim Weg via Antrag ist die mögliche zeitliche Verzögerung: Ein Gemeinderat könnte die Abstimmung über den Parkbeitritt bis Herbst 2025 hinauszögern.
Unter Gemeinderäten ist in den vergangenen Tagen eine Diskussion darüber entbrannt, ob es undemokratisch sei, das Traktandum «Naturpark» nicht der Gemeindeversammlung vorzulegen. Thomas Zumbrunn, Gemeindepräsident von Rünenberg, schreibt zu unserer Umfrage: «Da der Beitritt zu einem Regionalen Naturpark gemäss den Vorgaben des Bundes der Zustimmung der Einwohnergemeindeversammlung bedarf, sollte unserer Meinung nach nicht der Gemeinderat das letzte Wort in dieser wichtigen Frage haben.»
Auch der Sissacher Gemeindepräsident Peter Buser hat eine klare Meinung: Er findet es falsch, das Naturpark-Geschäft nicht der Gemeindeversammlung vorzulegen. «Mit einem Antrag des Gemeinderats – ob für oder gegen den Park – wäre der demokratische Weg eingehalten und es gäbe ein breit abgestütztes Resultat», so Buser.
Unterstützung erhält er von Daniel Meier, Gemeindepräsident von Buckten. Er schreibt, der Gemeinderat werde «von Anfang an offen über die Vor- und Nachteile informieren und vor allem nicht selbstherrlich im Gemeinderatszimmer entscheiden». Im Sinne der direkten Demokratie will der Buckter Gemeinderat die Interessen der Bevölkerung frühzeitig berücksichtigen, also die Gemeindeversammlung über den Beitritt entscheiden lassen. Auch wenn er sich bewusst sei, dass die dreijährige Errichtungsphase «nur» eine Richtungsentscheidung ist und die grossen Weichen erst in der zweiten Phase mit der Erarbeitung einer gemeinsamen Charta und einem Parkvertrag gestellt werden.
Noch viel Unentschlossenheit
Unter den 14 Gemeinderäten, die gemäss unserer Umfrage das Geschäft der Gemeindeversammlung vorlegen wollen, sind auch solche, die den Park in der vorliegenden Form ablehnen. So zum Beispiel Reigoldswil. Gemeindepräsident Fritz Sutter schreibt: «Dass unsere Gemeinde – notabene mit einem Steuerfuss von 66 Prozent – in einen Topf einzahlen soll für Projekte, die dann in Gemeinden mit tieferem Steuerfuss realisiert werden, ist für uns nicht akzeptabel.» Der Reigoldswiler Gemeinderat lehnt das vorgeschlagene Finanzierungsmodell des Trägervereins ab.
Neben Rünenberg – «der Park führt zu einer finanziellen Entlastung der Gemeinden», so Präsident Thomas Zumbrunn – spricht sich beispielsweise auch Maisprach klar für den Naturpark aus. Gemeindepräsident Dorian Wernli: «Der Gemeinderat ist überzeugt, dass der Naturpark einen grossen Mehrwert für die ganze Region und unsere Bevölkerung bringt. Wir sehen den Beitritt als Investition in die Zukunft, die spätestens nach der dreijährigen Errichtungsphase zu einer finanziellen Entlastung führt und wichtige Projekte im Oberbaselbiet ermöglicht.»
Die Ansichten der Gemeinderäte, die einen nicht zu unterschätzenden Einfluss auf die Meinungsbildung der Bevölkerung haben, gehen also auseinander. Gemäss unserer Umfrage ist mehr als die Hälfte der Gemeinderäte noch unschlüssig, ob sie der Gemeindeversammlung den Beitritt zum Naturpark unterbreiten soll und wie sie sich dazu positionieren wird. In zahlreichen Gemeinden finden noch Orientierungsveranstaltungen statt, an denen die Park-Initianten das Vorhaben vorstellen.
Für den Bennwiler Gemeinderat wird es dabei «matchentscheidend» sein, ob «Baselland Tourismus» eine führende Rolle im Parkprojekt übernehmen wird, wie Gemeindepräsident Michael Bürgin schreibt: «Dies, um jegliche Doppelspurigkeiten zu vermeiden.»
Bauern sagen Nein
je. Der Vorstand des Bauernverbandes beider Basel steht der Schaffung des «Naturparks Baselbiet» kritisch bis ablehnend gegenüber, wie er gestern mitteilte. Für den Verband überwiegen die Risiken, auch weil die öffentliche Hand sparen müsse. Die Förderung der produzierenden Landwirtschaft stehe nicht im Zentrum des Parkprojekts, und die Direktvermarktung regionaler Produkte könne kaum gesteigert werden.
«Wir schreiben den Gemeinden nicht vor, was sie zu tun haben»
Herr Sutter, der Trägerverein hat vorgestern ein Informationsschreiben an die Gemeinden verschickt. Warum?
Johannes Sutter: Wir haben das gemacht, weil viele Gemeinderäte bei uns nachgefragt haben, wie das Prozedere für den Beitritt zum Naturpark genau aussieht. Vielen ist nicht klar, ob es dafür einen Entscheid der Gemeindeversammlung braucht oder ob ein Gemeinderatsbeschluss ausreicht. Wir haben eine Mustervorlage verschickt, die den Gemeindeversammlungen vorgelegt werden kann. Auch inhaltliche Fragen haben wir geklärt.
Wie beurteilen Sie die Tatsache, dass einige Gemeinderäte nicht vorhaben, die Gemeindeversammlung über den Beitritt zum Naturpark entscheiden zu lassen?
Das will ich nicht beurteilen, da ich ein grosser Verfechter der Gemeindeautonomie bin. Der Trägerverein des Naturparks kann und will den Gemeinden nicht vorschreiben, was sie zu tun und zu lassen haben. Wir empfehlen den Gemeinderäten lediglich, die Bevölkerung über den Beitritt entscheiden zu lassen. Das ist der richtige Weg.
Stellt sich ein Gemeinderat quer und kommt ein Antrag aus der Bevölkerung, kann sich die Abstimmung über den Parkbeitritt in der betroffenen Gemeinde bis zu einem dreiviertel Jahr verzögern. Was bedeutet das für das Projekt?
Es ist ein Ausdruck von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit, als Einwohnerin oder Einwohner einen Antrag zuhanden der Gemeindeversammlung stellen zu können. Wir werden allfällige zeitliche Verzögerungen berücksichtigen. Heisst: Wenn bis Ende Jahr nicht genügend Gemeinden mitmachen, aber noch Abstimmungen offen sind, würden wir beim Bund beantragen, das Gesuch für die Errichtungsphase aufzuschieben. Das sollte kein Problem sein. Und wenn bis Ende Jahr genügend Gemeinden mitmachen, läuft das Parkprojekt planmässig weiter. Weitere Gemeinden können allenfalls später hinzukommen.
Einige Gemeinderäte befürchten, dass sie durch den Naturpark in ihrer Raumplanung eingeschränkt werden. Sind diese Befürchtungen berechtigt?
Diese Ängste müssen ernst genommen werden. Entscheidend ist, was in der Parkcharta und im Parkvertrag stehen wird. Das entscheiden die Gemeinden: Sie haben die Mehrheit in der Mitgliederversammlung des Naturpark-Trägervereins. Wenn die Charta dem Naturpark keine Kompetenz einräumt, bei Zonenplanungen mitzureden, so gibt es auch keine. Der Naturpark in Schaffhausen ist ein gutes Beispiel: Dort gibt es weder im Parkreglement noch im kantonalen Richtplan entsprechende Vorschriften. Die Gemeindeautonomie und die Planungsfreiheit der Gemeinden bleiben vollumfänglich gewährleistet, limitiert sind sie einzig von den bestehenden Schranken von Bund und Kanton.
Kleine Gemeinden wie Nusshof oder Hersberg sehen im Naturpark keinen finanziellen Mehrwert. Sie sehen das anders, oder?
Das ist richtig. Wenn die Gemeinden finanziell nicht profitieren würden, hätten die 17 Naturpärke in der Schweiz viele Austritte zu verzeichnen. Das ist aber nicht der Fall. Der finanzielle Nutzen setzt voraus, dass es gute Projekte gibt. In Arboldswil, wo ich Gemeindepräsident bin, haben wir eine Modellrechnung über fünf Jahre gemacht: Bei einem gesamthaften Parkbeitrag von 15 000 Franken kann die Gemeinderechnung durch die Umsetzung von Parkprojekten um mehr als das Doppelte entlastet werden. Der Park übernimmt gewisse Ausgaben der Gemeinden.