Nachts im Garten
23.12.2025 PersönlichWir wohnen dort, wo sich Fuchs und Hase Gute Nacht sagen. Wobei wir den Hasen noch nie gesehen haben. Dafür muss es bei uns allerlei andere Tiere geben: all die Häufchen rund ums Haus! Einmal lag sogar ein richtig grosser mitten im Rasen. Es war nach einer Nacht, in der die Schafe unten ...
Wir wohnen dort, wo sich Fuchs und Hase Gute Nacht sagen. Wobei wir den Hasen noch nie gesehen haben. Dafür muss es bei uns allerlei andere Tiere geben: all die Häufchen rund ums Haus! Einmal lag sogar ein richtig grosser mitten im Rasen. Es war nach einer Nacht, in der die Schafe unten auf der Weide mit dem Blöken nicht mehr aufhören wollten. Ich machte ein Foto vom Haufen: «Wahrscheinlich von einem Luchs», kam die Diagnose aus dem Netz. Verwundert waren wir nicht – die Rufe der Raubkatze hatten wir in der Nähe schon mehrfach gehört.
Bei einem anderen Haufen lautete das Verdikt eines Zoologen: Dachs! Er hatte eine tiefe Latrine in mein Blumenbeet gebuddelt – und dann trotzdem nicht ganz getroffen. Ein ziemlich grosser Aufwand für ein ziemlich grosses Geschäft … Ein weiteres Häufchen führte uns auf die Spur eines Iltis, der sich dann sogar bei Tag zeigte, als er hinter unserem Haus wie ein geölter Blitz Mäuse jagte – und sich dabei minutenlang durchs Küchenfenster filmen liess.
Nachts im Garten – das ist eine geheimnisvolle Welt. Im Frühling sammelte meine liebe Gärtnerin Holunderblüten für Sirup. Die Schüsseln deckte sie mit Pfannendeckeln zu und liess sie auf dem Sitzplatz stehen. Am nächsten Morgen lagen die Deckel wild verstreut im Garten. Hmm … Kurz darauf war einer meiner Wanderschuhe vor dem Hauseingang verschwunden; Tage später fand ich ihn weit weg in einem Gebüsch. Unsere Nachbarin hatte sofort einen Verdacht: Zwei leuchtende Augenpaare hätten sie kürzlich aus der Dunkelheit neugierig beobachtet. «Ziemlich sicher Waschbären», mutmasste sie. Die hätten später einen ordentlichen Krawall veranstaltet.
Ich wollte den Pfannendeckel- und Schuhdieben auf die Schliche kommen und schaffte mir eine Infrarot-Wildtierkamera an. Seither weiss ich: Nachts im Garten ist mehr los als auf manchem Dorfplatz am Tag!
Zu meiner grossen Freude fühlte sich ein Igel magisch angezogen von der Kamera: 50 Bilder und kurze Filme! Hausmarder beschnüffelten das Gerät, und ein imposanter Steinmarder machte davor äusserst elegant das Männchen. Ein Wiesel stieg einfach drüber. Elstern pickten in den frühen Morgenstunden hässig auf die Linse ein. Und nachts streifen viele fremde Katzen und vor allem Füchse durch unseren Garten. Einer davon kam im September jede Nacht und holte sich süsse Birnen, die von unserem Baum gefallen waren. Unglaublich, aber wahr – die Kamera liefert den Beweis.
Jetzt im Winter ist weniger Betrieb. Doch plötzlich waren wieder ein paar Dutzend neue Aufnahmen auf der Kamera: Eine Maus führt direkt neben unserer Sitzplatztür Nacht für Nacht ihre wilden Tänze auf. Unser Kater, den ich schon mehrfach mit Maus im Maul geblitzt hatte, scheint sie noch nicht bemerkt zu haben. Wie ich noch keine Waschbären.
Könige unter den Schuhdieben sollen übrigens Füchse sein, habe ich neulich gelesen. Das Aktenzeichen «Pfannendeckel» hingegen bleibt ungelöst. Und falls Sie in letzter Minute noch ein gutes Weihnachtsgeschenk suchen: Solche Kameras sind gar nicht so tierisch teuer!
David Thommen, Chefredaktor «Volksstimme»

