Millennial-Starterpaket
30.09.2025 PersönlichEnde 20 zu sein heisst heute häufig, in eine Welt voller neuer Rituale und Leidenschaften einzutauchen. Was früher «einfach mal ausprobieren» war, ist für viele Millennials zu einem sorgfältig gepflegten Lebensstil geworden. Da wird nicht einfach nur gejoggt – ...
Ende 20 zu sein heisst heute häufig, in eine Welt voller neuer Rituale und Leidenschaften einzutauchen. Was früher «einfach mal ausprobieren» war, ist für viele Millennials zu einem sorgfältig gepflegten Lebensstil geworden. Da wird nicht einfach nur gejoggt – sondern ein Trainingsplan mit Pulsuhr und Statistik angelegt. Brotbacken ist nicht mehr nur Hobby, sondern ein Experiment mit Sauerteigkulturen, die täglich gepflegt und beobachtet werden. Und der Kaffee am Morgen? Ein durchorganisiertes Ritual mit Siebträger, Waage und Expertenwissen über Bohnenherkunft und Röstgrade.
Diese Hobbys sind längst keine Nebensache mehr, sondern kleine Projekte, die viel Zeit, Energie und oft auch Geld verschlingen. Dabei geht es nicht nur um das Ergebnis, sondern um das ganze Drumherum: das Equipment, die Planung, die Dokumentation. Eine eigene Social-Media-Welt voller Tipps, Tricks und perfekter Fotos gehört ebenso dazu wie der Austausch in spezialisierten Gruppen.
Manchmal wirkt es fast so, als wäre das Ziel nicht nur das Hobby selbst, sondern das Erreichen von Perfektion in diesem einen Bereich – eine Art persönlicher Wettkampf um das beste Bananenbrot, den schnellsten Halbmarathon oder den edelsten Espresso. Hinter der Leidenschaft steckt häufig auch das Bedürfnis nach Kontrolle und Struktur in einer Welt, die gerade für viele in meinem Alter unsicher ist: Eigentum unerschwinglich, Arbeitswelt unberechenbar, Beziehungen manchmal fragil – da investiert man eben in das, was man selbst gestalten kann. Den Körper. Die Ernährung. Die Freizeit. Das Equipment.
Das «Starterpaket» für diesen Lebensstil besteht meist aus hochwertigen Geräten, ausgewähltem Zubehör und jeder Menge Know-how. Das kann schnell teuer werden und erfordert Geduld und Disziplin. Doch genau diese Hingabe macht den Reiz aus.
Neben dem Material spielt auch die soziale Komponente eine Rolle. Persönlich oder auf «Instagram» wird Wissen geteilt, werden Erfolge gefeiert und neue Trends diskutiert. Diese Communities geben nicht nur Halt, sondern auch Motivation und Inspiration – und setzen manchmal auch den Massstab, an dem man sich misst.
Wichtig ist dabei: Was als simples Hobby begann, wächst für viele zu einem kleinen Lebensprojekt. Ein Lebensprojekt, das den Alltag strukturiert, Freude macht und Identität schafft.
Natürlich bleibt die Frage, ob diese Entwicklung eine Modeerscheinung ist oder ein langfristiger Wandel in der Art, wie eine ganze Generation ihre Freizeit und Selbstverwirklichung gestaltet. Sicher ist, dass diese Leidenschaft für das Detail und das «Drumherum» mehr ist als ein kurzlebiger Trend. Sie steht für den Wunsch nach Qualität, Nachhaltigkeit und einer tiefen Verbindung zu dem, was man tut.
Ob und wie lange jemand so ein Starterpaket auspackt, ist dabei ganz individuell. Aber eines zeigt sich deutlich: Die Millennials schaffen sich ihre ganz eigenen kleinen Welten – akribisch, mit vielen Gadgets und mit Herzblut.
Luana Güntert, Sportredaktorin «Volksstimme»

