Mehrwert durch Zusammenarbeit
03.09.2024 Sissach, BaselbietUm den Naturpark Baselbiet zum Fliegen zu bringen, müssen dessen Promotoren noch viel Überzeugungs- und Aufklärungsarbeit leisten. Dies wurde an einer Podiumsdiskussion in Sissach deutlich.
Christian Horisberger
Die Promotoren des Naturparks ...
Um den Naturpark Baselbiet zum Fliegen zu bringen, müssen dessen Promotoren noch viel Überzeugungs- und Aufklärungsarbeit leisten. Dies wurde an einer Podiumsdiskussion in Sissach deutlich.
Christian Horisberger
Die Promotoren des Naturparks Baselbiet haben einige intensive Tage hinter sich: Am Donnerstagnachmittag traten sie vor die Medien, um die öffentliche Debatte zum Park so richtig zu lancieren, am Abend hielt der Verein Erlebnisraum Tafeljura als Initiant seine Jahresversammlung ab, und am Freitag stellte sich dessen Präsidentin, Florence Brenzikofer, in einer Podiumsdiskussion kritischen Fragen.
Zur Gesprächsrunde in der Sek Tannenbrunn eingeladen hatte das gegenüber dem Naturpark Baselbiet kritisch eingestellte Komitee Pro Oberbaselbiet, dem Vertreterinnen und Vertreter aus der Landwirtschaft sowie von Gemeindebehörden angehören. Die Ausgewogenheit der Gästeliste zeigte, dass den Veranstaltern an Aufklärung und Information gelegen war und nicht am Poltern: Den Fragen von Moderator Daniel Wittlin («RegioTVplus») stellten sich neben Brenzikofer die Gemeindepräsidenten Piero Grumelli (Oberdorf) und Fritz Sutter (Reigoldswil), BL-Tourismus-Geschäftsführer Michael Kumli, Obstverbandspräsident Ernst Lüthi sowie Edgar Kupper, Gemeindepräsident von Laupersdorf, einem Dorf im Naturpark Thal.
Die Kritiker waren aber keineswegs mit dem Diplomatenkoffer nach Sissach gekommen. Insbesondere Obstbauer Ernst Lüthi machte keinen Hehl daraus, dass er sich von diesem Naturpark wenig verspricht. Regelrecht enttäuscht sei er vom Management-Plan des Naturparks, der im Vergleich jenem für den vor 14 Jahren gescheiterten Jurapark Baselland kaum Neues bringe. «Das einzig Positive ist der Einbezug von Baselland Tourismus», so der Landwirt aus Ramlinsburg.
Eher Hindernisse als Hilfestellung
Lüthi bestritt nicht, dass ein Naturpark zur Stärkung der Regionalvermarktung beitragen kann. Als Voraussetzung dafür müsste der Gesetzgeber brauchbare Regeln definieren, beziehungsweise Barrieren aufheben. Denn für leistungsfähige Verarbeitung und Verkauf brauche es neben Investitionen auch Infrastruktur. Aufgrund schlechter Erfahrungen mit Auflagen des Kantons die Landwirtschaft betreffend erwarte er vom «schwerfälligen Konstrukt» eher noch grössere Hindernisse als Hilfestellungen für die produzierenden Bauern. Denn mit jedem neuen Reglement werde der Reglemente-Dschungel dichter.
Bloss mit dem Commitment «für ein bisschen Naturschutz, Hochstamm und der Vermarktung hochwertiger, regionaler Produkte» könne man die Landwirtschaft nicht überzeugen, beim Naturpark Baselbiet mitzumachen.
Höhere Hürden bei der Siedlungsentwicklung der Dörfer im Park-Perimeter befürchtet Piero Grumelli. Dies aufgrund eines Absatzes im Artikel 20 der Bundesverordnung über Pärke von nationaler Bedeutung. Demnach sind «bei neuen Bauten, Anlagen und Nutzungen der Charakter des Landschafts- und Ortsbilds zu wahren und zu stärken». Damit hätte man mit dem Naturpark eine weitere Organisation, die dreinredet, sagte der Oberdörfer.
«In allen 17 bereits existierenden Naturpärken ist noch kein Bauvorhaben wegen eines Naturparks verhindert worden», entgegnete Florence Brenzikofer, zumal die Trägerschaften der Pärke nicht einspracheberechtigt seien. Zudem wies sie Grumelli darauf hin, dass es eine Vorgabe sei, dass 50 Prozent der Mitglieder des Trägervereins Gemeindevertreter sein müssten. Diese könnten sich bei der Ausgestaltung der «Charta» einbringen.
Thal: Alle Gruppierungen im Boot
Der Gast aus dem Solothurnischen beschrieb, unter welchen Voraussetzungen der Naturpark Thal zur besseren Vermarktung eines strukturschwachen Gebiets mit wenig Industrie und Gewerbe zustande kommen konnte: Alle Interessengruppen seien eingebunden worden, vor allem auch Land- und Forstwirtschaft. Man habe keine strengen Vorschriften erlassen, keine einschränkenden Schutzzonen definiert, und «abgehobene Projekte» seien unerwünscht gewesen. Im geltenden Leitbild sei betreffend Landschaftsschutz einzig enthalten, dass kommunale Landschaftsschutzzonen zu prüfen seien.
Gratis gibt es den Naturpark nicht. «Was fliesst zurück?», wollte Obstbauer Hansruedi Wirz wissen, der im Publikum Platz genommen hatte. Wer denkt, das Geld fliesse auf die Schnelle, sei auf dem Holzweg, sagte Edgar Kupper. Lanciere man Projekte, brauche dies Investitionen und Begleitung. In einigen fliesse dann etwas zurück. Ein Park-Label könne einem Regio-Produkt zum nationalen Durchbruch verhelfen. Im Thal hätten zwei Produzenten ihre Wurst oder ihren Käse in die Regale eines Grossverteilers gebracht, so Kupper. Dabei handle es sich um Leute, die «parat» seien. Ansonsten würden «Thal»-Produkte nur regional und direkt vermarktet. Eine durch den Naturpark Thal insgesamt gesteigerte Wertschöpfung zu ermitteln, sei nicht gelungen. Fest stehe, dass die Region dadurch mehr Sichtbarkeit bekommen habe und die Zusammenarbeit gestärkt worden sei.
Lösungen suchen
Hier setzt Tourismusförderer Kumli an. Die Oberbaselbieter würden sich mit ihrer Region identifizieren und sich freuen, wenn ihr Kanton besser wahrgenommen würde. Nur fehle oft der Schnauf, wenn es darum gehe, etwas anzupacken. Der Naturpark sei eine Grundlage für eine Zusammenarbeit vieler Player und er habe das Potenzial, Kräfte freizusetzen, gab sich Kumli überzeugt. Er nehme die Ängste ernst und wolle Klarheit schaffen. So schlug er vor, anstatt über die mögliche Auslegung des Bundesreglements Mutmassungen anzustellen, es vom Bund «ausdeutschen» zu lassen. «Wenn wir wissen, was Sache ist, sehen wir, was für Lösungen wir kreieren können», so Kumli – am liebsten gemeinsam mit innovativen Landwirten.
Im Publikum sassen neben zahlreichen Landwirten auch einige Gemeindevertreterinnen und -vertreter; unter ihnen sowohl Kritiker als auch Befürworter. Die Buusner Gemeindepräsidentin Nadine Jermann sieht im Naturpark ein Förderinstrument, das Geld in das strukturärmere Oberbaselbiet bringen könnte, wie sie sagte. Darauf entgegnete Raphael Wiesner, Präsident der SVP Gelterkinden, dass der Naturpark die finanziellen Probleme des Oberbaselbiets mit Sicherheit nicht löse. Charlotte Gaugler, Gemeindepräsidentin in Lampenberg, schlug vor, auf das «Mammut-Gebilde» zu verzichten und stattdessen mit weniger Geld BL Tourismus eine Abteilung Natur anzugliedern.
Dazu merkte Erlebnisraum-Präsidentin Brenzikofer an, dass unter diesen Umständen keine Park-Gelder des Bundes ins Baselbiet fliessen würden. Worauf SVP-Landrat Matthias Ritter (Diegten), der am Diskussionsabend Regie führte, in seinem Schlusswort bilanzierte, dass nicht alles Gold sei, was glänze.