«Man muss nicht jeden Tag Fleisch essen»
21.11.2023 Bezirk Sissach, WenslingenDer Leimenhof geschäftet seit 27 Jahren erfolgreich
Andreas Gass und René Ritter bewirtschaften zusammen mit ihren Familien den «Leimenhof». Transparenz zwischen Produzent und Kundschaft ist genauso wichtig wie das Wohl der gehaltenen Tiere. Auf dem Hof haben ...
Der Leimenhof geschäftet seit 27 Jahren erfolgreich
Andreas Gass und René Ritter bewirtschaften zusammen mit ihren Familien den «Leimenhof». Transparenz zwischen Produzent und Kundschaft ist genauso wichtig wie das Wohl der gehaltenen Tiere. Auf dem Hof haben alle einen Namen, keine Nummer.
Elmar Gächter
Wer das Hochplateau von Wenslingen bewandert, dem fallen die hohen blauen Futtersilos mit Schweizer Kreuz von Weitem auf. Sie sind Teil jener markanten Gebäude, die 1996 mit Laufstall, Remise und Eventlokal als «Leimenhof» auf der grünen Wiese erstellt worden sind. «Eigentlich wollten wir zunächst im Dorf etwas Neues bauen, doch unser Architekt hat uns davon abgeraten. Ein weiser Entscheid, wie sich schnell herausstellte», sagt Andreas Gass (57). Er und René Ritter (41), der vor rund zehn Jahren in die Fussstapfen seines Vaters Max trat, des Mitbegründers des Leimenhofs, führen als Betriebsleiter den Hof gemeinsam.
Die Tierhaltergemeinschaft, die zu Beginn vor allem im Vordergrund stand, hat sich in der Zwischenzeit zusammen mit anderen Betriebszweigen mehr und mehr zu einer Betriebsgemeinschaft entwickelt.
Die beiden Landwirte widmen sich auf ihrem rund 65 Hektar grossen Betrieb der Muttertierhaltung und der Aufzucht von Rindern. Den eigenen und solchen, die sie von anderen Betrieben gross ziehen, bis sie trächtig sind. Daneben bauen sie Kichererbsen und Linsen für den Direktverkauf an sowie Raps, den sie zu Öl verarbeiten. Das Getreide wird an die Landi verkauft. Sie betreiben zudem seit drei Generationen mit ihrem Mähdrescher ein Lohnunternehmen wie auch ihr «Leimenstübli» mit dem spannenden Blick auf den darunterliegenden Laufstall.
Vor etwas mehr als zehn Jahren haben sie ihre Milchwirtschaft auf Muttertierhaltung und Rinderaufzucht umgestellt. «Der Milchpreis war der Hauptgrund. Die Kostenwahrheit zeigte auf, dass der Aufwand grösser war als Ertrag», begründet Ritter die Umstellung und ergänzt: «Wir verdienen zwar nicht viel mehr als vorher, aber wir konnten Personal einsparen, und die Arbeitsbelastung ist wesentlich kleiner.» Einen grossen und innovativen Schritt machten die beiden 2014 mit der Zucht von Wagyu-Rindern. Sie kommen ursprünglich aus Japan – ihr Name bedeutet wörtlich «japanische Kuh». Ritter und Gass haben begonnen, die importieren Samen mit den einheimischen Rassen «Limousin» und «Simmentaler» einzukreuzen. In der Zwischenzeit lebt auf dem Leimenhof eine Herde von 28 Mutterkühen, von denen ein Teil in der vierten Generation eingekreuzt ist und als reinrassige Wagyu-Rinder gelten René Ritter schwärmt von den auf dem Hof gehaltenen Tieren. «Sie liefern das gesündeste und beste Fleisch, das es gibt. Die Wagyu-Kuh weist die beste Fruchtbarkeit und Klauengesundheit auf und ist auch in charakterlicher Hinsicht ein tolles Tier. Allerdings wächst sie langsamer als andere Rassen, und das Fleisch hat deshalb seinen Preis.» Fleisch von den reinrassigen Tieren werde vor allem von der gehobenen Gastronomie nachgefragt, Mischpakete von eingekreuzten Tieren seien jedoch nicht viel teurer als herkömmliches. Zum Fleischkonsum hat René Ritter im Übrigen eine pointierte Ansicht. «Man muss nicht jeden Tag Fleisch essen, dies machen wir bei uns zu Hause auch nicht. Lieber weniger Fleisch essen, dafür jenes, das aus der Schweiz kommt und von dem man weiss, wie die Tiere gehalten werden.»
Viel Grünfutter
Die Tiere auf dem Leimenhof ernähren sich praktisch ausschliesslich vom Grünfutter, das auf dem eigenen und gepachteten Land angebaut wird. Kraftfutter steht laut Andreas Gass nicht auf dem Speisezettel ihrer Kühe und Rinder. Alle haben hier ihre Namen und sind keine Nummern, wie er betont. Geschlachtet wird ausschliesslich in Wenslingen, was die Tiere vor langen Fahrten und unnötigem Stress bewahrt.
Wer so lange wie die beiden Landwirte eng zusammenarbeitet, muss mehr als einen gemeinsamen Nenner haben. «Das Wichtigste ist, dass jeder seine Eigenständigkeit behält und man Kompromisse eingeht», ist Andreas Gass überzeugt. Für René Ritter ist es wie in einer Ehe mit besseren und schwierigeren Zeiten. «Entscheidend ist auch der Wille, gemeinsam etwas zu erreichen. Der finanzielle Aspekt darf nicht an erster Stelle stehen und man muss auch das Fünfi gerade sein lassen.» Aus seiner Sicht liesse sich ein Betrieb solcher Grösse gar nicht von einer Einzelperson führen. Ausserdem schütze eine Betriebsgemeinschaft mit den verschiedenen Helfenden und ihren Ideen vor einer gewissen Betriebsblindheit.
Den beiden Betriebsleitern liegt am Herzen, Transparenz zwischen Konsument und Produzent zu schaffen. Deshalb hat René Ritter 2020 begonnen, Filme auf verschiedenen Social-Media-Kanälen hochzuladen. Wöchentlich zeigt er in Kurzvideos, wie ein Landwirtschaftsbetrieb funktioniert und welche Arbeitsschritte nötig sind, um ein Lebensmittel zu produzieren. Mit diesem Einblick hoffen sie, das Vertrauen in die Schweizer Landwirtschaft zu stärken und den Dialog zwischen Stadt und Land zu fördern. Für ihren Betrieb wollen sie sich künftig noch mehr auf ihre eigene Marke konzentrieren. «Wir wollen nicht Bio sein, nicht IP, sondern unser eigenes Label ‹Leimenhof›, so René Ritter. Damit sei nicht gesagt, dass Bio-Landwirte oder die konventionelle Landwirtschaft etwas falsch machten, aber man müsse heute einen klaren Rahmen schaffen. Ihr Betrieb brauche Kraftfutter und Pflanzenschutzmittel nur dort, wo es nicht anders gehe. «Diese Art von Landwirtschaft wollen wir weitergeben. Nicht einfach, weil jemand sagt, du musst, sondern weil wir dies gerne und freiwillig machen», betont Andreas Gass.
Für die Zukunft wünschen sich beide, dass die Landwirtschaft möglichst von den Direktzahlungen wegkommt und mehr Wertschöpfung generiert. Ihr Ziel sei es, unabhängiger zu werden von der Medizin, von Dünger, Betriebsstoffen und auch in energietechnischer Hinsicht. «Wir sind innovativ und versuchen alles umzusetzen, was die Gesellschaft fordert. Dann muss diese aber auch bereit sein, unsere Produkte zu konsumieren», sind Gass und Ritter überzeugt.
www.leimenhof.ch
Der Erlebnisraum Tafeljura führt am Samstag, 25. November, 14 Uhr, eine Besichtigung des Leimenhofs in Wenslingen mit Apéro durch. Anmeldungen sind bis morgen an info@tafeljura zu richten.